Coburg: Kurzgeschichten wie Löwenhäupter
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Dienstag, 22. Januar 2019
Die Coburger Autorin Heidi Fischer hat jetzt eine weitere bemerkenswerte Kurzgeschichtensammlung vorgelegt.
Schon dieser Titel: "Wolken wie Löwenhäupter". Und die neue Kurzgeschichtensammlung der Coburger Autorin Heidi Fischer wird diesem Titel auch gerecht. Zwischen poetischer Verdichtung und durchaus schockträchtigem Verlauf ihrer Geschichten bieten die 22 mal ganz kurzen, dann durchaus auch umfangreicheren Szenen tiefe Einblicke ins menschliche Dasein.
Die titelgebende Kurzgeschichte gibt die Dimension vor: Lena putzt Pilze, vor dem Almhaus sitzend und die Schönheit der Natur in sich aufnehmend. Aus den von Heidi Fischer in aller Kürze, aber präzise und treffend geschilderten Alltagssituationen führt der Blick schnell ins Andere. Lena liebte es besonders, "wenn in der Ferne riesige Wolken sich zu brüllenden Löwenhäuptern formten und Geschichten von Blutvergießen und Befreiung erzählten." Die Pilze, die sie gerade für ihren fürsorglich-despotischen Mann zubereitet, waren ein Glücksfund. Sie wird Petersilie darüber streuen.
Heidi Fischers Romane führten schon in den Himalaya und in einen Krimi nach Mallorca. Auch hier, in der kurzen Form, finden wir uns an den unterschiedlichsten Orten wieder. Heidi Fischer ist eine Reisende in mehrfacher Bedeutung, und sie reist schreibend. Ihr dabei mittlerweile errungenes sprachliches und dramaturgisches Geschick beschert in diesem Band bemerkenswert intensiv gefasste Lebensmomente. Manche kommen einfach und lapidar daher wie das Alltägliche halt. Und plötzlich brüllt etwas auf.
Verblüffende Wendungen
Warum stiehlt Raben-Rosa Mitschülern ihr Essen? Ein Mädchen sitzt immer zur gleichen Zeit auf der Mauer. Und dann nicht mehr. Die alte Marie, früher eher angepasste Lehrerin, kriegt doch noch Gelegenheit zur Verteidigung dessen, was verteidigt werden muss. Und sei es mit Hilfe von Haarspray. "Hey, die Oma spinnt! Voll assi", stellt einer der grölenden Lederjacken verblüfft fest.
Da das Leben oft nicht gut, sogar hinterhältig ist, geraten manche der Geschichten zu richtigen Krimis, kurz, packend und dabei im Grunde alles sagend. "Jagdzeit": Franziska sucht mit ihren Katzen Rückzug vom Leben in einer Almhütte. Doch sie wird beobachtet. Bald findet sie ihren zerfetzten Kater.
Allerdings lässt uns Heidi Fischer nicht in der Ohnmacht von Opfern. Öfters kommt es zu unerwarteten Wendungen. Und übrigens: "Shit happens", da können die Hundekackatüten-Fanatiker machen, was sie wollen. Aber ob tatsächlich einer von denen der alten Frau einen spitzen Stock in die Schläfe gebohrt hat? Ihr Dackel hat's gesehen, sagt aber erst später etwas dazu.
Wenn das Leben eben so ist
Manchmal allerdings ist nichts zu machen, an diesem Leben. Wenn der wunderbare Vater sich als einer entpuppt, der auf mörderische Ausländer-Hatz geht. Eine unerwartete heftige Liebesgeschichte auf der Trekking-Tour in Nordindien endet - an Heimweh? Weil der Mensch nur selten gänzlich aus sich aussteigen kann? Heidi Fischer lässt Geschichten ohne eindeutige Antwort oder offen, wenn das Leben halt so ist. Sie verrätselt aber nicht, wie es manche Autoren wichtigtuerisch treiben und einen dann verärgert zurücklassen.