"Coburg hat eine Verantwortung" - Stadt arbeitet Nazi-Vergangenheit auf
Autor: Simone Bastian
Coburg, Donnerstag, 20. Oktober 2016
Wie konnte der Nationalsozialismus so früh in Coburg Fuß fassen? Für den Historiker Gert Melville ist dabei vor allem die Zeit vor 1933 interessant.
Es wird teurer. Aber dafür habe die Stadt auch eine zusätzliche Qualitätssicherung, sagt Gert Melville. Der Historiker und Professor in Dresden ist Sprecher der Kommission, die das Projekt "Aufarbeitung der Coburger Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts" begleitet und auch den Historiker empfohlen hat, der diese Aufarbeitung nun leisten soll.
"Geschichtsaufarbeitung" kostet 406 000 Euro
Angestellt wird dieser Historiker beim Institut für Zeitgeschichte (IfZ, München/Berlin). Das IfZ vergibt den Forschungsauftrag, die Stadt finanziert die Arbeit. "Als Stadt können wir stolz sein, dass dieses renommierte und stark nachgefragte Institut sich bereiterklärt hat, sich mit diesem Projekt zu befassen", sagte Kulturamtsleiter Klaus Anderlik am Donnerstag in der Stadtratssitzung. Aber dadurch wird es auch teurer, denn nun müssen nicht nur Personal- und Sachkosten für das eigentliche Projekt finanziert werden, sondern auch sogenannte Overhead-Kosten. Rund 141 000 Euro mehr als bisher geplant macht das über vier Jahre aus; die "Geschichtsaufarbeitung" kostet dann insgesamt 406 000 Euro (nach heutiger Schätzung), also rund 100 000 Euro pro Jahr. Schon die vorher veranschlagten 265 000 Euro waren der CSU/JC-Fraktion vor einem Jahr zu viel gewesen, da die Stadt gerade dabei sei, ihren Haushalt zu konsolidieren. Deshalb lehne sie auch diesmal das Vorhaben ab, sagte Fraktionsvorsitzender Jürgen Oehm. Der Rest des Stadtrats sieht es anders: Mit 27 zu elf Stimmen wurde dem Vorschlag stattgegeben, die entsprechende Vereinbarung mit dem IfZ zu treffen und das Geld bereitzustellen.
Bei dem Betrag von 406 000 Euro soll es bleiben; außerdem wird versucht, einen Teil der Kosten über Zuschüsse wieder hereinzuholen. Die entsprechenden Anträge seien bereits gestellt, versicherte Kulturamtsleiter Anderlik im Stadtrat. Die Niederfüllbacher Stiftung hat angeblich schon 10 000 Euro zugesagt. Sollten die 141 000 Euro nicht über Dritte zu finanzieren sein, wird versucht, das durch Kürzungen bei anderen freiwilligen Leistungen der Stadt zu kompensieren. Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD) war dieser Zusatz sichtlich unangenehm. Er ist das Ergebnis der Vorberatungen im Finanzsenat. "Wir haben berechtigte Hoffnungen, dass das mit der Drittmittelakquise funktioniert", sagte er auf die Frage von René Hähnlein (SBC/Linke), welche freiwilligen Leistungen dann gekürzt werden sollen.