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Auch Biobauern brauchen Rendite


Autor: Gabi Bertram

LKR Coburg, Freitag, 09. März 2018

Pflanzenschutz und Tierwohl, Artensterben und regionale Wertschöpfung waren die Themen, über die BBV-Vertreter mit der Grünen Gisela Sengl stritten.
Gisela Sengl lässt sich von Florian Taubmann frisch gemolkene Milch zapfen.Gabi Bertram


Ein kleines Video der Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag im Facebook über Bauer Bernd, seinen Chemie-Cocktail auf den Feldern und dessen Folgen für Fisch, Biene und Kartoffel war der Auslöser. Der BBV-Kreisverband Coburg hat die Grünenpolitikerin Gisela Sengl in einer Podiumsdiskussion zum Dialog herausgefordert.

Der kleine Bauernhof der Familie Bernd und Monika Taubmann in Neida ist so ganz nach dem Geschmack der agrarpolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Gisela Sengl - selbst Biohof-Betreiberin am Chiemsee. 60 Hektar Land, 50 Milchkühe, die Fabien, Sandy oder Silvia heißen, eine kleine Milchtankstelle mit frisch gemolkener Rohmilch, einem Automaten, an dem man Hausmacherwurst in Gläsern oder Freilandeier ziehen kann, die in Papiertüten abgepackten "dreckerten" Kartoffeln aus der heimischen Scholle, Honig von Imkern aus der Nachbarschaft. Ja, so könnte heile Landwirtschaft nach Meinung der Grünen überall funktionieren.

Damit gehen die Bauern auf kleinem Nenner konform, weil, so BBV-Kreisobmann Martin Flohrschütz, die Produktion von hochwertigen Lebensmitteln nur mit der Natur funktioniert, Boden und Tiere das Kapital der Bauern sind.


Es gibt viele Gemeinsamkeiten

Aber die Bauern wehren sich auch mit Leidenschaft gegen unsachliche Anfeindungen und Diffamierungen. Das Video hat sie wieder einmal ins Mark getroffen. Den Vorwurf vor allem aus den Reihen der Grünen, sie würden mit Pflanzenschutzmitteln und Pestiziden das Insektensterben verursachen, weisen sie mit Vehemenz zurück.

Dabei, sagt Flohrschütz, säßen die Differenzen gar nicht so tief. Immerhin haben Bauern, Naturschutzverbände und Grüne in konzertierter Aktion den Verkehrslandeplatz bei Neida, von dem auch Flächen von Bernd Taubmann getroffen worden wären, verhindern können, und man würde die Pläne liebend gern endlich gemeinsam "beerdigen".

Und auch bei der Forderung, regionale Wertschöpfungsketten zu stärken, Kulturlandschaftspflege im Interesse von Artenvielfalt und Artenschutz zu betreiben, liegen Bauern und Grüne nicht weit auseinander. Die Differenzen bestehen in den Lösungswegen. Aber Landwirtschaft heißt eben auch "wirtschaften", und noch gebe es keine oder kaum Alternativen zu Pflanzenschutzmitteln, würden Auflagen und Kosten Landwirte in einer Schraube zur Expansion zwingen, um den Höfen eine Zukunft zu geben, würden Großbetriebe und Weltmarkt Daumenschrauben anlegen.


Disput über die Chemie

Insekten- und Artenschutz, Tierhaltung, eine Zukunft für die Landwirtschaft ohne Pestizide, aber auch der Umgang von Grünen, Umweltverbänden und Bauern miteinander standen am Abend bei einer Podiumsdiskussion im Gustav-Dietrich-Haus auf dem Programm.

So voll war der Saal übrigens selten. Das Interesse am Disput hatte beide Seiten auf den Plan gerufen, auch wenn das Publikum - aus Sorge vor hochkochenden, unsachlichen Emotionen - kein Rederecht hatte.

Moderiert von Wolfgang Braunschmidt gingen neben Gisela Stengl und Martin Flohrschütz der Geschäftsführer der Milchwerke Oberfranken West, Ludwig Weiß, und der Biobauer Sebastian Porzelt in den leidenschaftlichen Disput. Die von Sengl eingangs ins Feld geführte Krefelder Studie, nach der seit 1989 die Zahl der Insekten um rund 75 Prozent zurückgegangen ist, wird von Flohrschütz angezweifelt. Sengl ihrerseits fordert Alternativen in der Bodenbearbeitung und den Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft. Freilich, räumt sie ein, bedürfe es hier einer Übergangszeit und erfordere weit mehr Gelder für die Forschung.

Ohne Pflanzenschutzmittel, prophezeit der Ökobauer Porzelt, werde es bald keinen Rapsanbau mehr geben. Und derzeit würden sowohl der konventionellen als auch der ökologischen Landwirtschaft die Alternativen fehlen. Porzelt plädiert für beide Seiten und für die hohe Qualität der Nahrungsmittel, die von Landwirten hierzulande auf die Tische der Verbraucher gelegt wird, spricht aber auch davon, dass gerade Familienbetriebe auf Grund der Bürokratie wirtschaftlich an die Grenzen kommen und expandieren müssten, um zu überleben.


Der Weltmarkt ist billiger

Ludwig Weiß, wie kein anderer Experte in Sachen Milch, spricht vom Nachhaltigkeitsbewusstsein der Bauern. "Unsere Milchlieferanten unterliegen einem strengen Qualitätsmanagementsystem, ob Biomilch oder andere. Aber bei den hohen Kosten können wir auf dem Weltmarkt nicht konkurrieren." Derzeit laufe einem die Milch aus den Ohren, was durch eine europaweite Milchquote zu regeln wäre, nicht mit noch mehr für den Verbraucher undurchsichtigen Milch-Labels, und Weiß wünscht sich vor allem "mehr Nationalstolz beim Verbraucher". "Wenn die deutschen Verbraucher einheimisch essen, hätten wir viel gewonnen."

Martin Flohrschütz sieht die Risiken bei der Düngung als überzogen dargestellt, man könne die Natur auch mit Pflanzenschutzmitteln nicht überlisten, und jeder Bauer wirtschafte im eigenen Interesse, weil mit eigenem Kapital, nachhaltig. Er fordert: "Wir brauchen einen Masterplan für die Landwirtschaft und sachliche Diskussionen darum, wie diese in Zukunft aussehen soll."


Der Verbraucher und die Realität

Wege aufzuzeigen ist die Intention des Abends, aber auch Sengl liefert hier kaum mehr als Ansätze, wie einen mit staatlicher Quote für regionale Produkte regulierten Gemeinschaftsverpflegungsmarkt. Staatliche Tierhaltungskennzeichnung wird gefordert und ein Ende der Agrarindustrie. Patentlösungen, räumt Sengl ein, gebe es nicht, aber so könne es nicht weitergehen.

Der kleine gemeinsame Nenner ist klar (war er wohl schon vorher): Landwirtschaft ist wichtig. Unsachlichkeiten und Begriffe wie "Ackergift", sagt Flohrschütz, würden aber keine Basis für eine Diskussion sein. Am Tisch wird moniert: Lieber weniger produzieren, dafür Nahrungsmittel teurer machen. Auch das ist ein Thema vorn am Podium. Denn dass der Verbraucher hohe Qualität mit höheren Preisen honoriert, meint der Kreisobmann, sei ein Wunschdenken und würde an der Realität vorbeigehen.