Auch Siegfried und Roy schauten in Coburg vorbei
Autor: Oliver Schmidt
Coburg, Freitag, 08. November 2013
Nicht jeder mag es romantisch finden, wenn im Ofen brennende Pinguine knistern. Aber nicht jeder mag ja auch den Humor der hessischen Comedians Lars Niedereichholz und Ande Werner alias "Mundstuhl".
Hessisch-derb sind Mundstuhl noch immer. Sehr zur Freude ihrer Fans, aber natürlich auch zum Entsetzen ihrer Kritiker. Selbstverständlich gehen Mundstuhl (das sind: Lars Niedereichholz aus Bad Homburg und Ande Werner aus Frankfurt) aber auch mit der Zeit. So wird im aktuellen Programm "Ausnahmezustand", das am Donnerstagabend im gut gefüllten Kongresshaus bejubelt wurde, etwa die Energiewende behandelt. Ja, man glaubt es kaum: Lars setzt jetzt beim Heizen voll auf nachwachsende Rohstoffe. Und wie? Er verschürt Pinguine!
"Das klingt vielleicht grausam", erklärt Lars, "ist aber echt sparsam." Schließlich koste ein Pinguin in der Anschaffung nur etwa 30 Cent das Stück, und mit zirka 1500 Pinguinen komme man schon gut durch den Winter.
"Wir sind hier nicht bei Eckart von Hirschhausen"
Wer zart besaitet ist, dem bleibt die Spucke weg. Wer zart besaitet ist, geht aber auch nicht zu Mundstuhl. "Nein, wir sind hier nicht bei Eckart von Hirschhausen", stellt Lars zwischendurch klar, als es mal wieder besonders derb wird.
Mundstuhl schlüpfen während ihres gut 90-minütigen Auftritts in viele Rollen. Die beiden Hessen fangen plötzlich das Sächseln an, als sie die Ossi-Tussen "Peggy und Sandy " geben. Amerikanisch wird's, als die Showmaster "Bob & Bob" einen Toaster anpreisen, der als "Healthy Handmaker" ganz neue Verwendungszwecke offenbart. Neu im Mundstuhl-Repertoire sind Siegfried und Roy. Zwar ohne Tiger, aber mit viel Klamauk. Da werden Wörter im Mund herumgedreht und Gurken in Öffnungen gesteckt, mit denen sich ein Kabarettist wie wie Eckart von Hirschhausen höchstens mal in seinem Erstberuf als Arzt beschäftigt hat.
Für Mundstuhl ist Comedy der Erstberuf. Und sie leben ihn mit Leib und Seele, mit Tempo und Vollgas, und ohne Rücksicht auf schwache Gemüter. Natürlich darf beim Gastspiel in Coburg auch ihre Paraderolle "Dragan & Aldar" nicht fehlen, mit denen sie einst den Durchbruch schafften. Aber: Auch an den beiden, die so herrlich assozial deutschtürkisch reden, sind die vergangenen Jahre nicht spurlos vorübergegangen. Alder trinkt jetzt zum Beispiel Aperol Spritz. "Was ein Scheißendreck", lästert Dragan und überlegt, was sein verweichlichter Kumpel wohl als nächstes macht: "Hast Du auch so Schnuffel-Klingelton auf Deinem Handy?"
Schimpfwörter-Feuerwerk
Das Publikum will eine Zugabe. Und die bekommt sie auch. Aber eben Mundstuhl-typisch. Denn Ande schimpft darüber, dass Zugaben überhaupt erfunden wurden. Das letzte große Schimpfwörter-Feuerwerk ist leider nicht druckreif. Aber in Zeiten, in denen sich von Atom bis Aperol so vieles ändert, lässt sich zumindest dieser eine Satz zitieren, der noch für Vertrautheit und Kontinuität steht: "Zugabe? So ein Dreck! Ich könnte schon längst ein eiskaltes Bier an meinen Schneidezähnen haben."