"Armut ist mit Scham verbunden"
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Donnerstag, 14. Oktober 2021
Jedes fünfte Kind lebt länger als fünf Jahre in Armut. Hochschul-Professorin Claudia Lohrenscheidt erklärt, was das für Folgen haben kann.
Kinder haben gute Sozialprognosen, wenn ihre Rechte gewahrt werden. Was passiert aber, wenn Kinder nicht genug zu essen bekommen und am gesellschaftlichen Leben nicht teilnehmen können, weil das Geld dazu fehlt? Professor Claudia Lohrenscheit von der Hochschule Coburg ist Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland und weiß, welchen Einfluss Kinderarmut darauf hat.
Welche Auswirkungen hat Armut auf Kinderseelen?
Jedes fünfte Kind (21 Prozent) lebt über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren dauerhaft oder wiederkehrend in einer Armutslage, und weitere zehn Prozent machen temporäre Armutserfahrungen.
Hier bedeutet dies nicht, dass die existenziellen Grundbedürfnisse (Nahrung, Wohnung, Kleidung, Bildung) nicht gesichert sind, aber für die betroffenen Kinder, Jugendlichen und ihre Familien hat Armut weitreichende Folgen: Sie nehmen an weniger Freizeitaktivitäten teil, haben weniger Freunde, werden ausgegrenzt und trauen sich seltener hohe Bildungsabschlüsse zu. Armut ist mit Scham verbunden: Lieber versteckt ein Kind seine sozialen Verhältnisse, als die Armut der Familie zu zeigen.
Auch die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nimmt Schaden. Armut und mangelnde Bildung der Eltern führen dazu, dass sich Kinder und Jugendliche ungesünder ernähren, weniger bewegen, seltener in Sportvereinen aktiv und damit häufiger übergewichtig sind als Gleichaltrige aus sozial bessergestellten Familien. Dazu tragen maßgeblich zuckerhaltige Lebensmittel und Getränke bei, die von Kindern und Jugendlichen aus sozioökonomisch schlechtergestellten Familien besonders stark konsumiert werden. Hierdurch leiden auch das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen der Kinder und Jugendlichen.