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Beiersdorf-Prozess: 3D-Analyse zu Blutspuren auf dem Teppich


Autor: Ulrike Nauer

Coburg, Freitag, 22. April 2016

Die Spurensicherung im Prozess um den getöteten Wolfgang R. stand am vierten Verhandlungstag im Mittelpunkt.
Wenige Stunden nach der Tat nahmen die Spurensicherer der Kriminalpolizei Coburg ihre Arbeit in Wolfgang R.s Wohnhaus im Beiersdorfer Eichenweg auf. Foto: CT-Archiv / Oliver Schmidt


Wie fanden die Kriminalbeamten den toten Wolfgang R. am 12. Dezember 2013 in seinem Haus in Beiersdorf auf? Stammen die blutigen Schuhabdrücke auf dem Teppich und im Gesicht des Opfers tatsächlich von den Turnschuhen von Paul K.? Diese und ähnliche Fragen stehen am Freitag vor dem Coburger Landgericht im Mittelpunkt. Als Zeugen sind vor allem Kriminalbeamten geladen, die am Tattag und in der Zeit danach mit der Sicherung der Spuren beziehungsweise mit der Vernehmung der Verdächtigen und Zeugen befasst waren. Das Landeskriminalamt (LKA) Bayern hat zudem vom Haus des Getöteten eine 3D-Animation erstellt und analysiert mit modernster Technik auch Schuhabdrücke.


Opfer trug schon Schlafanzug

Als die Kriminaltechniker am frühen Morgen nach der Tat im Beiersdorfer Eichenweg eintrafen, lag der 66-jährige Wolfgang R. auf dem Rücken in seinem Wohnzimmer. Dem Toten war die Schlafanzughose nach unten, bis auf die Hüften gerutscht, das Oberteil nach oben bis zur Brust geschoben, so beschreibt es einer der Spurensicherer. Der 66-Jährige dürfte in der Tatnacht bereits im Bett gelegen haben. Zumindest ließ der Zustand des Bettzeugs im Schlafzimmer darauf schließen.

Zurück zum Wohnzimmer: Auf den Möbelstücken in unmittelbarer Nähe des Getöteten fanden sich Blutspritzer, auf dem beigen Veloursteppich waren Blutspuren, zum Teil schon eingetrocknet, und blutige Schuhabdrücke zu erkennen. Das Gesicht von Wolfgang R. habe massive Verletzungen aufgewiesen, berichtet der Leiter des Coburger Kommissariats 7, Volkmar Heinlein. Dass das Opfer keines natürlichen Todes gestorben war, war für die Experten auf den ersten Blick zu erkennen. Zahlreiche Fotografien in den Akten belegen die, wie es im Juristendeutsch heißt, Auffindesi tuation des Toten.


Als ginge man selbst durchs Haus

Deutlicher und auf verstörende Weise auch greifbarer werden die Schilderungen der Kriminalbeamten durch modernste Technik, die Denise Brüderlein vom LKA Bayern dem Gericht am Nachmittag präsentiert: Sie und ihre Kollegen haben den Tatort mit einem Laserscanner abgetastet Auf diese Weise lässt sich die Wohnung von Wolfgang R. - inklusive Spuren - dreidimensional abbilden und animieren, so als würde man sich selbst durch die Räume bewegen.

Man könnte im Gerichtssaal eine Stecknadel fallen hören, als Denise Brüderlein die Animation startet. Das Kamerabild fährt durch den Flur des Anwesens im Eichenweg. Ein kurzer Blick nach rechts, in die Küche, dann führt die Kamera weiter durch den Essbereich ins Wohnzimmer. Deutlich zu erkennen auf dem hellen Teppich: Eine längliche Blutspur, vielleicht in etwa so lang, wie Wolfgang R. groß gewesen ist. Sie zeigt die Lage des Getöteten, ohne ihn selbst zu zeigen. Während die LKA-Beamtin die Animation nüchtern kommentiert, hinterlassen die Bilder der Blutspuren ein Gefühl der Beklemmung.

Die Angeklagten, Peter G. und Paul K., die diese Spuren verursacht haben sollen, verfolgen den Film regungslos. Die Tochter des Opfers, die als Nebenklägerin in dem Verfahren auftritt, hält ihren Blick von der Leinwand abgewandt.

Was mit einem Haus funktioniert, lässt sich auch auf kleinere Dinge anwenden: So wurden auch diverse Schuhe der Angeklagten, die die Kriminaltechniker gesammelt hatten, mittels Streifenlichttechnik gescannt und virtuelle dreidimensionale Modelle erstellt. So konnten die Spezialisten überprüfen, ob die blutigen Abdrücke auf dem Teppich und die Verletzungsmuster am Kopf des Getöteten zu einem der Schuhe passten.

Als Brüderlein den 3D-Ausdruck eines Fragments vom Kopf des Opfers in die Hand nimmt, auf dem deutlich ein Streifenprofil zu erkennen ist, verlässt Wolfgang R.s Tochter den Saal. Die Modelle und Scans zeigen jeweils nur einen Ausschnitt des Kopfes, dennoch lässt sich die Schwere der Verletzungen erahnen. Das Streifenmuster, so hat Brüderlein herausgefunden, kann durchaus von jenem "New-Balance"-Sportschuh herrühren, den die Beamten nach der Tat in der Wohnung von Paul K. in Hildburghausen sichergestellt hatten. Ein weiterer Abdruck auf der Stirn des Opfers könnte durch das aufgenähte "N" an der Seite des Turnschuhs entstanden sein. Ebenso würde aber das "V" eines ebenfalls sichergestellten "Victory"-Schuhs passen.


Vom 4. Prozesstag


Der Befangenheitsantrag, den der Wahlverteidiger von Paul K., Norman Jacob, gegen Vorsitzende Richterin Ulrike Barausch gestellt hat, wurde abgelehnt. Grund für den Antrag: Barausch habe Jacob als zweiten Pflichtverteidiger abgelehnt, weil sie damit ihre Macht habe demonstrieren wollen.

Darüber, ob der Angeklagte Helmut S. dauerhaft verhandlungsunfähig ist, wird nicht vor Ende nächster Woche entschieden.

Fortsetzung Der Prozess wird am Dienstag, 3. Mai, um 9 Uhr am Landgericht fortgesetzt.