Beiersdorf-Mord: Angeklagte klappt zusammen

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Foto: Ronald Rinklef
Foto: Ronald Rinklef

Gutachter erklären den Angeklagten Helmut S. erst für vollständig verhandlungsfähig, dann wird seine Noch-Ehefrau ins Krankenhaus gebracht.

Während es dem Angeklagten Helmut S. laut Gutachten am Montag deutlich besser geht als beim ersten Prozess vor eineinhalb Jahren, bricht seine Noch-Ehefrau und Ex-Lebensgefährtin des Opfers, Maria S., am Montag in der Verhandlung zusammen. Weil ihr schlecht sei, bittet ihr Verteidiger Joachim Voigt zunächst um eine Pause. Maria S. wird an die frische Luft gebracht. Kurz darauf bittet Voigt, mangels eines Arztes, den forensischen Gutachter Cornelis Stadtland, nach der Angeklagten zu sehen.

Vorsitzende Richterin Ulrike Barausch unterbricht schließlich die Verhandlung für zwei Stunden, und lässt Maria S., die seit ihrer Kindheit an einer Herzschwäche leidet, mit dem Rettungswagen ins Klinikum bringen. Um 16.15 Uhr soll der Prozess eigentlich fortgesetzt werden, doch Maria S. befindet sich noch immer im Klinikum. Vor dem Abend sei nicht mit einer Diagnose zu rechnen, so Barausch.
Eventuell werde die 43-Jährige in die Justizvollzugsanstalt Würzburg verlegt. Im Gegensatz zur JVA Bamberg, wo Maria S. eigentlich untergebracht ist, hat Würzburg eine Krankenstation.


Abstinenz bekommt Helmut S.

Helmut S. ist im Gegensatz zu seiner Noch-Ehefrau voll verhandlungsfähig. Das bescheinigen ihm am Montag die beiden Gutachter Cornelis Stadtland und Karoline Pöhlmann. Anwalt Felix Leyde, der den 59-jährigen Helmut S. im Prozess um den gewaltsamen Tod von Wolfgang R. verteidigt, hatte seinen Mandanten am dritten Verhandlungstag für "dauerhaft nicht verhandlungsfähig" erklärt. Das Gericht beauftragte daraufhin die Gutachter, den Gesundheitszustand des Angeklagten zu überprüfen. Das Ergebnis dürfte Leyde und seinen Mandanten überrascht haben: Helmut S. ist nicht nur voll verhandlungsfähig, sein Gesundheitszustand hat sich gegenüber dem ersten Prozess 2014/15 sogar deutlich verbessert.
"2016 zeigt sich tendenziell ein besseres Bild als 2014, und zwar in fast allen Bereichen", urteilt Psychologin Pöhlmann. Einbußen habe sie nur im Bereich des Gedächtnisses feststellen können. "Er wirkt jetzt aber fitter und gesünder als 2014." Sie habe das Gefühl, dass Helmut S. dem Prozess heute sogar besser folgen könne als noch vor eineinhalb Jahren.
Cornelis Stadtland, Facharzt für forensische Psychiatrie, hat den Angeklagten mehrfach untersucht. Helmut S. hatte ihm von Schmerzen im Rücken und in den Knochen sowie von Ohrgeräuschen berichtet. Er leide aber vor allem darunter, dass er in der Haftanstalt keine Uhr und keinen Fernseher besitze, so der Gutachter. Der 59-Jährige gehe deshalb früh ins Bett, wache entsprechend früh morgens wieder auf und müsse dann teils lange warten, bis es Frühstück gebe.


