Coburger Erstaufführung: Gefangen im Käfig des obszönen Reichtums
Autor: Jochen Berger
Coburg, Sonntag, 13. Januar 2019
Was passiert, wenn ein entführter Milliardär und sein Entführer über den Sinn des Lebens diskutieren? So erlebt das Publikum Stephan Kaluzas "30 Keller".
Die Situation ist beklemmend und bizarr zugleich. Ein entführter Milliardär und sein Entführer diskutieren in einem einsamen Keller über Macht und Ohnmacht. Sie diskutieren über die Macht des Geldes und die tatsächliche oder vermeintliche Ohnmacht des Einzelnen in Zeiten der Globalisierung.
Entführer Milliardär Meisner
Der entführte Milliardär Meisner (Bernhard Leute) und sein unerschütterlich, geradezu verblüffend höflicher Entführer Ronaldo (Nils Liebscher) - sie sind die ungewöhnlichen Protagonisten eines ungewöhnlichen Premierenabends im Landestheater Coburg.
Erstaufführung
"30 Keller" hat der Stücke schreibende, Bühnenbilder entwerfende und eigene Stücke inszenierende (Foto-)Künstler Stephan Kaluza sein Kammerspiel um Macht und Geld genannt, das seine bereits im Vorfeld eifrig diskutierte Coburger Erstaufführung erlebte.
Masse Mensch Macht
Denn eigentlich sollte dieses Theaterstück Teil eines doppelten Premierenabends werden. Weil das zunächst ebenfalls als Coburger Erstaufführung geplante Drama "3 D" über das Thema Missbrauch im familiären Umfeld eine Woche vor der Premiere von Theaterleitung und Produktionsteam kurzfristig abgesetzt wurde, war das Entführungsdrama "30 Keller" unter dem Etikett "Masse Mensch Macht" nun allein auf großer Bühne zu erleben.
Kammerspiel auf großer Bühne
Ein Kammerspiel auf fast leerer großer Bühne vor mäßig gefüllten Zuschauerreihen, zwei Protagonisten im verbalen Schlagabtausch - daraus könnte trotz allem ein spannender, packender Theaterabend werden. Und äußerlich wird es tatsächlich ein spannender Theaterabend.
Effektvoll gebündelt
Multi-Künstler Stephan Kaluza beweist feines Gespür dafür, wie sich Effekte arrangieren und bündeln lassen. So hat der Bühnenbildner Stephan Kaluza dem Regisseur Stephan Kaluza einen Kubus auf die Drehbühne bauen lassen, der sich in jeder Inszenierung über die Entführung eines reichen Mannes verwenden ließe. Nicht gülden, sondern silbrig funkelnd ist dieser Käfig, der mit seinen Plexiglaswänden auch als Spiegel taugt.
Wohlerzogener Entführer
Dazu gibt es noch ein symbolschwer einsetzbares Krankenbett, einen passenden Servierwagen wie aus Klinikbeständen und eine fahrbare Tafel, an der Entführer und Entführter bei teuren Weinen und erlesenen Zigarren gediegen disputieren können über den Sinn einer wahrlich ungeheuerlichen Entführung. Denn der wohlerzogene Entführer verlangt die ungeheuerliche Summe von zehn Milliarden Dollar Lösegeld keineswegs zur eigenen Bereicherung. Dieses Lösegeld und das von 29 weiteren entführten Multi-Milliardären soll nicht auf nebulöse Konten transferiert, sondern öffentlichkeitswirksam als Bargeld über den Weltmeeren abgeworfen und damit der Vernichtung anheim gegeben werden.