Auch in Neustadt brodelte es
Autor: Rainer Lutz
Neustadt bei Coburg, Samstag, 25. Mai 2013
Wie erst jetzt aufgetauchte Fotodokumente belegen, gab es auch in Neustadt Kundgebungen zur sogenannten Novemberrevolution 1918. Heute werden die aus Privatbesitz stammenden Bilder an die Stadtheimatpflegerin überreicht.
Neustadt — Für geschichtsinteressierte Neustadter ist es eine kleine Sensation, dass jetzt einige Fotografien aus dem Jahr 1918 auftauchten, die belegen, dass auch hier die Menschen zur sogenannten Novemberrevolution auf die Straße gingen. Heimatpflegerin Isolde Kalter und Historiker Frank Altrichter freuen sich dementsprechend riesig, dass sie heute im Rathaus der Stadt ein ganzes Album voller Fotos aus jener Zeit entgegennehmen können.
Meuterei als Auslöser
Es begann mit der Meuterei auf deutschen Kriegsschiffen. Die Seeleute wollten sich nicht noch in der Schlussphase des Ersten Weltkriegs in einer aussichtslosen Schlacht gegen die Royal Navy verheizen lassen. Es war ein Zündfunke für die Novemberrevolution 1918. "Sie gilt allgemein als wichtiger Etappenpunkt auf dem Weg Deutschlands zu Demokratie und Parlamentarismus. In Berlin rief am 9.
An die Stelle der Monarchien sollte ein demokratisches System treten. Auch das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha war Schauplatz des politischen Umsturzes in Deutschland. Als Träger politischer Macht bildeten sich hier sogenannte Arbeiter- und Soldatenräte. Der politische Druck von unten zwang den Coburger Herzog Carl Eduard zur Abdankung. Beendet war die fünfeinhalb Jahrhunderte währende Herrschaft der Wettiner im Coburger Land. Eine neue Zeit brach an!
Lange Spurensuche
Regionalhistoriker und Heimatforscher sind seit vielen Jahrzehnten auf der Spurensuche nach dem "Warum" und "Wie" der Novemberrevolution 1918 im Coburger Land, das über die kurze Zwischenstation eines Freistaates per Volksentscheid schließlich zu Bayern geschlagen wurde.
Im Laufe der Zeit sind zahlreiche Schriften entstanden, die den Blick auf das Geschehen in der Residenzstadt Coburg richteten. Doch wie stand es um die "Revolution" in der Peripherie des Herzogtums, wie äußerte sich der Umsturz in Neustadt bei Coburg? Der 9. November 1918 und seine Folgen waren bisher ein "weißer Fleck" in der Zeitgeschichte der Stadt Neustadt.
"Mit Ausnahme spärlicher Informationen in den zeitgenössischen Printmedien war dieses reichsweite zentrale Ereignis deutscher Geschichte in lokaler Perspektive nicht greifbar", schildert Altrichter. In der quellengesättigten zweibändigen Chronik Helmut Scheuerichs zur Geschichte der Stadt Neustadt im 20. Jahrhundert finden sich keine Spuren zu diesem Thema , ebenso nicht in den Publikationen der örtlichen Sozialdemokratie.
"Fünf Jahre vor der 100. Wiederkehr des Jahrestages der Novemberrevolution 1918 ist der Heimatforschung der Stadt Neustadt ein spektakulärer Fund gelungen", schreibt Frank Altrichter in einer Pressemitteilung dazu.
Über die sozialen Medien sind fotografische Dokumente aufgetaucht, die die Novemberereignisse 1918 in Neustadt zeigen. Die Fotografien, die offenkundig aus dem familiären Umkreis des früheren Ersten Bürgermeisters von Neustadt, Franz Braunschmidt (1901 bis 1910), stammen, zeigen die Kundgebung auf dem Neustadter Marktplatz am 14. November 1918. Dieser Tag markiert, wie Archivrecherchen von Isolde Kalter und Frank Altrichter offenlegen konnten, den Höhepunkt der revolutionären Ereignisse vor Ort.
Die Fotografien sind damit ein authentisches Zeugnis für ein historisches Ereignis, das von der lokalen Forschung bis heute ausgespart wurde. Mit dem Fund schließt sich eine Lücke in der zeitgeschichtlichen Überlieferung der Stadt Neustadt. Heute, um 14 Uhr, werden im kleinen Sitzungssaal des Rathauses der Stadt Neustadt die im Privatbesitz befindlichen Originalfotografien dem Stadtarchiv Neustadt übergeben. Die Fotografien stehen somit an zentralem Ort für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung. Die Heimatpflegerin der Stadt Neustadt freut sich und bedankt sich bei den bisherigen Besitzern für die freundliche Überlassung dieses wichtigen historischen Materials im Interesse der regionalgeschichtlichen Forschung.
Die Novemberrevolution
Geschichte Die Novemberrevolution von 1918/19 führte zur Beseitigung der Monarchie und zur Umwandlung des Reichs in eine parlamentarisch-demokratische Republik.
Funke Unmittelbarer Auslöser war der geheime Flottenbefehl der Seekriegsleitung vom 24. Oktober 1918, der vorsah, die deutsche Hochseeflotte in eine letzte Schlacht gegen die britische Royal Navy zu schicken. Die gegen diesen Plan gerichtete Meuterei einiger Schiffsbesatzungen und der Kieler Matrosenaufstand entwickelten sich zu einer Revolution.
Gründe Die Ursachen der Revolution lagen in den extremen Belastungen durch den Krieg, im allgemeinen Schock über die Niederlage des Kaiserreichs, in sozialen Spannungen sowie in der Politik der reformunwilligen Machteliten.