Druckartikel: Aus Überzeugung Hitler zu Diensten

Aus Überzeugung Hitler zu Diensten


Autor: Simone Bastian

Coburg, Dienstag, 24. Mai 2016

Ein neues Buch zeigt Carl Eduard, den letzten regierenden Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha als überzeugten Nationalsozialisten.
Carl Eduard, ca. 1922. Das Motiv ist auf dem Umschlag des Buches zu sehen. Foto: Hausarchiv der Stiftung Sachsen-Coburg und Gotha


Gerade mal ein Jahr ist es her, dass der Coburger Stadtrat beschloss, die Geschichte der Stadt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufarbeiten zu lassen. Nun hat Hubertus Büschel, gebürtiger Weitramsdorfer und Geschichtsprofessor in Groningen, ein neues Buch über eine Persönlichkeit vorgelegt, die den Weg Coburgs zur ersten nationalsozialistisch regierten Stadt in Deutschland ebnete: "Hitlers adliger Diplomat" handelt vom ehemaligen Herzog Carl-Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha, kurz "Herzog von Coburg".

Carl Eduard diente Hitler und war selbst überzeugter Nationalsozialist - daran lässt Büschel keinen Zweifel.

Was den ehemaligen Herzog für Hitlers Regime so wichtig machte, waren die Kontakte, die verwandtschaftlichen Verbindungen und Carl Eduards Fähigkeiten auf dem diplomatischen Gebiet. Carl Eduard war Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (ab Dezember 1933), Präsident der Deutsch-Englischen Gesellschaft (ab 1935), der deutschen Frontkämpferverbände (ab 1936) und des Internationalen Ausschusses ehemaliger Frontkämpfer (ab 1938). In all diesen Funktionen half er, Hitlers Kriegstreiberei und die Gräueltaten des NS-Regimes zu verschleiern oder schlicht zu leugnen.

Seine Bedeutung als "Täter in der zweiten Reihe" sei nicht zu unterschätzen, meint Büschel: "Dass Carl Eduard als Diplomat bedeutend war, erschließt sich aus der Vielzahl von Reisen, die er im Namen des Nationalsozialismus immer wieder unternahm, und daraus, dass er auch in diplomatisch schwierigen Situationen Zugang zu wichtigen Persönlichkeiten hatte, wie zum amerikanischen Präsidenten Franklin Delano Roosevelt und zum japanischen Kaiser Hirohito. Da agierte der Herzog von Coburg sehr geschickt und half dem NS-Regime bei seinen außenpolitischen Zielen."

Als Präsident des Deutschen Roten Kreuzes unternahm Carl Eduard zwei Weltreisen, mindestens elfmal sei er in diplomatischer Mission in Großbritannien gewesen, listet Büschel auf. "Er plauderte, feierte, leugnete und pries Hitler auch dann noch, als bereits Zehntausende von Insassen von Heil- und Pflegeanstalten ermordet worden waren und die Deportation der Juden in Vernichtungslager längst angelaufen war." Dabei habe der "Herzog von Coburg" durchaus gewusst, was in Deutschland und in den besetzten Gebieten ablief, sagt Büschel.

Carl Eduard täuschte aber nicht nur seine ausländischen Gesprächspartner, sondern versuchte es auch bei Hitler selbst. Büschel zeichnet nach, dass Carl Eduard in persönlichen Schreiben an Hitler suggerierte, dass der englische König Edward VIII. ein Bündnis mit Nazi-Deutschland herbeiführen wolle und das auch könne. Doch letzteres stimmte nicht - der englische König ist kein regierender Herrscher. Büschel vermutet, dass Carl Eduard sich mit solchen Lügen unentbehrlich machen wollte. Abgesehen davon, wurde er für gut entlohnt und konnte bei Auslandreisen üppige Spesen geltend machen.

Etwas mehr als drei Jahre habe er für das Buch gebraucht, sagt Büschel. Zu den knapp 240 Seiten Text gesellt sich ein Anhang mit Fußnoten und Literaturhinweisen von fast 100 Seiten. Büschel forschte unter anderem in staatlichen Archiven wie Coburg und Berlin, in britischen und amerikanischen. Er durfte aber auch die persönlichen Taschenkalender des früheren Herzogs auswerten, die sich im Hausarchiv der Stiftung Sachsen-Coburg und Gotha, also im Besitz von Carl Eduards Nachkommen, befinden. Diese Taschenkalender, so Büschel, "enthalten wichtige Bemerkungen und Termine mit Hitler, Himmler und anderen Mitgliedern der NS-Elite".

