Druckartikel: Coburg: Streut Glitzer über die Todesangst

Coburg: Streut Glitzer über die Todesangst


Autor: Dr. Carolin Herrmann

Coburg, Donnerstag, 17. Januar 2019

Marisa Wendts tiefgehender Monolog "Goldzombies" wurde als Klassenzimmerstück des Landestheaters Coburg uraufgeführt.
Lissi von der   Front, 16 Jahre alt, lebt noch. Solvejg Schomers darstellerisch sehr intensiv. Christin Schmidt


Krass. Aber so richtig. Es geht um "Beauty", dann aber doch eher um Bomben. Und die schlagen mit voller Wucht in die Herzen der Zuschauer von Marisa Wendts Theaterstück "Goldzombies". Das wurde als Klassenzimmerstück uraufgeführt in der Staatlichen Berufsschule in der Kanalstraße. Den Zwölftklässlern, medizinischen Fachangestellten, blieb nach der gut einstündigen Aufführung die Sprache weg. Verständlicher Weise. Was soll man noch sagen, wenn einem ein zum Leben entschlossenes 16-jähriges Mädchen gerade mitgenommen hat in seine Existenz unter Bomben und Attentaten, im Krieg, in einer nicht näher genannten heutigen Stadt, wir haben mehrere zur Auswahl.

Hinter dem Bild der Kamera

"Lissi von der Front", mit wirkungsvollem Körpereinsatz und psychisch durchdringender Intensität von Solvejg Schomers dargestellt, versucht zu sein, was man als junges Mädchen ist: von megamäßig guter Laune, einfallsreich, originell, verliebt. Was eine Herausforderung ist unter ständiger Lebensgefahr. Sie veröffentlicht auf ihrem YouTube-Kanal Schminktipps, mit großer Showmaster-Geste und allem Ausdruck, den die Social Media-Generation vor der Kamera entwickelt hat.

Der konzentrierte und sprachlich treffende Monolog Marisa Wendts zieht allerdings ohne Umschweife hinter das Kamerabild, in die Bombennächte im Schutzkeller, in die Angst um den Vater im Einsatz, den geflohenen Bruder, die Freundin, wenn nach dem Bombenangriff für Stunden kein Handy-Netz zur Verfügung steht. Dabei hat Lissi immer ungeheures Glück. "Heul nicht, du bist zum Glück nicht tot", sagt ihre Mutter im Krankenhaus, wo Lissi von Bombensplittern getroffen aufwacht. Später kommt heraus, dass sie einmal kein richtiges Glück hatte, oder eher ihr kleiner Cousin, mit dem sie auf dem Spielplatz war, als die Flieger kamen. Immerhin hatte seine Leiche noch alle Gliedmaßen.

Der Begriff Tod ist total ungenau

Doch weil man nicht ständig Angst haben kann, überschminkt Lissi die Wunden mit der Leidenschaft des jungen Lebens. Auch wenn die Show im ständigen Sterben zunächst zynisch wirkt. - Aber hey, der Begriff Tod ist total ungenau, erklärt Lissi. Im Tod ist Leben (wenn du daran glaubst), und dass im Leben ständig der Tod haust, erleben wir ja. "Im Grunde sind wir alle Zombies." Und die sind eindeutig schöner, wenn man ein bisschen Goldflitter über sie streut. Was also ist Lissi vorzuwerfen?

Regisseur Marten Straßenberg ist es nicht nur gelungen, Solvejg Schomers durch dieses darstellerische Minenfeld zu geleiten, in dem hinter Spaß und Lebensfreude das Entsetzen des Krieges umso intensiver aufscheint. Der äußere Rahmen sorgt zusätzlich für Spannung: Wir sehen Lissi am Tisch vor ihrer Kamera und dahinter die große Projektion von Lissi in all ihrer Emotionalität. Und dahinter ist eine weitere Ebene.

Das beim dritten Autorenforum des Landestheaters mit einem 1. Preis bedachte Stück hat hiermit auch eine adäquate Uraufführung erhalten. Die Autorin war anwesend und ihrerseits tief betroffen.

Landestheater Coburg "Goldzombies" von Marisa Wendt, Klassenzimmerstück. Inszenierung Marten Straßenberg, Theaterpädagogik/Dramaturgie Christin Schmidt. Darstellerin: Solvejg Schomers.- Das Klassenzimmerstück dieser Saison ist geeignet für Jugendliche ab 12 Jahren. Bei Interesse können sich Schulen für Buchungsanfragen und Begleitmaterial an die Theaterpädagogin Christin Schmidt wenden: christin.schmidt@landestheater.coburg.de, oder per Telefon 09561/89 89 97.

Kulturtipp Im Rahmen des 3. Coburger Forums für junge Autoren an diesem Wochenende wird die Inszenierung von Marisa Wendts Monolog "Goldzombies" am kommenden Sonntag, 20. Januar, einmalig auch in der Reithalle gezeigt, kombiniert mit einer szenischen Lesung von Tom Leveens Stück "Random", das im Autorenwettbewerb auf dem zweiten Platz landete. Beginn ist um 18 Uhr.

 Bereits heute Abend wird das Stück "Das Gesetz der Schwerkraft" des Kanadiers Olivier Sylvestre", das gleichzeitig mit "Goldzombies" einen 1. Preis erhielt, als deutschsprachige Erstaufführung auf die Reithallenbühne gebracht. Beginn ist um 20 Uhr.

Marisa Wendt, geboren 1984 in Osnabrück, studierte Theaterwissenschaft und Germanistik in Leipzig. Sie war zunächst freiberuflich als Schauspielerin engagiert. Eigene Regierarbeiten leistete sie ab 2013 als Regieassistentin und Regisseurin am Landestheater Schleswig-Holstein. Derzeit ist Wendt freiberuflich als Autorin und Regisseurin tätig.Autorenforum: Mit dem Ziel, neue Stücke für ein junges Publikum zu fördern, hat das Landestheater gemeinsam mit dem Li ons Club das "Coburger Forum für junge Autoren" ins Leben gerufen und in der Spielzeit 2017/2018 zum dritten Mal ausgeschrieben. Unter dem Motto "In der Echokammer" waren Autoren am Beginn ihrer Laufbahn eingeladen, Stücke einzureichen, die sich mit den Auswirkungen von Social Media beschäftigen und dabei ein jugendliches Publikum ab 14 Jahren im Blick haben.