Täglich eine Flasche Schnaps

Dennoch, Helmut S. ist ohne Einschränkung verhandlungsfähig. Seine Lebenserwartung sei zwar insgesamt durch seinen "ungesunden Lebenswandel" vermindert, durch die "erzwungene Abstinenz" in der Haft allerdings wieder etwas höher als noch 2014. Damals hatte er noch regelmäßig größere Mengen Alkohol getrunken, sagte Stadtland. Täglich eine Flasche Schnaps sei für Helmut S. keine Seltenheit gewesen, so der Gutachter.
Das Hauptproblem des 59-Jährigen sei eben seine Alkoholabhängigkeit und die dadurch bedingten Folgeerkrankungen. Im Gegensatz zu Stadtlands Untersuchungen vor dem ersten Prozess wirke Helmut S. jetzt aber schon rein äußerlich gesünder. "Seine Haut ist weniger gelb und er riecht auch nicht mehr nach Alkohol." Die Leberwerte seien zwar immer noch erhöht, aber gegenüber 2014 schon deutlich gesunken. Die schon früher diagnostizierte Leberzirrhose habe sich ebenfalls deutlich gebessert.
Das liegt laut Gutachter hauptsächlich daran, dass der Angeklagte im Gefängnis kaum Gelegenheit habe, Alkohol zu trinken. Dass er aber weiterhin einen hohen Nikotinkonsum pflege, sei "problematisch für die Lebenserwartung", so Stadtland. "Er raucht seit Jahren etliche Schachteln Zigaretten am Tag." Lebensbedrohlich sei aber auch das nicht. Die Gutachter sehen daher keine Veranlassung, Helmut S. als verhandlungsunfähig einzustufen. Wenn er eine Pause brauche, solle er sich einfach melden, so Stadtland.


Sehfähigkeit in Frage gestellt

Noch immer geht es um die Lichtverhältnisse am Tatort. Peter G.s Verteidiger Stefan Walder hatte am vergangenen Mittwoch die Sehfähigkeit des beisitzenden Richters Michael Koch aus dem ersten Prozess angezweifelt, weil dieser eine Brille trägt. Koch war beim nächtlichen Ortstermin im Dezember 2014 im Haus von Wolfgang R. dabei gewesen und sollte seine Eindrücke schildern.
Koch durfte trotz der Ablehnung der Verteidiger aussagen, doch zur Sicherheit gibt der damalige Vorsitzende Richter, Gerhard Amend, am Montag auch noch seine Erinnerungen zu Protokoll. Laut Amend, seit vergangenem November im Ruhestand, herrschten beim Ortstermin in etwa die gleichen Licht und Wetterverhältnisse wie in der Tatnacht. Bei den diffusen Lichtverhältnissen im Haus habe es tatsächlich etwas gedauert, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hätten, so Amend. Genau hier setzen Peter G.s Verteidiger an. Der 47-Jährige habe Augenprobleme und trage eine getönte Brille, sagt sein Verteidiger Till Wagler. Ein Sachverständiger soll klären, inwieweit Peter G. in der Tatnacht überhaupt etwas sehen konnte. Der Termin beim Augenarzt ist vereinbart: am 1. Juni. Das bedeutet aber, dass der Prozess nicht - wie zunächst geplant - nach zehn Verhandlungstagen am 20. Mai enden kann.
Der Prozess wird am Mittwoch, 18. Mai, um 9 Uhr am Landgericht Coburg fortgesetzt.
 


Wer ist wer Prozess?


Wolfgang R., ehemals Orchestermusiker am Landestheater Coburg, wurde in der Nacht zum 12. Dezember 2013 in seinem Haus im Beiersdorfer Eichenweg getötet. Der 66-Jährige starb durch massive Tritte und Schläge vor allem gegen Kopf und Oberkörper. Für die Tat wurden Paul K. und Peter G. verurteilt.

Maria S. ist die ehemalige Lebensgefährtin des Opfers und noch immer mit Helmut S. verheiratet. Die 43-jährige Brasilianerin betrieb seit Mitte 2013 das "Clou" in Coburg. Sie wurde im ersten Prozess zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie Paul K. und Peter G. zur Tat angestiftet hat.

Helmut S. ist der Noch-Ehemann von Maria S.. Der 59-Jährige hatte bis zu seiner Festnahme bei Maria S. im "Clou" gearbeitet. Er erhielt für die Anstiftung zur Tat ebenfalls sieben Jahre Gefängnis.

Paul K. Der 25-jährige Thüringer soll gemeinsam mit seinem 47-jährigen Bekannten Peter G. aus Coburg Wolfgang R. getötet haben. Die Erste Große Strafkammer verurteilte die beiden Männer, die zeitweise dem Rocker-Milieu angehörten, 2015 wegen Totschlags zu je dreizehneinhalb Jahren Haft. Im neuen Prozess soll geklärt werden, ob die Tat nicht doch als Mord geahndet werden muss.