Coburg erlebt faszinierenden Theaterabend
Autor: Jochen Berger
Coburg, Sonntag, 29. März 2015
Friedrich Rückert als poetischer Pate eines ungewöhnlichen Projekts am Landestheater: Mit viel Beifall bedenkt das Coburger Publikum die Uraufführung einer szenischen Collage mit persischen Texten und Musik von Mahler und Vivier.
Kann sich Leid und Schmerz in Schönheit verwandeln? Kann Kunst Hoffnung schenken in Zeiten der Trauer? Mit einer szenischen Collage unternimmt das Landestheater Coburg genau diesen Versuch. "Der Welt abhanden gekommen" - unter diesem Motto bringt Intendant Bodo Busse eine ungewöhnliche musikalisch-poetische Mixtur zum Thema Tod und Vergänglichkeit auf die Bühne. Zum Auftakt: ein Text von Mahsa Harati in persischer Sprache - die Klage einer Mutter über den Verlust ihrer kleinen Tochter in den Schrecken eines Krieges.
Abgrundtiefe Trauer
Ein Abend mit dickem Trauerrand. Das gilt auch für Christof Cremers Ausstattung. Mattes Grau dominiert Kostüme und Bühnenbild. Suggestiver Blickfang: eine Klagemauer als Bühnenhintergrund. Auf ihr montiert sind Kleidungsstücke, die fast wie Grabsteine wirken. In der Mitte der Drehbühne: eine aus mehreren Tischen gebildete lange Tafel - ein Laufsteg der Trauer und des Todes. Das ist die Szenerie für eine spannende Begegnung zweier Komponisten, die auf den ersten Blick scheinbar wenig miteinander zu tun haben: Gustav Mahler und Claude Vivier.
Den gemeinsamen Nenner sieht Bodo Busse in seiner Collage in der intensiven Beschäftigung mit dem Thema Tod, die Mahler wie Vivier umgetrieben hat. Und er spürt der Sehnsucht beider Komponisten nach, die Macht des Todes durch die Sehnsucht nach Schönheit zu bezwingen.
Mahlers fünf Rückert-Lieder sowie drei der ebenfalls nach Texten Rückerts entstandenen Kindertotenlieder bilden den musikalischen Schwerpunkt. In sie eingebettet: zwei Werke des zeitgenössischen kanadischen Komponisten Claude Vivier, der 34-jährig 1983 in Paris ermordet wurde und dessen Schaffen vielfach von autobiografischen Elementen geprägt ist: "Lonely Child" und "Bouchara". Viviers musikalisches Schaffen erzählt von der aussichtslosen Suche nach den eigenen Eltern, die er nie kennen lernen sollte. "Lonely Child" ist der Titel eines gut viertelstündigen Klagegesangs, der abgrundtiefe Trauer und irritierende Schönheit verbindet.
Petra Hoffmann, eine versierte Vivier-Interpretin, zieht das Publikum mit ihrer intensiven Vortragskunst vom ersten Ton an in Bann. Ebenso nachhaltig aber beeindrucken Kora Pavelic mit warm strömendem Mezzosopran und Jiri Rajnis mit geschmeidigem Bariton als Mahler-Interpreten. Wie aber verwandelt man Lieder und konzertante Musik in einen Theaterabend?
"Der Welt abhanden gekommen"
Als Regisseur demonstriert Bodo Busse sein Gespür für metaphorische Überhöhung, für Symbolik und sprechende Gesten, ohne dabei die Musik an den Rand zu drängen. Er findet die Balance zwischen szenischer Aktion und dem Vertrauen auf die Ausdruckskraft der Musik. Am Dirigentenpult beweist Coburgs Chordirektor und Kapellmeister Lorenzo da Rio bemerkenswerte stilistische Vielseitigkeit. Zum Saisonauftakt hatte er bei "King Arthur" sein Gespür für Henry Purcells Tonsprache demonstriert.
Nun wird er zum einfühlsamen Mahler-Interpreten und zum überzeugenden Anwalt von Claude Vivier. Umsichtig führt er das konzentriert musizierende Philharmonische Orchester und die Solisten sowie den Chor des Landestheaters. Der hat einen zwar nur kurzen, dafür aber umso eindringlicheren Auftritt - ganz zum Schluss in einer Neufassung von Mahlers "Ich bin der Welt abhanden gekommen".
Der österreichische Komponist Wolfgang Florey hat Mahlers Orchesterlied für Chor bearbeitet - und der Chor des Landestheaters singt diese Fassung mit großer Ausdruckskraft: Ausklang eines suggestiven Abends.
Weitere Aufführungen
Samstag, 4. April, 20 Uhr, Sonntag, 26. April, 18 Uhr, Landestheater Coburg
Vorverkauf Theaterkasse, Tageblatt-Geschäftsstelle, Schuhhaus Appis Bad Rodach, Buchhandlung Stache Neustadt