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Bewährungsstrafen im Fleischskandal


Autor: Simone Bastian

Coburg, Mittwoch, 20. Mai 2015

Im Coburger Schlachthof gelangte Fleisch in den Handel, das nicht als Lebensmittel gekennzeichnet war. Möglich war das auch durch das lange Wegschauen der Behörden. Das, sagt Vorsitzender Richter Gerhard Amend, sei der eigentliche Skandal in diesem Fall.
Die Große Strafkammer des Landgerichts Coburg verkündete am Mittwoch ihr Urteil. Foto: Ronald Rinklef


Die Medien standen zwar nicht vor Gericht, aber ihnen galt ein Gutteil der Schelte von Vorsitzendem Richter Gerhard Amend: "Ekelfleisch" oder "Gammelfleisch" sei aus dem Coburger Schlachthof nie verkauft worden, obwohl das immer wieder behauptet worden sei. Das Fleisch sei lediglich nicht als "verkehrsfähig" bezeichnet gewesen.

Trotzdem: Ohne die Berichte des BR-Magazins "Quer" über die dubiosen Fleischverkäufe am Coburger Schlachthof wären die Ermittlungen vermutlich nicht ins Rollen gekommen, die nun mit einem Prozess gegen drei Angeklagte zu Ende gingen: Ein im Gelände des Coburger Schlachthofs ansässiger Fleischgroßhändler musste sich wegen Betrugs verantworten, der Leiter des städtischen Schlachthofs und seine Frau, die dort als Amtstierärztin tätig war, wegen Beihilfe zum Betrug. Die beiden Männer erhielten Bewährungsstrafen, die Frau muss eine Geldstrafe in Höhe von 2700 Euro bezahlen (90 Tagessätze zu je 30 Euro). Der Geschäftsführer des Fleischbetriebs erhielt zwei Jahre Haft auf Bewährung und muss insgesamt 100 000 Euro Geldauflage zahlen. Der Schlachthofleiter wurde mit einem Jahr Haft auf Bewährung bestraft und muss 500 Sozialstunden ableisten. Damit folgte die Kammer der Forderung der Staatsanwaltschaft.

Den Strafrahmen hatten Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung nach Abschluss der Beweisaufnahme abgesprochen. Sonst wäre es vermutlich ein Mammutverfahren geworden mit über 600 Geschädigten. Dabei ging es nur zum weitaus kleineren Teil um Fleisch, das nicht verkehrsfähig war und trotzdem als Lebensmittel verkauft wurde. Da lag der Schaden für die Betrogenen laut Staatsanwaltschaft bei rund 79 000 Euro.

Weitaus schwerer wog, dass der Fleischgroßhändler die Schlachtkörper vor dem Wiegen noch zurichten ließ, so dass sie leichter waren: Es wurde Fleisch am Hals entfernt, angeblich, um Reste vom Ausbluten zu entfernen sowie Oberflächen- und Brustfett. Beides aber darf vor dem Wiegen nicht entfernt werden; wie die Schlachtkörper zu behandeln sind, ist in einschlägigen Vorschriften genau geregelt. Kammer und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass den Lieferanten bei den Schlachtungen zwischen Juni 2008 und Februar 2013 ein Schaden von rund 615000 Euro entstand.

Dass der Fleischgroßhändler in Coburg beim Trimmen der Schlachtkörper anders verfuhr als vorgeschrieben, war vielen bekannt, nicht nur dem Leiter des städtischen Schlachthofs, wo das Vieh getötet, in Hälften geteilt und untersucht wurde. Auch die meisten Viehhändler und Bauern wussten offenbar Bescheid, ebenso die Klassifizierer, die das Fleisch nach Fett- und Gewichtsklassen einzustufen hatte und die Kontrolleure der Klassifizierer.

Deshalb ging Vorsitzender Richter Amend auch mit den Behörden scharf ins Gericht: Zumindest die Kontrolleure vom Landesamt für Landwirtschaft (LfL) hätten gewusst, was vorging, und nicht gehandelt: "Das ist ein Skandal!" Auch, dass die Fachaufsicht über den Coburger Schlachthof jahrelang nicht geregelt war, habe die Zustände dort begünstigt. Deshalb, seien die Bewährungsstrafen in diesem Falle angemessen. "Zwar ist es keine Rechtfertigung, wenn staatliche Behörden wegschauen. Aber es ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, der bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist", erläuterte Amend.