Bauindustrie kritisiert Vergabepolitik bei öffentlichen Aufträgen
Autor: Christian Pack
Coburg, Donnerstag, 05. Oktober 2017
Vertreter der Branche bemängeln eine "Niedrigpreisvergabe" zu Lasten der Qualität. Zudem werde das Wissen der Unternehmen nicht genutzt.
Offene Kritik, kleine Seitenhiebe, leere Worthülsen: Für Max Beyersdorf ist es Zeit, an die Öffentlichkeit zu gehen. Immer wieder würden der Geschäftsführer eines Coburger Bauunternehmens und andere Firmenbesitzer aus der Region nämlich zu hören bekommen, dass sie sich mit den vielen öffentlichen Bauaufträgen doch "dumm und dämlich" verdienen.
Sicherlich, das will Beyersdorf gar nicht verhehlen: Der Baubranche geht es aktuell gut. Sehr gut sogar. Alleine von Januar bis April 2017 stieg die Zahl der Neuaufträge in Bayern um 10,2 Prozent, die Umsätze der Unternehmen mit 20 und mehr Beschäftigten legte im gleichen Zeitraum ebenfalls zweistellig zu (10,1 Prozent). "Der Markt boomt, das war nicht immer so." Allerdings gebe es einen großen Nachholbedarf, was das Vergabeverfahren der öffentlich ausgeschriebenen Aufträge betrifft. "Wir wollen vom öffentlichen Bausektor als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Wir sollten von Anfang an eingebunden sein."
Die Vergabepolitik der Kommunen oder des Freistaats sei viel zu starr organisiert. In 90 Prozent der Fälle gelte als wichtigstes Kriterium der Preis. Sprich: Der Auftrag würde an das Unternehmen gehen, welches das günstigste Angebot unterbreitet. Laut Beyersdorf mit dramatischen Folgen: Gute Firmen wenden sich ab. Zudem würde eine Art Subkultur entstehen, in der die Unternehmen Schlupflöcher suchen, um zu sparen. Löhne werden gedrückt, rechtliche Grundlagen umgangen. "Das alles tut uns in der Seele weh", sagt der Bauunternehmer.
"Folgekosten nicht im Blick"
Josef Wallner, Pressesprecher beim Bayerischen Bauindustrieverband, sieht bei dieser nicht neuen Problematik viele Kommunen in der Pflicht. Häufig sei hier bei Baumaßnahmen allein die aktuelle Kalkulation wichtig. "Die Folgekosten hat man nicht im Blick." Die "Niedrigpreisvergabe" sei in Deutschland leider Folge der Gesetzeslage. "Ein beauftragtes Ingenieurbüro muss genau nach Vorgabe kalkulieren. Darunter leidet die Qualität." Ein prominentes Beispiel sei der chaotische Flughafenbau in Berlin.
"Niedrigste Angebot nicht entscheidend"
Eine Sprecherin des bayerischen Bauministeriums erklärt auf Anfrage, dass der Preis ein wichtiges Zuschlagskriterium sei, um "die haushaltsrechtlichen Gebote wirtschaftlichen und sparsamen Handelns" zu erfüllen. Deshalb sehe gerade die Vorschriften zur Wertung von Angeboten über Bauleistungen ausdrücklich vor, dass auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis der Zuschlag nicht erteilt werden darf. "In die engere Wahl kommen nur solche Angebote, die unter Berücksichtigung rationellen Baubetriebs und sparsamer Wirtschaftsführung eine einwandfreie Ausführung einschließlich Haftung für Mängelansprüche erwarten lassen. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend", so die Sprecherin.
Werden Stellen eingespart?
