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Brittens "War Requiem" beeindruckt in Coburg


Autor: Jochen Berger

Coburg, Montag, 25. November 2013

So wird die Coburger Erstaufführung des "Kriegs-Requiems" in St. Moriz zum außergewöhnlichen Erlebnis für zahlreiche Zuhörer. Möglich wird das Konzert durch die Zusammenarbeit von Bachchor und Landestheater.
Der Coburger Bachchor zeigte großes Engagement bei der Aufführung des "War Requiems" in St. MorizFoto: Jochen Berger


Dieses Konzert ist eine Reise in die Nacht und doch zugleich eine Reise ins Licht. Während Benjamin Brittens "War Requiem" bei seiner Coburger Erstaufführung in eindringlichen Worten und noch eindringlicheren Klängen von den Schrecken des Krieges singt, zieht draußen vor den hohen Kirchenfenstern von St. Moriz eine kalte Novembernacht herauf.


Doch je dunkler die Nacht wird, je drohender die Musik das Wüten des Krieges beschreibt, desto dringlicher wird immer wieder auch der Wunsch nach Frieden und Versöhnung laut. Und ganz am Ende lässt Britten dann tatsächlich die Hoffnung zunächst zart, aber doch unwiderstehlich aufblühen.


"Let us sleep now" - "Lass uns jetzt schlafen" singen Tenor und Bariton in einem Gedicht Wilfred Owens, der als Captain der britischen Armee 1918 in den letzten Tagen des Ersten Weltkriegs sein Leben verlor.

Tenor und Bariton verkörpern dabei zwei feindliche Soldaten, die sich im Tode begegnen und einander verzeihen. Schließlich singt der Chor noch auf den lateinischen Text der Totenmesse seine letzte Bitte um Frieden: "Requiescant in pace. Amen." Dann ist Stille - tiefe, ernste Stille. In diese Stille hinein tönt dann die große Glocke von St. Moriz - eine Totenglocke, die zugleich eine Friedensglocke ist. Danach erst löst sich die Spannung der Zuhörer auf in Applaus, ausdauernden Applaus.

Großer Andrang an der Kasse

Der 24. November 2013 in St. Moriz - ein ganz besonderer Tag im Coburger Konzertkalender. Gut ein halbes Jahrhundert nach der Uraufführung in Coventry erlebt Benjamin Brittens "War Requiem" seine Erstaufführung in der Vestestadt. Und dieses Konzert, nur zwei Tage nach Brittens 100. Geburtstag, beginnt mit viertelstündiger Verspätung. Denn draußen vor dem Haupteingang der Morizkirche staut sich noch eine große Schar an Zuhörern. Andrang an der Kasse bei einem Werk aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts - auch dieser Umstand belegt, dass Brittens "War Requiem" eine gewiss nicht gewöhnliche Komposition ist.


Kooperation zwischen "Musica Mauritiana" und Landestheater Coburg


Außergewöhnlich schon der äußere Aufwand dieses Konzertes, der freilich keineswegs nur äußerlich ist. Denn dieses Konzert ist ein Klang gewordenes Gemeinschaftswerk als Kooperation zwischen der "Musica Mauritiana" und dem Landestheater Coburg. Rund 200 Mitwirkende lassen die Coburger Erstaufführung von Brittens "War Requiem" zu einem ganz besonderen Ereignis werden. Der Coburger Bachchor, die Jugendkantorei St. Moriz, verstärkt durch Schüler verschiedener Coburger Schulen, dazu das erweiterte Philharmonische Orchester des Landestheaters, schließlich gleich drei Dirigenten - schon rein äußerlich ist das Konzert am Ewigkeitssonntag gewiss kein ganz gewöhnliches Konzert.


Mit Gigantomanie freilich hat dieser äußere Aufwand ganz und gar nichts zu tun. Denn Britten benutzt das reichhaltige Instrumentarium samt Orgel keineswegs zu klanglichem Bombast. Vielmehr setzt er die geballte Macht des Orchesters nur an wenigen, klug ausgewählten Stellen ganz gezielt und dann mit umso nachdrücklicher Wirkung ein. Ansonsten aber fächert Britten den Klang immer wieder weit auf, setzt genau platzierte Akzente.

Erweiterte Jugendkantorei

Der nachdrückliche Erfolg dieser Aufführung trägt viele Namen. Das fängt bei der erweiterten Jugendkantorei St. Moriz an, die unter Leitung von Katja Heußel und von Markus Ewald an der Orgel begleitet von der Orgelempore herab helle Klänge hinab ins Kirchenschiff schweben lässt - Klänge der Hoffnung, Bitten um Erlösung. Der Coburger Bachchor, von Peter Stenglein in monatelanger Probenarbeit gründlich auf diese anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet hat, singt ebenso konzentriert wie engagiert und immer im Bestreben, die gestalterischen Vorstellungen seines Dirigenten möglichst bruchlos in Klang zu verwandeln.

Schrecken des Jüngsten Gerichts

Das gelingt mit großem Einsatz und großer Überzeugungskraft - in den wuchtigen Ausbrüchen, die von den Schrecken des Jüngsten Gerichts erzählen, ebenso wie in den demütigen Bitten des "Agnus Dei". Dabei agiert der Chor unter Stengleins konzentrierter Leitung im Klang stets ausgewogen. Stenglein leitet freilich nicht nur "seinen" Bachchor jederzeit souverän. Bei ihm bündeln sich vielmehr letztlich auch die verschiedenen gestalterischen Impulse dieser Aufführung.
Ein ganz entscheidender Faktor für das Gelingen dieser Aufführung ist das Philharmonische Orchester des Landestheaters, das sich bei diesem Konzert gleich als doppelter Klangkörper präsentiert. Als großes Orchester begleitet es unter Peter Stengleins Leitung den Chor, als reaktionsschnell agierendes Kammerorchester unter dem umsichtigen Dirigat Lorenzo Da Rios die beiden männlichen Solostimmen. Zwei Solisten aus den Reihen das Landestheater-Chors überzeugen mit klarer Diktion und konzentrierter Gestaltungskraft, die sich ganz in den Dienst des Werks stellt: der Tenor Jan Korab und der Bariton Martin Trepl. Gut abgestimmt sind die vielen Übergänge zwischen großem Orchester und Kammerorchester.

Kraft und inniger Ausdruck

Celeste Siciliano, als Amelia in Verdis "Maskenball" zu Gast am Landestheater, schwebt mit ihrem strahlkräftigen Sopran bei Bedarf scheinbar mühelos auch über dem geballten Fortissimo des Orchesters und verbindet doch zugleich klangliche Durchsetzungskraft mit innigem Ausdruck.
Alle zusammen aber, Chöre und Solisten, Orchester und Kammerorchester, ziehen das Publikum mit dieser Aufführung in Bann, weil sie selbst in Bann gezogen sind von der Ausdruckskraft, von der musikalischen Macht dieses Werkes. Eine Aufführung, die nachklingen wird, nachdem die Glocken und der Applaus verstummt sind.