"Coburg liest": Biograf entlarvt Mr. Bauhaus
Autor: Jochen Berger
Coburg, Montag, 01. April 2019
Wie Bernd Polster bei einer Lesung in Coburg mit seiner umfangreichen Biografie ein völlig neues Bild des Bauhaus-Gründers Walter Gropius entwirft.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist mit Bedacht gewählt. Pünktlich zum Jubiläum 100 Jahre Bauhaus hat der Publizist Bernd Polster seine umfangreiche neue Biografie des Bauhaus-Gründers Walter Gropius vorgelegt. Sie lässt den gefeierten Architekten der Moderne in einem völlig neuen Licht erscheinen - einem keineswegs vorteilhaften Licht.
Schelmenroman
Schon der Klappentext rührt kräftig die Werbetrommel. Das Leben von Walter Gropius - künftig werde man es "nicht mehr als Heldengeschichte, sondern als Schelmenroman erzählen". Mehr noch: Die Geschichte des Lebens von Walter Gropius zwischen Kaiserreich, zwei Weltkriegen und der Postmoderne der Nachkriegszeit - diese Geschichte sei "die Geschichte eines Hochstaplers, wie sie sich kein Romancier besser hätte ausdenken können."
Akribisch recherchiert
Gewichtige Vorwürfe, die Bernd Polster in dem akribisch recherchierten Band detailreich zu belegen unternimmt. Beim Sachbuch-Abend von "Coburg liest" präsentierte Polster seinen Band vor zahlreichen Zuhörern im Kunstverein Coburg.
Mechanismen der Glorifizierung
Ausgemachte Gropius-Fans, das bewies auch diese Lesung samt Diskussion, dürften mithin wenig Freude an diesem Entlarvungs-Buch gewinnen. Für jene Leser jedoch, die interessiert sind an den Mechanismen, die zur Glorifizierung erfolgreicher Persönlichkeiten führen, ist dieser Band eine spannende Entdeckungsreise. Dabei beschreibt der Autor seine Annäherung an Gropius auch als die Geschichte seiner eigenen Desillusionierung. Es habe, so Polster, "eine Weile gedauert, bis sich herausstellte, dass es sich dabei gar nicht um eine Heldengeschichte, sondern um einen Schelmenroman handelt."
Notorischer Betrüger
Bernd Polster erzählt die Geschichte dieses Lebens als die Geschichte eines notorischen Betrügers - auch und nicht zuletzt in Liebesdingen. Sie ist die Geschichte eines Mannes mit einem bemerkenswerten Maß an Durchsetzungsfähigkeit und einem ausgeprägten Gespür für die Vermarktungschancen von Ideen. Nicht zuletzt ist diese Geschichte die Geschichte eines Mannes mit charismatischem Sendungsbewusstsein, der ein besonderes Talent dafür hatte, andere Menschen in seinem Namen für sich arbeiten zu lassen.
Mit Akribie und Spürsinn hat sich Polster die Quellen erschlossen, hat hinter die Kulissen des Ruhms geblickt- keineswegs vom Vorsatz getrieben, das Denkmal Gropius vom Sockel zu stoßen. Bei aller späteren Zielstrebigkeit, die Gropius bei der Inszenierung seines Ruhms auszeichnete, entdeckt Polster eine immer wieder auftauchende Komponente - Glück. Polsters Fazit ist jedenfalls unmissverständlich: "Das verdammte Glück, das dieser Mensch hatte, ist wirklich unfassbar."
Von Mythen überlagert
Und immer wieder hat Polster bei seinen Recherchen in Sachen Gropius festgestellt, wie Mythen und Halb- bis Unwahrheiten noch heute die Gropius-Darstellung überlagern. "Das ist das Tolle an diesem Thema - man stößt immer wieder auf Geheimnisse," sagt Polster.