Coburg: Bayerns ältester Kindergarten feiert Geburtstag
Autor: Oliver Schmidt
Coburg, Samstag, 13. Mai 2017
Herzogin Marie gründete 1842 den Kindergarten Marienschule. Immerhin zwei Spielsachen haben die vergangenen 175 Jahre überdauert.
Die Erzieherinnen beziehungsweise "Pflegerinnen" mussten damals Wächterinnentracht mit Häubchen tragen - heute sind selbstverständlich Pulli und Jeans erlaubt. Die Kinder beschäftigten sich im 19. Jahrhundert mit einfachem Spielzeug aus Holz oder Blech - inzwischen können Autos und Puppen leuchten, blinken oder sogar sprechen. Eines hat sich in den 175 Jahren, die es den Kindergarten Marienschule bereits gibt, aber nicht verändert: Die Liebe, mit der sich das Personal darum kümmert, den Jungs und Mädchen ein gutes Fundament fürs Leben zu geben.
Die Jubiläumsfeier für den ältesten Kindergarten Bayerns und den zweitältesten in Deutschland wurde zu einer spannenden Zeitreise. Dabei stets im Mittelpunkt: Herzogin Marie, auf deren Veranlassung die Gründung 1842 zurückging.
"Herzogin Marie war innovativ, mutig und hochmodern", sagte die heutige Leiterin Mona Schulze: "Sie hat etwas Besonderes geschaffen." Und zwar "aus Liebe zum Menschen". Die Kinder sangen in einem Lied: "Marie war eine starke Frau!"
Ludwig Frenking, der Vorsitzende der Marienschulstiftung, stellte die Frage, ob sich Marie wohl hätte vorstellen können, dass "ihr Kind Marienschule" 175 Jahre alt wird. "Und dabei ist dieses Kind immer jung und fröhlich geblieben!" Übrigens: Die Marienschule war einer der wenigen Kindergärten Deutschlands, die auch während der Kriege täglich geöffnet hatte.
Phänomen Hüpfgummi
Nach Grußworten der Bürgermeister Birgit Weber und Thomas Nowak sowie von Dekan Stefan Kirchberger wurde gespielt: Gezeigt wurde, mit was die Kinder vor 175 Jahren spielten und mit was sie sich heute beschäftigen. Bei der historischen Variante liefen die Jungs zum Beispiel auf Stelzen über die Bühne, die Mädchen schoben Puppenwagen. In der Beschreibung der Gegenwart wurde mit Laufrädern über die Bühne geflitzt - und zwar nicht mehr "geschlechtsspezifisch getrennt". Es gibt aber auch zwei Spielsachen, die heute noch so beliebt sind wie 1842: Malkreide und Hüpfgummi.
Die Sache mit dem "Sch"
Bei der Jubiläumsfeier kam es auch noch zu einer besonderen Begegnung: Gleich drei ehemalige Leiterinnen waren anwesend. Brunhilde Schülke (1962 bis 1967), Ilka Scheffer (1968 bis 2001) und Elke Scheler (2001 bis 2014) tauschten mit Mona Schulze (seit 2014) Erinnerungen aus - und bemerkten, dass es wohl Voraussetzung für diesen Posten ist, einen Nachnamen zu haben, der mit "Sch" beginnt.Nachdem Katrin Ertl, die Vorsitzende des Elternbeirats, eine von allen Kindern gestaltete Herzkette überreicht hatte, folgte der Schluss- und Höhepunkt der Feier: ein Theaterstück, das von Eltern von Kindergartenkindern aufgeführt wurde. Als Erzählerin fungierte Herzogin Marie höchstpersönlich, dargestellt von Daniela Heitmann.
Chronik Zum Jubiläum wurde eine Festschrift erstellt. Abgedruckt sind darin die "Gedenkpunkte für Eltern, welche ihre Kinder der Marienschule anvertrauen wollen und für andere Freunde der Anstalt". Sie stammen von 1842. Hier Auszüge:
"Die Kleinkinderschule hat den Zweck, Kindern von der Zeit an, in welcher sie ohne besondere Wärterin zu leben und mit anderen Kindern gemeinschaftlich beschäftigt zu werden im Stande sind, bis zum Eintritt des schulpflichtigen Alters, das Elternhaus zu ersetzen und während des Tages Aufsicht, Pflege und den nötigen Unterhalt zu gewähren."
"Zur Aufnahme geeignet sind zunächst nur solche Kinder, deren Eltern durch Armut und die Art ihrer Berufsgeschäfte gehindert werden, der Obhut und Pflege derselben die erforderliche pflichtgemäße Sorgfalt zu widmen und denen es an Mitteln fehlt, eigens dazu bestellte Personen vertreten zu lassen."
"Die Kinder sind, im Sommer um 7 Uhr, im Winter um 8 Uhr, rein gewaschen und gekämmt, gehörig bekleidet und gesättigt, in die Anstalt zu bringen."
"Mittags erhalten alle Kinder gemeinschaftlich einfache, warme Kost; in der Mitte des Vormittags und des Nachmittags wird denselben zum Imbiss ein Stückchen Brot, zuweilen auch etwas Obst gereicht."