Coburg, die Sterneköche und ein Hauch von Real Madrid
Autor: Oliver Schmidt
Coburg, Montag, 12. November 2018
Zum 15. Mal fand in der "Goldenen Traube" ein "Gipfeltreffen der Sterneköche" statt. Es gab verblüffende Speisen. Manche Besucher waren aber auch traurig.
Das Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga stieg am Samstagabend in Dortmund - zur Spitzenbegegnung der höchsten Koch-Liga kam es am Sonntagabend in der "Goldenen Traube". Beide Veranstaltungen waren bereits seit längerem ausverkauft, und in beiden Fällen waren die Zuschauer in freudiger Erwartung, was für ein Spektakel ihnen wohl geboten wird. Aber auch in der Kabine - beziehungsweise in der Küche - war deutlich zu spüren, dass dies kein Abend wie jeder andere ist. "Die Anspannung ist groß", verriet Hotel-Chef Bernd Glauben in seiner Begrüßung und verglich die Situation mit den letzten Minuten vor dem Anpfiff eines Spiels in der Champions League.
Real Madrid lässt grüßen
Und damit zur Aufstellung vom Sonntagabend: Mit Benjamin Biedlingmaier (Bülow-Palais in Dresden), Ludger Fetz (Maximilians in Oberstdorf), Frank Seyfried (Ai Pero in Andernach) sowie Andreas Hettinger (Delice in Stuttgart) hatte Bernd Glauben namhafte Akteure nach Coburg geholt, deren Namen jedem Kenner förmlich auf der Zunge zergehen - und die, um im Fußballbild zu bleiben, auch Real Madrid gut zu Gesicht stehen würden. Fünfter Sternekoch im Bunde war Steffen Szabo, für den es einerseits ein Heimspiel in "seiner" Traube war, andererseits aber auch so etwas wie ein Abschiedsspiel. Denn der 28-Jährige wird Coburg zum Jahresende verlassen. Und: Es wurde ein würdiges Abschiedsspiel!
Beim Blick in die Küche fiel allerdings auf, dass es noch etwas Wichtigeres gibt, als lediglich über sehr gute Einzelspieler zu verfügen. Letztlich kommt es an einem solchen Abend vor allem auf die mannschaftliche Geschlossenheit an. Schließlich gilt es, binnen weniger Stunden nicht weniger als 150 Fünf-Gänge-Menüs zu zaubern. Das klappt nur, wenn der Teamgeist passt und jeder anpackt.
Eine besondere Herausforderung war gleich die Vorspeise: Rund um die "falsche Leber" von Benjamin Biedlingmaier galt es allerhand kleine Beilagen zu drapieren. Zum Teil wurden sogar Pinzetten verwendet, um alles an seinen richtigen Platz zu rücken. Geradezu ein Balanceakt war es, ein kleines Plättchen Eis senkrecht auf der "falschen Leber" zu platzieren. Vom Publikum gab es dafür den ersten Szenenapplaus - verbunden mit der Frage, was es denn bitteschön mit dieser "falschen Leber" auf sich hat. Da grinste Benjamin Biedlingmaier: "Schmeckt wie die Stopfleber einer Ente, ist aber komplett vegetarisch!" Ein Jahr lang habe er an dem Rezept getüftelt und unter anderem Kakaobutter sowie Cashew- und Pinienkerne verwendet - mehr wird nicht verraten.
Cashewkerne kamen auch beim zweiten Gang zum Einsatz: Mutig kombinierte Ludger Fetz die als sehr sensibel geltende bretonische Jakobsmuscheln mit Kiwi, Chili und eben Cashewkernen. Aber: Es funktionierte und schmeckte! Als Ludger Fetz den Gästen seine Kreation erklärte, unterlief ihm ein sympathischer Versprecher. Er wollte sagen, dass in der Küche "sehr akribisch" gearbeitet werde - sagte aber "sehr aggressiv". Ludger Fetz lachte selbst am meisten darüber, was ein weiterer Beleg dafür war, wie gut die Stimmung in der mehr als 20-köpfigen Küchenmannschaft an diesem Abend war.
Beim dritten Gang überraschte Frank Seyfried mit einem Wolfsbarsch auf Thymianrisotto, wobei ihm wichtig war, dass das Risotto grob und körnig ist. "So ist Risotto ganz klassisch, das ist Italian-Style", erklärte er. Leider werde Risotto oft sehr weich zubereitet - "das ist dann fast schon Milchreis!" Frank Seyfried war übrigens einst auf Schloss Ellmau der Mentor eines jungen Kochs namens Steffen Szabo. Dieser verblüffte am Sonntagabend mal wieder mit einer ganz besonderen Sauce, die er sich zum Rind hatte einfallen lassen. "Die Sauce ist 100 Prozent vegan", erklärte Steffen Szabo und erntete dafür viele fragende Blicke: Wirklich? Ja, die Sauce bestand lediglich aus Rotwein, Sellerie und Tomatenmark. Steffen Szabo freute sich, als ihm das viele Gäste gar nicht glauben wollten. Denn: "Ich möchte, dass die Menschen über mein Essen nachdenken!" Zu vergleichen ist das mit einem spektakulären Tor beim Fußball, das per Fallrückzieher erzielt wurde - und anschließend grübeln die Leute, wie der Stürmer das denn hinbekommen hat.
Champagner-Crème-fraîche
Szabos Fallrückzieher war aber noch nicht der Schlusspunkt des Abends. Andreas Hettinger ließ zur Krönung einen Baumkuchen aus zehn Schichten servieren. Eine Zutat, die er anschließend verriet, war Champagner-Crème-fraîche.