Bund Naturschutz feiert "100-Jähriges" in Muggenbach
Autor: Rainer Lutz
Muggenbach, Donnerstag, 18. Juli 2013
Zur Feier des 100-jährigen Bestehens des BN gibt es vielerorts Feste. In Muggenbach wird der Tag etwas stiller begangen - mit Führungen in die Tongruben.
Wenn er durch die Tongruben in Muggenbach geht, dann ist es für Helmut Krüg wie ein Gang durch das eigene Wohnzimmer. "Ich kenne hier jeden Stein", sagt er. Und nicht nur das. Er hat auch um jeden Stein gekämpft. Es war tatsächlich das Wohnzimmer der Familie Krüg, in dem 1987 der Kampf um die Gruben begonnen hat, die zur Mülldeponie werden sollten.
Der damals organisierte Widerstand zahlte sich aus. Die Gruben sind heute ein Schutzgebiet von europäischer Bedeutung. Wenn am Samstag der Bund Naturschutz sein 100-jähriges Bestehen feiert, wird das auch in Muggenbach mit begangen - nicht mit Remmidemmi, wie Helmut Krüg betont, aber mit Führungen in dieses einzigartige Gebiet.
Gleichzeitig möchte Helmut Krüg, der heute das Gebiet für den Bund Naturschutz betreut, an den in den 90er Jahren gestellten Schutzantrag erinnern.
Führungen am Samstag
Nun gibt es also Führungen. Sie beginnen am "Libellenstein" am Fuß der Tongruben. Um 14 Uhr und um 16 Uhr können Interessierte zusammen mit fachkundigen Naturführern die Tongruben ein wenig näher kennenlernen. Wie wertvoll dieses 25,7 Hektar große Gelände ist, zeigte sich erst, als Argumente im Kampf gegen die geplante Deponie gesucht wurden, erinnert sich Helmut Krüg.
Den Durchbruch brachte damals ein Gutachten von Klaus Mandery. Er untersuchte gezielt die Vorkommen von Hautflüglern in dem Gebiet - zunächst verdeckt. Der amtliche Naturschutz hatte bereits für die Tongruben "geringe naturschutzfachliche Bedeutung" attestiert, Hautflügler aber gar nicht untersucht. Mandery wies 61 Arten nach, die in Bayern auf der Roten Liste stehen.
Mehr und mehr wurde durch immer weitere Untersuchungen nun deutlich, dass die Tongruben eine regelrechte "Arche-Funktion" haben. Umschlossen und geschützt durch umfangreiche Waldgebiete hat sich hier der Artenreichtum erhalten, der unsere Kulturlandschaft im 18. Jahrhundert kennzeichnete. Bald wurde die Schutzwürdigkeit bestätigt, ja sogar eine "landesweite bis mitteleuropäische Bedeutung" der Tongruben attestiert.
Mit jeder Untersuchung wurde dies untermauert. Alexander Ulmer vom Landesbund für Vogelschutz entdeckte bei einer botanischen Betrachtung vor wenigen Jahren äußerst seltene Bärlapparten. Allein die Pilze sind mit 220 Arten äußerst reich vertreten. Auch hier glänzt das Gebiet durch neun Rote-Liste-Arten.
Seltene Vogelarten wie der Eisvogel oder die Waldschnepfe leben in diesem Gebiet und Amphibien wie die Gelbbauchunke oder Fledermäuse wie Zwerg- oder Rauhautfledermaus, um nur einige zu nennen.
Immer wieder aber fällt das Augenmerk auf die Hautflügler. Als Klaus Mandery 1995, diesmal ganz offiziell, die Vorkommen von Bienen, Wespen und Ameisen untersuchte, fand er drei vom Aussterben bedrohte und 18 stark gefährdete Arten. Die Blutbiene lebt hier, die bereits als ausgestorben galt. Sie ist ein Parasit der Sandbiene, die selbst als gefährdet eingestuft wird.
Regelrecht ergriffen wirkt Helmut Krüg, wenn er über einen weiteren "Star" der Tongrube spricht: "Psen exeratus", eine winzige Grabwespe, die vorher in Bayern noch nie festgestellt wurde. "Bei einer ganz neuen Untersuchung wurden vier weibliche Tiere von Psen exeratus bestätigt", freut sich der Naturfreund über alle Maßen, denn das lässt hoffen. Immer wieder ist Krüg an wissenschaftlichen Beurteilungen des Areals interessiert. "Ich will einfach wissen, ob wir hier alles richtig machen", sagt er. Zusammen mit einigen Helfern sorgt er dafür, dass die Gruben nicht wieder vom Wald verschluckt werden. Nadelgehölze werden gezielt entfernt, die sandigen Kanten der Grube frei gehalten.
Lob von außen
Das Urteil eines renommierten Wissenschaftlers wie Klaus Mandery tut da gut: "Hier wird Artenschutz auf höchstem fachlichen Niveau geleistet." Dass der Lebensraum der Tongruben nicht weiter beschnitten werden darf, unterstreicht Mandery ebenfalls.
Abgeschirmt entwickle sich das Leben wie auf einer Insel. Eine gängige Theorie dazu sagt, dass der Artenreichtum direkt von der Größe einer Insel abhängt. Als müsste die Bedeutung des Schutzgebiets und seiner Größe immer wieder neu unterstrichen werden, tauchten immer wieder neue Arten auf. Dabei sind genaue Untersuchungen etwa der Schmetterlings- oder Käferpopulation erst noch auf Krügs Wunschliste. Vor allem die Hautflügler sorgen derweil immer wieder für Sensationen. Wurden bei der Kartierung 1995 noch 206 Arten erfasst, waren es im vergangenen Jahr 380.
Nun werden sich diese gewiss nicht alle "persönlich vorstellen", wenn am Samstag die Besucher durch die Gruben geführt werden. Aber eine Menge interessanter Beobachtungen und noch mehr Infos über die "Muggenbacher Arche" bekommen die Teilnehmer garantiert.
Der lange Weg zum Schutzgebiet
Entstehung Etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde damit begonnen, Ton abzubauen.
1987 Raumordnungsverfahren für eine Reststoffdeponie. Und Gründung einer Bürgerinitiative dagegen.
1990 Erstmals Einstufung als naturschutzwürdiges Gebiet von überregionaler Bedeutung und in der Folge Antrag auf Ausweisung als Naturschutzgebiet.
1996 Vorstellung von weiteren Gutachten zur Hautflüglerpopulation.
2000 Ankauf der Fläche durch den Bund Naturschutz und Ausweisung als Naturschutzgebiet.