Aus Sicht von Martin Schneider, Geschäftsstellenleiter des Bauindustrieverbands Nord und Ostbayern, müsse die Baubranche im Vorfeld trotzdem aktiv einbezogen werden - beispielsweise mit einem Ideenwettbewerb. "Diese Möglichkeiten werden von den Kommunen zu selten genutzt." Teilweise würden Aufträge "schöngerechnet", um auf den kalkulierten Preis zu kommen - nicht selten mit der Folge, dass zusätzliche Kosten entstehen. Was sind weitere Lösungsansätze? Die Funktionalausschreibung, sagt Schneider, sei ein löbliches Konstrukt, welches in Bayern teilweise schon verwirklicht wird. Dabei definiert der öffentliche Auftraggeber die zu erbringende Leistung nach dem zu erreichenden Ziel. Den Bietern werden lediglich Rahmenbedingungen vorgegeben - der Konzeptwettbewerb tritt neben den reinen Preiswettbewerb. So könne die Kompetenz der Branche genutzt werden, zumal laut Schneider im öffentlichen Bereich immer wieder Stellen eingespart würden.
Max Beyersdorf möchte den öffentlichen Bausektor keineswegs an den Pranger zu stellen. Vielmehr wirbt der Bauunternehmer für einen offenen Dialog, damit alle Seiten profitieren. "Die Kompetenz der Wirtschaft wird leider noch zu selten genutzt."
Baujurist der Stadt Bamberg: "Wir wählen das wirtschaftlichste Angebot, nicht das billigste"
Aus Sicht von Bernd Bauer-Banzhaf, Leiter der zentralen Vergabestelle der Stadt Bamberg, ist natürlich nicht alles falsch, was da vonseiten der Bauindustrie an Kritik vorgebracht wird. "Ein Fünkchen Wahrheit steckt da sicherlich drinnen." Aber aus seiner Sicht eben nur ein Fünkchen. "Wir vergeben an das wirtschaftlichste, nicht das billigste Angebot", unterstreicht der Baujurist.
In der Praxis würde man in Bamberg genau abwägen, welches Unternehmen den Zuschlag für einen Bauauftrag erhält. Aufgrund der neuen Vergaberichtlinien könne man die Firmen dabei auch stärker mit ins Boot zu holen. Es gebe beispielsweise die Möglichkeit, dass die Unternehmen alternative Vorschläge unterbreiten, zum Beispiel bei der Art der Materialien. "Dann können wir eventuell noch nachbessern."
Freilich: In Bamberg, das weiß Bauer-Banzhaf, sind die Voraussetzungen besser als beispielsweise bei einer kleinen Gemeinde. Vier Mitarbeiter kümmern sich in der Vergabestelle nur um die Umsetzung der Ausschreibungen. "Wir stehen gut da und können die Fachabteilungen mit unserem Know-how unterstützen."
Es fehlt häufig am nötigen Fachpersonal
Bei vielen bayerischen Kommunen sieht die Situation meist anders aus. Vor Ort fehlt es häufig am nötigen Fachpersonal. Außerdem ist die Möglichkeit, fachlichen Rat vonseiten der Regierung von Oberfranken einzuholen, aktuell nicht mehr gegeben. Darüber hinaus vertrauen einige Kommunen meist nur einem Ingenieurbüro. "Ich rate den Kommunen, bei den Büros immer genau hinzuschauen", sagt Bauer-Banzhaf, der zudem auf die guten Weiterbildungsseminare verweist. Grundsätzlich, so Bauer-Banzhaf, würde aber keine öffentliche Stelle die Steuergelder einfach so zum Fenster rauswerfen - egal, ob größere Stadt oder kleinere Gemeinde. "Das System der öffentlichen Ausschreibung funktioniert", sagt der Bamberger Baujurist. Dass es trotzdem immer wieder zu Problemen kommt, läge auch an den Firmen: Schwarze Schafe hätten es darauf absehen, die Kommunen abzuzocken oder unterbreiten ein "unglaubliches" Angebot, das nicht zu realisieren sei. Ein im Aufbau befindliche Verzeichnis, das bundesweit die "Problemfirmen" auflistet, könnte hier ein Schritt in die richtige Richtung sein.