Carl Eduard starb am 6. März 1954 in Coburg an Krebs. Das Spruchkammerurteil aus dem Jahr 1950 gegen ihn hatte auf "Mitläufer und Minderbelasteter" gelautet.


Der Herzog und seine willigen Untertanen

Das Kapitel "Die erste nationalsozialistische Stadt" beginnt mit der Szene, in der Carl Eduard der Stadt die neue Bürgermeister-Amtskette schenkt. Eine mit Hakenkreuz. Für Büschel ist die Szene deshalb wichtig, weil Carl Eduard sich damit nicht nur für die 1933 verliehene Ehrenbürgerwürde revanchiert. Der ehemalige Herzog und die Stadtführung versicherten sich bei dieser Gelegenheit gegenseitig, Hitler "auf ewig bedingungslos treu zu folgen". Carl Eduard selbst habe es, so Büschel, als seinen "größten Stolz" bezeichnet, dass seine alte Residenzstadt "als erste Kommune im Deutschen Reich nationalsozialistisch geworden sei".

Dazu hatte der frühere Herzog entscheidend beigetragen. Büschel zeichnet nach, dass Carl Eduard mit antisemitischem und völkischem Gedankengut spätestens im Ersten Weltkrieg vertraut wurde. Nach dem Krieg und der Gründung der Weimarer Republik gehörte er zu jenen ehemaligen Fürsten, die an eine natürliche Führerschaft eines arischen Adels glaubten. Reinrassig war in diesem Sinne, wer 32 Generationen weder einen "Semiten" oder einen "Farbigen" in der Ahnenreihe hatte.

Doch Carl Eduard orientierte sich nicht nur am Adel. Büschel beschreibt ihn als "Beschützer und Förderer der Rechtsterroristen", die die Republik per Staatsstreich beseitigen wollten. Carl Eduard trat der Nachfolgeorganisation der Brigade Ehrhard bei, der "Organisation Consul", und, als die verboten wurde, dem "Stahlhelm". Sein ältester Sohn Prinz Leopold, Mitglied im antisemitisch-militanten Jungdeutschen Orden, soll sogar an Überfällen auf jüdische Dorfbewohner im Coburger Land beteiligt gewesen sein. Carl Eduard und Gemahlin Viktoria Adelheid selbst warben Polizeiberichten zufolge in Dorfgasthäusern buchstäblich am Stammtisch für das Gedankengut der Rechtsterroristen.

Büschel zeichnet so das Bild eines überzeugten Antisemiten und Antidemokraten, der Hitler schon früh kennenlernte und dessen Sache förderte. 1932 ließ Carl Eduard ein Hakenkreuz auf die Turmspitze von Schloss Callenberg setzen.

"Tatsächlich spricht vieles dafür, dass Carl Eduards politisches Engagement viele seiner ehemaligen Untertanen auf Linie brachte", fasst Büschel die Auswirkungen zusammen. Kurz: Coburg wäre vielleicht nicht die erste nationalsozialistische Stadt Deutschlands geworden, wenn der ehemalige Herzog nicht offen für die Nazis geworben hatte. Er mag durchaus eigennützige Motive gehabt haben: Es drohte lange Zeit der Verlust der Thüringer Besitztümer. Hitler setzte sich bei den Nationalsozialisten gegen jene durch, die forderten, den Adel zu enteignen. Carl Eduard könnte sogar gehofft haben, aufgrund seiner Herkunft einst Reichspräsident Hindenburg nachzufolgen.

Autor Hubertus Büschel, geboren 1969 in Weidach bei Coburg, verließ Coburg mit 21, studierte Geschichte und Germanistik in München und Berlin, promovierte in Göttingen, war von 2007 bis 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam und assoziiert am dortigen Zentrum für Zeithistorische Forschung. Von 2009 bis 2015 war er Juniorprofessor für Kulturgeschichte am International Graduate Centre for the Study of Culture in Gießen und an der dortigen Justus-Liebig-Universität. Seit 2015 ist er Professor für Zeitgeschichte an der Universität Groningen, Niederlande. Zuletzt erschienen von ihm u.a. "Untertanenliebe. Der Kult um deutsche Monarchen 1770-1830" (2006) und "Hilfe zur Selbsthilfe. Deutsche Entwicklungsarbeit in Afrika 1960-1975" (2014).