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Coburg verabschiedet Intendant Bodo Busse


Autor: Dr. Carolin Herrmann

Coburg, Dienstag, 11. Juli 2017

Soviel Verehrung war nie. Und der Intendant fiel auf die Knie. Mit einer großen Gala wurden die Verdienste des scheidenden Intendanten gewürdigt.
Coburgs Intendant Bodo Busse als Ehrengast seiner eigenen Abschieds-Gala im Landestheater gemeinsam mit Regisseur Jakob Peters-Messer (rechts)  Foto: Jochen Berger


Von wegen Abschiedsständchen. Eine gigantische Welle der Sympathie, musikalisch und aus verehrenden Worten gebildet, trug den scheidenden Intendanten des Landestheaters aus Coburg, verabschiedete ihn am Montag in Richtung seiner neuer Wirkungsstätte Saarbrücken. Eine Gala für Bodo Busse im vollen Haus mit geladenen Gästen, nicht nur aus dem Kulturleben mit einer Vielzahl von Regieteams und Künstlern, sondern auch mit dem Coburger Stadtrat, Vertretern aus Politik bis Bayreuth und München, der Wirtschaft und der lokalen Gesellschaft, selbstverständlich mit vielen treuen Abonnenten - hat es so etwas je gegeben?
Oberbürgermeister Norbert Tessmer wusste von keinem ähnlichen Ereignis. Doch offensichtlich war es ein Bedürfnis im Landestheater mit seinen 240 Mitarbeitern: sich und der Welt bewusst zu machen, dass hier etwas Besonderes geschehen war - und zwar ausgehend von einer besonderen Persönlichkeit. Und so erschien der (hoffentlich) ewig junge Bodo Busse in entspannter Pose im Bildnis des Dorian Gray und wurde vom Chor in bombastischer Geste aus dem von Kapellmeister Roland Fister komponierten Musical besungen.
Als herausragende Persönlichkeit in vielen Beziehungen wurde Bodo Busse, der in sieben Jahren die Leistungen seiner Künstler gelobt und gefeiert hat, wo er nur Anlass dazu fand, dabei sich selbst nie in den Vordergrund stellend, in vier emotionalen Reden gewürdigt: "Es waren sieben wundervolle Jahre", fasste treffend Gerhard Amend als Vorsitzender des Theaterkreises zusammen.
Alle Redner betonten Busses Talent für die Menschen, mit dem er herausragende Künstler nach Coburg geholt hat, die wiederum das Landestheater in den letzten Jahren zu einer überregional beachteten Stätte werden ließen. Generalmusikdirektor Roland Kluttig erhielt mehrfach extra Beifall, wie überhaupt mit Busse auch dem gesamten Team gedankt wurde. Das aber war es nicht allein, denn in seiner Liebenswürdigkeit habe er die ganze Stadt erobert: "Ihn mögen alle, deshalb fällt es uns so schwer, uns von ihm zu verabschieden. Er liebt sein Publikum", sagte Gerhard Amend.


Du hast uns alle verzaubert

Zuvor schon hatte OB Tessmer, der vor allem auch Busses besondere Führungskultur heraushob, mit Zitaten und Scherzen geistig von der Itz an die Saar gebracht und darauf verwiesen - weil eine Verbindung trösten muss - dass beide auf irgendeinem Wege in den Rhein münden. "Bodo, du hast uns sieben Jahre lang alle verzaubert und in deinen Bann gerissen."
Weil solch eine Veranstaltung schnell auch einen Trauerrand kriegen kann, bemühten sich alle Redner um Witz und launige Bezüge. Stadtrat Hans-Herbert Hartan (CSU) hatte als Mitglied des zuständigen Verwaltungsausschusses in seinen Notizen zur Bewerbungsrunde im Jahr 2009 gekramt: "Gepflegtes Äußeres, sehr überzeugend."
So wie bis heute immer wieder sein Charme herausgestrichen wird, geradezu mit Verwunderung. Als habe Busse einen Zauberstab in der Hand, mit der er die Welt um sich herum in Verzückung zu versetzen in der Lage ist. Heute sagt man dazu selbstverständlich cooler: Er versteht zu motivieren.
Er habe damals von Magie, Poesie und Ästhetik gesprochen, erinnerte sich Hartan. "Bodo, die hast Du uns gebracht." Hartan zeigte sich überzeugt, dass Saarbrücken, wo Busse jetzt Intendant des saarländischen Staatstheaters wird, nur eine Zwischenstation sein werde auf dem Weg an ein größeres Haus: "Das Format hast Du dazu."


