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BBV wirbt um Verständnis für die Nöte der Ferkelerzeuger


Autor: Bettina Knauth

Hattersdorf, Donnerstag, 15. Januar 2015

Bei einem Stallgespräch in Seßlach wirbt der BBV um Verständnis für die Nöte der Ferkelerzeuger. Sie haben mit Preisverfall, Bürokratie und Kritik von verschiedenen Seiten zu kämpfen.
Die Tage, an denen die neuen Ferkel das Licht der Welt erblicken, sind für Züchterin Christine Maier die schönsten. Beim Rundgang durch ihren Betrieb schilderte die Hattersdorferin am Donnerstag auf Einladung der Coburger Geschäftsstelle des BBV ihre verantwortungsvolle Arbeit.


Christine Maier ist mit Leib und Seele Landwirtin. "Ohne meine Liebe zum Beruf hätte ich längst aufgegeben", sagt die 47-Jährige, die in Hattersdorf einen Ferkelaufzuchtstall betreibt. Am Donnerstag hatte die Geschäftsstelle des Bayerischen Bauernverbands (BBV) auf den Hof der Ortsbäuerin eingeladen, um bei einem Stallgespräch zu zeigen, mit welchen Schwierigkeiten Nutztierhalter zu kämpfen haben.

Die Situation am Markt hat sich gerade für Schweinemäster und Ferkelerzeuger in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Im Herbst 2014 fielen die Preise auf den niedrigsten Stand seit 2011, als der Erlös pro Ferkel letztmals unter die 40-Euro-Grenze gerutscht war. "Um allein seine Kosten zu decken, muss der Ferkelerzeuger pro Tier heute 10 bis 15 Euro drauflegen", betonte BBV-Kreisobmann Gerhard Ehrlich gestern. Zusätzlich sehen sich die Nutztierhalter nicht nur mit viel Bürokratie, sondern auch immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert, sie würden mit den Tieren nicht verantwortungsbewusst genug umgehen. "Wir haben es langsam satt, dass unsere Leistung ständig kritisiert wird", machte Kreisbäuerin Heidi Bauersachs beim Stallgespräch deutlich, aus Profitstreben werde niemand Landwirt. "Kein anderer Berufsstand wird derart angegriffen", fügte Gerhard Ehrlich hinzu. Und der Coburger BBV-Geschäftsführer Hans Rebelein forderte die Landesregierung auf, sich hinter die Landwirte zu stellen, anstatt zu dulden, dass Wissenschaftler ständig deren Produktionsweisen infrage stellten. Rebelein wehrte sich unter anderem gegen den Vorwurf einer unnötigen Medikamentengabe und sagte, es würden von den Erzeugern nur so viele Medikamente eingesetzt, wie nötig seien.

Seit fast neun Jahren kämpft Christine Maier gegen alle Widrigkeiten. Ihr Schweinestall mit 180 Zuchtschweine- und 760 Ferkelplätzen zählt zu den Spitzenbetrieben in Bayern. 2005 war der landwirtschaftliche Betrieb bei einem Brand komplett zerstört worden, kurz bevor Walther Maier sich zurückziehen und seiner Tochter die Geschäfte übertragen wollte. "Mein Vater hat den Hof dann noch wieder aufgebaut, bevor er ihn mir 2006 übergeben hat", berichtet die 47-Jährige. Hätten die Maiers damals geahnt, welche Schwierigkeiten auf sie zukommen, hätten sie diesen beschwerlichen Weg nicht auf sich genommen. "Nochmal würden wir den Hof nicht wieder aufbauen", bestätigt Maiers Ehemann Werner Schmidt-Maier. Obwohl er als Industriemechaniker selbst einem Vollzeit-Job nachgeht, hilft er ebenso wie sein Schwiegervater im Betrieb aus. "Ohne seine Mithilfe hätte ich es nicht geschafft", sagt Christine Maier. Auch finanziell sei der Betrieb auf den Verdienst ihres Mannes angewiesen, zumal die Maiers in den letzten Jahren kräftig investiert haben.

Ständig fühle sie sich unter Druck, habe Angst etwas falsch zu machen und ihrer Verantwortung nicht gerecht zu werden, schildert die Ferkelerzeugerin. Hinzu komme die permanent wachsende Bürokratie. Erst im letzten Jahr mussten sich die Maiers auf eine neue Haltungsverordnung einstellen. Sind die Sauen vier Wochen trächtig, müssen sie frei laufen können. Selbst "Beschäftigungsspielzeug" und Bürsten finden sich im Stall.

Neben ihrem Wissen um die Tierhaltung muss die Chefin Managerqualitäten aufweisen und sich bestens am Computer auskennen. Die Futtermengen der Sauen werden zum Beispiel über den Computer rationiert. "Die Tiere haben ihren eigenen Rhythmus und fressen oft alles auf einmal", schildert die staatlich geprüfte Ländliche Hauswirtschafterin. Neben dem selbst angebauten Getreide (Gerste, Weizen, Raps und Mais) muss Maier rund 160 Tonnen Getreide pro Jahr zukaufen. "Wir würden gern 60 Hektar mehr pachten", sagt ihr Ehemann, doch seien geeignete Flächen knapp. Auch die Zusammensetzung des Futters ist reglementiert, sieben Prozent muss der Rohfaser-Anteil (wie Apfeltrester, Weizenkleie und Trockenschnitzel) betragen. Futteruntersuchungen sollen sicherstellen, dass der Eiweißgehalt passt.

Beim Rundgang durch Warte- und Deckstall, vorbei an Abferkel- und Ferkelbuchten wird deutlich, wie sehr Maier an ihren Tieren hängt. Spätestens alle drei Wochen, während des dreitägigen "Abferkelns", wird ihre Vollzeit-Beschäftigung zum Rundum-Einsatz: "Wenn die Ferkel zur Welt kommen, ist das für mich die schönste Zeit, auch wenn ich dafür auf alle privaten Termine verzichten muss", strahlt die 47-Jährige angesichts der wenige Tage alten Ferkel, und nimmt gleich eines auf den Arm. Zehn bis 16 Junge bringt eine Sau im Durchschnitt zur Welt. Nach vierwöchigem Säugen werden die Ferkel abgesetzt und in Ferkelbuchten gehalten. Haben sie nach etwa zehn Wochen ein Gewicht von 28 Kilo erreicht, verkauft die Landwirtin die Jungtiere an einen Mastbetrieb.
Angesichts des nicht nur wirtschaftlichen Drucks geben immer mehr Tierhalter auf, sagt Hans Rebelein. Seinen Angaben zufolge gab es 2004 allein im Landkreis Coburg 177 Ferkelerzeuger und 7100 Muttersauen. Heute sind es in den Landkreisen Coburg und Lichtenfels zusammen 95 Zuchtschweinehalter mit 6000 Muttersauen. Deutschland importierte in den letzten drei Jahren bereits zwischen zehn und elf Millionen Ferkel aus dem Ausland.

"Wir können nicht kurzfristig auf den Markt reagieren und weniger Ferkel produzieren", sagt Maier. Angesichts einer Tragezeit von knapp vier Monaten brauche der Betrieb dann eventuell zu lang, falls die Preise wieder anziehen. Christine Maier möchte trotz aller Schwierigkeiten ihren Familienbetrieb fortführen, mit Liebe und Leidenschaft für die Landwirtschaft und ihre Tiere. Und der Nachwuchs steht schon in den Startlöchern: Ihr 17-jähriger Sohn Florian ist auf dem Weg zum Landwirt bereits im zweiten Lehrjahr.