Aus Schleifenhahn kommt sauberer Strom - auch wenn es schwerer wird.
Autor: Rainer Lutz
LKR Coburg, Dienstag, 24. April 2018
Sie sollten eigentlich in das Energiekonzept unserer Zeit bestens hinein passen, doch Auflagen und Kritik machen es kleinen Wasserkraftanlagen schwer.
Es war eine geplante gesetzliche Änderung, die fast alle Betreiber kleiner Wasserkraftwerke an einen Tisch kommen ließ. Sie machen sich Sorgen, um die Rentabilität ihrer Anlagen. Warum, das erklärt Martina Och am Beispiel ihres kleinen Kraftwerks in Schleifenhahn.
Die Nutzung der Wasserkraft ist dort sehr alt. Das Anwesen der Familie Och war einst eine Mahl- und Schneidemühle. Die Anlage wurde aber auch schon vor langer Zeit zur Gewinnung von Elektrizität umgebaut.
Das geschah wohl im Zuge des Ausbaus der Energiegewinnung aus Wasserkraft in Bayern, die um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert einsetzte. 1850 gab es in Bayern nach Angaben des Landesamtes für Umwelt 6400 Wasserkraftanlagen unterschiedlicher Größe. Ihre Zahl stieg bis 1926 auf über 11 900 mit einer Gesamtleistung von 615 000 Kilowatt. Damals konnte demnach der bayerische Energiebedarf fast ausschließlich aus Wasserkraft und damit "sauber" gedeckt werden.
Ein Ziel, von dem der Freistaat heute noch ein gutes Stück entfernt ist - obwohl die mittlerweile nur noch 4200 Wasserkraftanlagen heute eine Gesamtleistung von fast drei Millionen Kilowatt erbringen. Doch diese alternativen Erzeuger tun sich schwer.
Der Atomausstieg ist beschlossene Sache. Auch Kohlekraftwerke sollen nach und nach verschwinden. Gegen Pläne, Windstrom von der Küste über gewaltige und kostspielige Leitungen mit erheblichen Verlust quer durch das Land zu verteilen, regt sich ebenso Widerstand wie bei praktisch jedem geplanten Windstrompark und vielen Solarfeldern.
Furcht vor der neuen Richtlinie
"Und jetzt macht man es auch noch uns kleinen Wasserkraftbetreibern schwer", klagt Martina Och. Der Grund ist die neue Wasserrahmenrichtlinie der EU. Als sie davon hörte, dass mit der Umsetzung dieser Richtlinie der Restwasserleitfaden zu einem Mindestwasserleitfaden werden soll, war für Martina Och klar, dass sich die Betreiber wehren müssen. Bisher gilt auch schon, dass eine bestimmte Wassermenge in der Itz bleiben muss, wenn über das Stauwehr Wasser durch den Mühlgraben zur Turbine geleitet wird. Das Wasser fließt zwar zurück, doch das Stück zwischen Aus- und Einleitung darf natürlich nicht trocken fallen. Wie viel Wasser im Fluss bleiben muss, errechnet sich aus der Mindestniedrigwassermenge (MNQ). Derzeit müssen fünf Zwölftel dieser Menge im Fluss bleiben. Nach der neuen Richtlinie sollen es 80 bis 100 Prozent sein. Martina Och fragt sich, ob die Anlage dann noch rentabel betrieben werden kann."Wir haben schon viel investiert", sagt sie. Allein eine automatische Einstellung für die Turbine kostete rund 30 000 Euro. Sie erleichtert die Arbeit sehr, weil nicht alle paar Stunden per Hand nachreguliert werden muss, wie früher. Aber es müsse noch mehr Geld in das Kraftwerk gesteckt werden. Vor allem ein Rechenreiniger wäre nötig. "Bisher muss angeschwemmtes Holz und Müll mühsam mit der Hand entfernt werden, da sind wir manchmal mit mehreren Leuten vier oder fünf Stunden beschäftigt", sagt Vincente Junge, Martina Ochs Lebensgefährte. Vor allem, seit der Biber am Fluss oberhalb der Mühle gelegentlich richtige Baumstämme auf den Weg bringt, muss Junge oft den Traktor einsetzen.
Die Vergütung für den erzeugten Strom wird zwar nach dem EEG über 20 Jahre gefördert. Doch wenn andere Gesetze dafür sorgen, dass weniger Strom erzeugt werden kann, muss die Familie überlegen, ob sie investieren - und mittelfristig die Anlage überhaupt weiter betreiben kann.
Kritik vom Naturschutz
Sollte Strom aus Wasserkraft angesichts des Rufes nach sauberer Energie nicht eine der wünschenswertesten Lösungen überhaupt sein? Ausgerechnet der Bund Naturschutz sieht das nicht so und hat dabei vor allem die Kleinanlagen im Blick. Sie tragen nach BN-Einschätzung nur wenig (1,3 Prozent des bayerischen Stroms) zur Versorgung bei, richten aber gemessen daran einen großen ökologischen Schaden an. Dem widerspricht Martina Och entschieden. Sie verweist auf die Auenlandschaft, die sich oberhalb des Stauwehres nahe der Mühle gebildet hat. Das Wehr gehört übrigens der bayerischen Wasserwirtschaft und wird ferngesteuert, um den Wasserstand in der Itz zu regeln. "Durch den Anstau der Wehre wird der Grundwasserspiegel in den Itzwiesen hoch gehalten", betont Vincente Junge. Unterstützung bietet auch der Verband Wasserkraft in Bayern, der auf eine Studie des Systeminstituts Aqua Terra zur ökologischen Bedeutung von Kleinwasserkraftanlagen verweist. Diese kommt zu dem Schluss, dass solche Anlagen eine wesentliche regionale und lokale ökologische Bedeutung haben, die zu Unrecht unterschätzt werde.Bei ihrem jüngsten Treffen waren sich die Betreiber solcher Anlagen im Coburger Land in ihrem Fazit einig: "Die kleine Wasserkraft ist die sauberste Möglichkeit, Strom zu erzeugen. Sie verbraucht keine Rohstoffe und belastet die Umwelt weder bei der Erzeugung noch beim Verbrauch. Sie wird ortsnah ohne lange Transportwege und Umspannverluste erzeugt. Damit stabilisiert sie das Ortsnetz, ist grundlastfähig und ganzjährig verfügbar." Ob Martina Och und ihre Familie das Risiko weiterer Investitionen in ihre Anlage auf sich nehmen wollen haben sie trotzdem noch nicht entschieden.