Druckartikel: Bewegung im ehemaligen Sex-Shop in Coburg

Bewegung im ehemaligen Sex-Shop in Coburg


Autor: Oliver Schmidt

Coburg, Donnerstag, 22. April 2021

Das Gebäude Lohgraben 14 steht sinnbildlich für den Wandel des gesamten Steinweg-Quartiers: Dort, wo sich 30 Jahre lang ein Sex-Shop befand, haben sich jetzt zwei Studentinnen eine Werkstatt eingerichtet.
30 Jahre lang befand sich im Lohgraben 14 in  Coburg ein Sex-Shop.


"Jetzt wird es schmutzig!" Gut möglich, dass es auch den gleichnamigen Pornofilm mit Gina Wild mal im Lohgraben zu kaufen gab. Schließlich befand sich dort 30 Jahre lang ein Sex-Shop. Doch im Oktober vergangenen Jahres war Schluss. Das mit dem "schmutzig werden" kann auf gewisse Weise aber immer noch manchmal Programm sein: Die städtische Wohnbau hat das Ladenlokal an zwei Studentinnen der Hochschule Coburg vermietet, die sich dort eine Werkstatt eingerichtet haben.

Pudelwohl mit Pfeffermühle

Im Gespräch mit Cara Domscheit (22) und Karoline Heß (21) wird sehr schnell klar: Die beiden Frauen, die im jeweils sechsten Semester Innenarchitektur studieren, fühlen sich pudelwohl! Und das ist in Corona-Zeiten alles andere als selbstverständlich. Die Hochschule ist geschlossen, Vorlesungen gibt's nur noch online - doch die zwei Studentinnen sind "Macherinnen", wollen ihrer Kreativität sozusagen freien Lauf lassen. Aber wo? Auch die Werkstätten an der Hochschule können derzeit ja nicht genutzt werden. Deshalb nennt es Cara Domscheit "ein Glück und ein Geschenk", dass sie und Karoline Heß jetzt das Ladenlokal im Lohgraben 14 nutzen können.

Dort, wo bis vor wenigen Monaten noch Dildos und Reizwäsche verkauft wurden, stehen jetzt unter anderem eine Drechselmaschine und eine Werkbank mit Töpferscheibe. "Wir haben Lust am Ausprobieren", erzählen die beiden und präsentieren dann stolz nicht nur eine selbst gefertigte Salz- und Pfeffermühle aus Holz, sondern vor allem auch einen komplett selbst konzipierten Hocker: Der besteht einfach nur aus vier ineinander gesteckten Brettern und kommt komplett ohne Schrauben oder sonstige Befestigungen aus. "Er hält alleine durch die Spannung - kann aber auch ganz leicht auseinander genommen und wieder zusammengesteckt werden." Cool! Hat das pfiffige Teil denn auch schon einen Namen? "Ja", erklären die beiden und müssen schmunzeln: "Wir haben ihn ,Loh 14‘ genannt!" Passend also zu seinem Entwicklungsort - und zu jenem Ort, der plötzlich fast schon zum Lebensmittelpunkt von Cara Domscheit und Karoline Heß geworden ist.

Vormittags sitzen die beiden meistens am großen Schreibtisch: Dann wird via Laptops an den virtuellen Vorlesungen teilgenommen. Danach folgt der praktische Teil des Tages und es wird getüftelt. Am liebsten machen sich die beiden Studentinnen Gedanken über neue Möbelstücke. Aber wie passt dann die Töpferscheibe ins Konzept? "Ich finde es toll, wie man beim Töpfern ein Gespür fürs Material bekommt", sagt Karoline Heß und schwärmt von der "Faszination Handwerk". Für Cara Domscheit ist das Handwerk sowieso untrennbar mit dem Thema Design verbunden.

Ebenfalls wichtig ist den beiden ein geradezu ganzheitlicher Ansatz: "Wir fragen uns immer wieder: Was braucht man wirklich? Und wir legen Wert darauf, möglichst wenig Material zu verwenden." Auch eine Zweit- oder Resteverwertung ist willkommen. So wurde etwa aus zwei großen leeren Papierrollen und einem Brett ein Tisch gebastelt, auf dem die für den Tagesablauf so wichtige Kaffeemaschine steht. Die eine oder andere Kaffeepause gibt's auch mal draußen vor der Tür. Nicht selten ernten die Studentinnen dann neugierige Blicke. Schon möglich, dass das auch damit zu tun hat, dass manch einer noch eine völlig andere Nutzung mit dem Gebäude verbindet.