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Beiersdorf-Mord: Das bewegte Leben der Anstifter


Autor: Christiane Lehmann

Coburg, Donnerstag, 07. April 2016

Die Lebensgeschichten von Helmut und Maria S. standen im Mittelpunkt des ersten Verhandlungstages. Die beiden Angeklagten ließen ihre Zuhörer staunen.
Viel zu tun hatte die Dolmetscherin der Angeklagten Maria S.: Ursula Paluch-Schilling aus München.


Wie wird man zum Anstifter eines Mordes? Die Verwicklungen und Rollen von Helmut S. und seiner Noch-Ehefrau Maria S. im Mordfall von Wolfgang R. aus Beiersdorf sollen im neu aufgerollten Prozess näher beleuchtet werden. Beide wurden in erster Instanz zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.
In ihrem Urteil hatte die Kammer unter Vorsitz von Richter Gerhard Amend seinerzeit entschieden, Wolfgang R. sei weder aus Heimtücke noch aus Habgier getötet worden, die "Mordmerkmale" seien nicht erfüllt. Die Urteile lauteten deshalb "nur" auf Totschlag beziehungsweise Körperverletzung. Helmut und Maria S. sind die "Auftraggeber", die Paul K. und Peter G. angestiftet haben sollen.
Zur Tat wollte das Noch-Ehepaar am ersten Verhandlungstag keine Angaben machen. Doch beiden schilderten ihren persönlichen Lebenslauf.


Täglich zehn Bier und Schnaps

Seit seinem 15. Lebensjahr trinkt Helmut S.
Alkohol - "so gut wie jeden Tag". Vor seiner Verhaftung im Dezember 2013 konsumierte er täglich zehn Bier und eine Flasche Schnaps. Wenn er gearbeitet hat, merkte man ihm das kaum an. Doch mit zunehmenden Alter ließ seine Merkfähigkeit und Konzentration nach. Seinen ersten Entzug machte er in der JVA Hof mit 58 Jahren. Nach eigenen Angaben leide er an Leberzirrhose im Endstadium.
Sein Leben, gezeichnet von Alkoholsucht, Schmerztabletten und Drogen - ausprobiert hat er Haschisch, LSD, Kokain und Heroin - geriet immer wieder aus dem Ruder. Drei abgebrochener Lehrstellen nach dem Hauptschulabschluss, wenig Lust auf Arbeit, ein Konkurs als als selbstständiger Transportunternehmer gehören zu seiner Biografie, wie die Zeit, in der Helmut S. sein Geld als Dachdecker, Gastwirt, Lkw-Fahrer und Zuhälter seiner eigenen Frau verdiente, bis er schließlich von Hartz IV und Kindergeld lebte.
Bei einem Brasilienurlaub 1992 - nach einer bereits gescheiterten Ehe mit einer Jugoslawin - lernte er Maria S. kennen, ein Jahr später heiratete die junge Frau, die als Haushaltshilfe arbeitete, den 16 Jahre älteren Mann. Drei Töchter wurden geboren: 1993, 1998 und 1999.
Die Familie lebte in Deutschland und zuweilen in Brasilien. Wegen der Schule für die Kinder kehrten sie schließlich nach Deutschland zurück.


Idee: Ehefrau als Prostituierte

1995 reichte das Geld nicht mehr. Helmut S. kam auf die Idee, seine Frau könne doch als Prostituierte arbeiten. "Ich wusste gar nicht, wie das geht und ob ich das kann", schilderte Maria S. die Situation. Natürlich habe es deswegen Streit gegeben. Aber Helmut habe ein Heft gekauft und ihr ein Zimmer angemietet. Am Anfang sei das auch wirklich gut gelaufen, sagt Maria. 3000 bis 4000 Mark habe sie pro Tag verdient und alles ihrem Mann gegeben. Lediglich den Haushalt hätte sie ausgestattet, wie sie wollte.
Als Helmut S. schließlich ein Aupair-Mädchen für die mittlerweile drei Kinder engagieren wollte, versuchte sich Maria S. zu wehren. Sie wollte aufhören zu arbeiten und sich selbst um die Kinder kümmern. Helmut S. hätte sie auch immer wieder geschlagen, erzählt sie. Seine Trinkerei sei ein großes Problem gewesen. Die Familie wechselte ständig ihren Wohnsitz. Sie lebten gemeinsam oder auch mal getrennt in Brasilien, Portugal, Aachen und Hamburg, betrieben eine Gaststätte in Naila.
Eine befreundete Zimmervermieterin in Würzburg bestärkte schließlich Maria S. in ihrem Vorhaben, mit der Prostitution aufzuhören. 2007 habe sie ihren Mann dann verlassen. Um die Mädchen kümmerte sich weiterhin Helmut S., der mittlerweile in Meuselwitz in Thüringen wohnte. Doch weil das alles finanziert werden musste, arbeitete Maria S. auch weiter als Prostituierte. Ihren Kinder erzählte sie, dass sie sich unter der Woche um eine ältere Frau kümmern musste, am Wochenende kam sie zu Besuch nach Meuselwitz.


Wolfgang R. kennen gelernt

In Coburg lernte Maria S. den ehemaligen Theatermusiker Wolfgang R. kennen. Zwei bis drei mal die Woche besuchte er sie in einem Etablissement in der Rodacher Straße. Dann verloren sie sich aus den Augen. 2011 entdeckte Wolfgang R. sie auf einer Internetseite wieder und sie trafen sich im Kanonenweg. "Wir haben viel zusammen geredet, manchmal etwas zusammen getrunken, sind ausgegangen und schließlich auch privat zusammen gekommen", erzählt Maria S. Sie habe das nicht beabsichtigt, schließlich sei Wolfgang R. auch noch mit einer anderen Frau liiert gewesen. Wie er ihr erzählt haben soll, habe er auch diese Frau als Prostituierte kennen gelernt.
Als Wolfgang R. das Etablissement im Kanonenweg schließlich als Vermieter übernahm, wollte er, dass Maria S. dort aufhörte zu arbeiten. Er pachtete das "Clou" eine Kneipe, die sie statt dessen führen sollte. Um die Pachtkosten wollte er sich kümmern.
Da jedoch weder Maria noch Wolfgang R. wussten, wie man eine Kneipe führt, holten sie den Noch-Ehemann Helmut S. ins Boot. Zuweilen wohnte Helmut S. auch mit in Beiersdorf, wo Maria S. längst eingezogen war.
Helmut S. war es auch, der ab 2012 den Telefondienst für das Bordell übernahm. Sechs Frauen konnten sich im Kanonenweg einmieten - "und das war immer voll", erzählt Helmut S. Rund 8000 Euro habe das Bordell im Monat abgeworfen. Helmut S. habe für seine Mitarbeit im "Clou" und im "Bordell" Kost und Logis sowie 100 Euro bekommen, Maria S. 1000 Euro - bis Oktober 2013 - danach sei im Bordell angeblich nichts mehr gelaufen.
Am 12. Dezember 2013 wurde Wolfgang R. in dessen Haus in Beiersdorf von Paul K. und Peter G. auf brutalste Art und Weise getötet. Maria und Helmut S. sollen den Auftrag gegeben haben, ihn "außer Gefecht zu setzen".