Das Theatervolk gibt viele Impulse

Überhaupt, dass alle Bodo Busse duzen, und zwar mit herzlicher Selbstverständlichkeit. Bewusst in den Reigen der Zuneigung aufgenommen wurde der frühere Oberbürgermeister Norbert Kastner. Auch der sei nach den damaligen Widrigkeiten schnell zum Freund geworden.
Dem "Meister der Zwischentöne" dankte Alexa Hahn als Vorsitzende der Ballettfreunde für seinen "unermüdlichen schwungvollen Einsatz" und lenkte dabei auf das gesamt Theatervolk, das Coburg als Bürger hier lebend wertvolle zusätzliche gesellschaftliche Impulse gebe. "Ist das nicht viel mehr als der Auftritt von Gasttruppen bringen könnte?", entgegnete sie den das Landestheater infrage stellenden Attacken, die während der Diskussion um die bevorstehende Generalsanierung wiederholt erfolgten.
Nach der Pause war es dann das künstlerische Interims-Führungsteam von Schauspieldirektor Matthias Straub, GMD Roland Kluttig und Ballettchef Mark McClain, die ihrem scheidenden Chef Verehrung zollten und dankten. Kluttig erinnerte daran, wie "enorm cool" Bodo Busse geblieben sei, als mit dem immensen Wasserschaden 2013 das (vorläufige?) Ende des Spielbetriebes vor Augen stand.
Busse habe stets eine enge Beziehung zu allen Sängern aufgebaut und so diesen besonderen Geist hervorgebracht. In seiner unbedingten musikalischen Leidenschaft habe er so manches gewagt, auch schwäbisch so genannte "Kassenschoner", und dabei für manche Überraschung gesorgt.


820 000 Besucher kamen

Matthias Straub ließ die Wucht der Zahlen wirken: Die Intendanz Busse brachte etwa 200 Premieren, dabei 63 Erstaufführungen ("Nix da Provinz!"). 820 000 Besucher kamen zu über 3700 Veranstaltungen des Landestheaters, das durchschnittlich also täglich 1,4 Angebote unterbreitet hat. - Wer will das Landestheater zum elitären Randphänomen herabstufen?
Mark McClain dankte unter seinem unvergleichlichen Kichern ("Ich hab's eher in den Beinen, nicht so auf der Zunge.") für die Freiheit, die Busse gewährt habe. Als Abschiedsgeschenk wird Busse die nächste Ballettproduktion gewidmet. "Ich schreib da gerade so was", nuschelte McClain, "und ich werde es natürlich furios choreografieren." Die Rede, die dann ein Vertreter des Schauspielensembles halten sollte, versickerte gekonnt in der Verwirrung von Benjamin Hübner.
Dann musste Busse selbst auf die Bühne. Selbstverständlich war er darauf vorbereitet, dass er fassungslos sein würde. Er nutzte die Gelegenheit, um seinen Mitarbeitern gerade auch hinter den Kulissen zu danken. Was er sonst noch zu sagen hatte, mehr noch, lesen Sie im Interview auf Seite 16, das Bodo Busse am Nachmittag dem Tageblatt gab.
Von der Bühne des Landestheaters Coburg trat Busse ab mit einer Geste, wie vielleicht nur er sie wagen kann: Er fiel auf die Knie und küsste den Bühnenboden zum Abschied.


Soviel Huld nicht zu vergessen ...

Ach! Momente der Seligkeit aus sieben Jahren Intendanz Bodo Busse beschworen das Philharmonische Orchester, Chor, Ensemble und Ballett des Landestheaters bei der Abschiedsgala am Montag. Die war in einer großen Gemeinschaftsaktion organisiert worden, mehr oder weniger hinter dem Rücken von Bodo Busse, "kollektiv", wie mehrfach betont wurde.
Unter dem wechselweisen Dirigat von Roland Kluttig, Roland Fister und Alexander Merzyn huldigten Solisten und Chor ihrem Bassa Selim mit Ausschnitten aus Mozarts "Entführung aus dem Serail". Die unter Bodo Busse gepflegte hohe Gesangskultur entfalteten unter anderem Verena Usemann und Anna Gütter zusammen mit der für diesen Anlass zurückgekehrten Betsy Horne in einem zum Frösteln schönen Klanggewebe aus dem "Rosenkavalier" von Richard Strauss, dem Schlussterzett, nachdem Betsy Horn mit "Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding" am Schmerz der Vergänglichkeit fast erschreckend tief gerührt hatte.


Wie im Himmel

Celeste Siciliano und Milen Bozhkov ließen Verdis "Maskenball" in zum Frösteln schönen Duett aufklingen. Zwei wunderbare Pas de deux erinnerten an das erlebnisreiche Tanztheater unter Bodo Busse.
Eine sehr große Zahl an Mitarbeitern des Landestheaters formierte sich zum Chor und sang die Hymne "Ich will glücklich leben" aus dem Musikschauspiel "Wie im Himmel". Schon am Anfang der Gala hatte die Besatzung der Hispaniola aus der "Schatzinsel" Stellung bezogen und Bodo Busse zugerufen: "You can fly".
Wie das Ganze gemeint war, brachte der Chor nochmals mit Mozart zum Ausdruck: "Wer so viel Huld vergessen kann, den seh' man mit Verachtung an." Das Gesangsensemble reihte sich abschließend versonnen an der Rampe zum bittersüßen "Figaro"-Finale "Contessa perdono".