Begleiter über Generationen
Autor: Cindy Dötschel
Seidmannsdorf, Montag, 20. Dezember 2021
Seit Generationen prägen Kirchenglocken das Klangbild ihrer Orte und Städte. Das viertelstündliche Zeitschlagen steht für die voranschreitende Lebenszeit. Das abendliche Läuten der Glocken erinnert das ganze Jahr an die Weihnachten.
Direkt am Eingang des Kirchturms steht ein Uhrwerk. In goldener Schrift ist auf dem grünen Rahmen die Jahreszahl 1919 eingraviert. Für den Betrachter sichtbar, drehen sich im Inneren Zahnräder, sie setzen das weiße Ziffernblatt an der Front in Gang. "Früher gab es nur solche Uhrwerke. Im Laufe der Zeit wurden sie ersetzt", sagt Sigurd Knopp, amtlicher Glockensachverständiger der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Mittlerweile setze man sich wieder dafür ein, dass solche Uhren erhalten bleiben. "Auch das Deutsche Glockenwesen ist darauf bedacht."
Zahnräder und Gewichte
Alte Uhrwerke zu erhalten habe vor allem mit dem Thema Denkmalschutz zu tun. "Es kommt vor, dass sie ungenutzt im Turm stehen und stören. Wir setzen uns dafür ein, dass sie restauriert werden und in Rathäusern oder Schulen aufgestellt werden. Sie sollen angeschaut werden und nicht in einer Scheune verstauben", sagt Birgit Kleefeld, Glockensachverständige in Ausbildung. Das Uhrwerk in Seidmannsdorf ist eines der wenigen im Landkreis, die das Schlagen der Kirchenglocken noch steuern. Früher musste alle ein bis zwei Tage jemand in den Turm steigen, um die Uhr aufzuziehen. Erste Turmuhren sind um 1300 nachweisbar. "Durch die Mikroelektronik ist es heute möglich, Turmuhren sekundengenau zu steuern ohne dabei in die Substanz einzugreifen", sagt Sigurd Knopp.
Direkt neben dem Uhrwerk führt eine schmale Holztreppe im Turm weiter nach oben. Mitten im Raum hängen Seile, an denen Gewichte hängen, an der Wand befinden sich weitere Zahnräder. "Die Gewichte sind mit den Zahnrädern verbunden und halten diese auf Spannung", erklärt Sigurd Knopp den Zusammenhang. Durch die Konstruktion werden die Zeiger der Turmuhr, die sich direkt hinter den Zahnrädern auf der anderen Seite der Wand befinden, bewegt. Außerdem wird das viertelstündliche Zeitschlagen der Glocken, die im Jahr 2014 gegossen wurden, durch den Mechanismus ausgelöst.
Weihnachten ist präsent
Das Zeitschlagen soll an die voranschreitende Lebenszeit erinnern und zur Besinnung aufrufen. "Gott ist der Herr der Zeit. Weil unsere Lebenszeit auch nachts weitergeht, schlagen die Glocken auch dann", erklärt Birgit Kleefeld den Hintergrund. Wie Sigurd Knopp ergänzt, ist das Zeitschlagen unabhängig vom Läuten der Glocken am Morgen, um die Mittagszeit und am Abend. "Das tägliche Abendläuten erinnert daran, dass Jesus geboren ist und Mensch wurde", sagt er. Das Läuten am Mittag soll an das Leiden und Sterben Jesu und das Läuten am Morgen an dessen Auferstehung erinnern. An eine feste Uhrzeit ist das Läuten nicht gebunden. "Abends läuten die Glocken meist zwischen sechs und acht Uhr, mittags zwischen elf und zwölf", sagt Birgit Kleefeld.
Unabhängig davon, ob die Städte und Dörfer evangelisch oder katholisch sind, gehören das Glockenschlagen und -läuten zu deren Klangbild. "Die Türme und Kirchen bestimmen das Erscheinungsbild des Ortes. Sie sind meist das Erste, was man aus der Entfernung sieht", sagt Sigurd Knopp. Sie erinnern nicht nur an Weihnachten und daran, sich zu besinnen, sondern rufen auch zum Gottesdienst. Außerdem sind sie ein Leben lang präsent. "Die Glocken begleiten uns von der Wiege bis zur Bahre. Sie läuten zu unserer Taufe, zur Konfirmation oder Kommunion, zur Hochzeit und zur Beerdigung", zählt Birgit Kleefeld auf. Durch ihre Beständigkeit verbinden sie so mehrere Generationen miteinander.