Druckartikel: Barrierefrei und blindengerecht durch Coburg

Barrierefrei und blindengerecht durch Coburg


Autor: Christiane Lehmann

Coburg, Donnerstag, 06. Juni 2013

Was manch einer für eine Parkmarkierung in der Ketschenvorstadt hält, ist für Blinde, Seh- und Gehbehinderte eine wichtige Orientierungshilfe.
Die abgesenkten Bordsteinkanten am Albertsplatz sind eine "tolle Sache". Da macht es Spaß mit dem Kinderwagen durch die Stadt zu fahren. Fotos: Christiane Lehmann


Als einen Fleckerlteppich mit ausgeklügeltem System könnte man das Pflaster auf dem Albertsplatz bezeichnen. Denn, was auf den ersten Blick wie optisch bewusst gesetzte Akzente aus hellen und dunklen, glatten und gehämmerten, gerillten und genoppten Steinen aussieht, ist ein wichtiges Leitsystem und für Blinde, sowie für seh- und gehbehinderte Menschen unerlässlich.

"Vorbildlich umgesetzt"

Voller Stolz erläuterte gestern der Geschäftsführer der Wohnbau Coburg, Andreas F. Heipp, das System vor Ort - "eins, das nicht nur klug ausgedacht, sondern tatsächlich auch verwirklicht wurde" (so die Anerkennung einer anderen Kommune, die sich dafür bereits interessierte). "Dass sich behinderte Menschen frei im öffentlichen Raum bewegen können, ist für uns Verpflichtung und Aufgabe zugleich", betonte er.

Dabei war es gar nicht so einfach, die Interessen

aller unter einen Hut zu bringen: Gehbehinderte brauchen Barrierefreiheit, die Anwohner wünschen sich Beläge, die nur wenig Lärm verursachen, Blinden und Sehbehinderten ist es wichtig, mit Kanten, Rillen oder Noppen auf mögliche Gefahrenstellen aufmerksam gemacht zu werden. Und dem Ganzen steht dann noch der Anspruch gegenüber dem historischen Ensemble gerecht zu werden. Keine leichte Aufgabe, aber eine Herausforderung, der sich die Wohnbau gestellt hat.

Ziel war es, ein "Zwei-Sinne-System einzuführen, das heißt sowohl akustische Signale, wie es sie an vielen Ampeln im Stadtgebiet schon gibt, aber auch taktile Signale für ein Leitsystem zu nutzen. "Damit können Blinde oder sehbehinderte Menschen anhand von Leitstreifen und sogenannten Aufmerksamkeitsfeldern den Weg ertasten und sich selbstständig fortbewegen", betont der Behindertenbeauftragte der Stadt Coburg, Johannes Thaben, der in die Planung von Anfang an mit eingebunden war.

Hauptbewegungsachsen durch die Fußgängerzone

Orientiert haben sich die Planer in der Ketschenvorstadt an den bereits gegebenen Hauptbewegungsachsen durch die Fußgängerzone, die betroffene Personengruppen vom Anger in Richtung Ketschengasse und vom Zinkenwehr in Richtung Albertsplatz leiten. Dazu wurden bereits im Vorfeld unter anderem Musterflächen verlegt und in der Bauphase die Blindenleitsysteme durch betroffene Personen getestet.

Für die Ketschenvorstadt wurde ein Band aus Rippen- und Noppenplatten sowie Pflaster verwendet, das so verlegt wurde, dass mit Hilfe eines Blindenstockes oder mit dem bloßen Fuß der richtige Weg ertastet werden kann. Noppen werden als Achtungszeichen gewertet, die Rippenplatten geben die Richtung vor.

Deutlicher Kontrast

Wichtig ist dabei ein deutlicher, starker Kontrast zum regulären Pflaster, damit der Leitfaden auch als solcher erkannt wird und Orientierung geben kann. Deshalb ist der Kontraststreifen auch schwarz und für sehbehinderte Menschen noch zu erkennen. "In der Regel sind diese Systeme genormt und geben Maß, Form und Tiefe vor", erklärt Architekt Sandro Schaffner vom ausführenden Planungsbüro.

Um Rollstuhlfahrern, Senioren mit einem Rollator oder auch Müttern und Vätern, die mit dem Kinderwagen unterwegs sind, einen möglichst leichten Übergang vom Gehweg auf die Straße und umgekehrt zu ermöglichen, wurden Bordsteinkanten auf einen Zentimeter abgesenkt. Für die Sehbehinderten gibt es tastbare Kanten von mindestens drei Zentimetern.

Parken verboten

Johannes Thaben ist grundsätzlich sehr zufrieden mit der Umsetzung. Probleme gibt es jetzt mit den Autofahrern, die die sichtbaren dunklen Pflasterstreifen nicht als Leitsystem erkennen, sondern als Parkmarkierung wahrnehmen. "Im Bereich der Ketschengasse funktioniert es ganz gut, aber im Zinkenwehr parken die Autofahrer oft bis an den schwarzen Pflasterstreifen", kritisiert Heipp. Auch Citymanagerin Anette Kolb hofft, dass sich das mit der Zeit noch gibt und die Autofahrer aufmerksamer parken.