Christian Ude in Coburg: Anzapfen mit links hat's in sich
Autor: Simone Bastian
Coburg, Freitag, 30. Sept. 2016
21 Mal eröffnete Christian Ude als Münchens Oberbürgermeister die Wiesn. Aber beim Oktoberfest der Coburger SPD hatte Ude zu kämpfen.
"Christian, du bist ja ein Linker!" Diesen entsetzten Ausruf tat Georg Kronawitter, Alt-Oberbürgermeister von München, wenige Tage nachdem sein Nachfolger Christian Ude (SPD) das Amt angetreten hatte. Das Problem, das Kronawitter mit diesen Worten aufzeigte, stellte seinerzeit die Wiesn-Regie auf eine Probe. Am Donnerstagabend wurde es zum Coburger Problem.
Der Linkshänder Ude sollte das Fass anstecken, dass da im "Münchner Hofbräu" vor ihm aufgestellt war. Doch als Linkshänder musste er dem Publikum den Rücken zukehren - die Hinweise von Alt-Oberbürgermeister Norbert Kastner - "dreht's halt um" - verhallten.
Während aber beim Oktoberfest das Anzapfen bis auf die Sekunde (und Udes zwei obligatorische Schläge) durchgeplant ist, konnte sich der Münchner Alt-OB vor den Coburger Genossen Zeit lassen. Und tat es. Genüsslich. Denn aus Sicht eines Müncher Oberbürgermeisters ist es keine Schande, wenn man zum Fassanzapfen 14 Schläge braucht wie Coburgs OB Norbert Tessmer bei seiner Schützenfest-Premiere 2014 - in Udes Beisein übrigens.
Schließlich hatte Thomas Wimmer, der diese Tradition der Münchner Oberbürgermeister begründete, beim ersten Mal 27 Schläge gebraucht, weil er als gelernter Schreiner den Schlegel einsetze wie einen Hobel. Ude führte es vor. Und beugte vor: Wenn das Anzapfen in Coburg schief gehen sollte, dann, weil das Fass zu klein sei.
Es ging schief. Der Gummi saß schlecht, der Hahn verkeilte sich, das Bier spritzte munter in den Raum, bis Norbert Tessmer dem mit einem kräftigen Schub des Hahns ins Spundloch ein vorläufiges Ende setzte. Da hatten die Umstehenden ihre Bierdusche schon abbekommen.
Zum Bier gab's Ude-Geschichten. Dass er reden kann, hat er als Münchner OB und als Landtags-Spitzenkandidat oft bewiesen, dass er gut erzählen kann, erfuhren die rund 100 Zuhörer spätestens bei diesem SPD-Oktoberfest. Natürlich musste eine Geschichte vom Anzapfen dabei sein: Wie Ude sich auf seinen ersten Wiesn-Auftritt vorbereitete, mit dem Schlegel in der Linken und dem Wechsel (Zapfhahn) in der Rechten vor dem 200 Liter fassenden "Hirschen", wie die großen Fässer genannt werden. "Den ersten Schlag sanft ausführen, den zweiten kräftig, und wenn's vorbei ist, den Wechsel nicht loslassen, sondern mit beiden Händen festhalten", schilderte Ude die Theorie. "Aber in der Praxis habe ich entweder den Wechsel schief gehalten oder zu zaghaft drauf gehaut oder das ,Ozapf is‘ vergessen." Der Spruch "Ozapft is - auf eine friedliche Wiesn" werde immer mitgeübt, seit ein OB von der CSU ihn mal vergessen und im Jahr darauf zu "Izapft os" verballhornt habe.
Das Anzapfen habe ihn auch als Grundschüler erstmals auf den Gedanken gebracht, OB zu werden. Denn weil er nicht Schönschreiben übte, herrschte sein Lehrer ihn an: "Dann werd halt Oberbürgermeister. Da musst du anzapfen können - sonst nichts."
Für die oberfränkische Praxis taugte das jahrelange Training als Münchner OB jedoch nicht. "Wir arbeiten in Oberbayern mit Spundhölzern und nicht mit so lächerlichen Gummibanderln", sagte Ude mit einem kritischen Blick aufs Fass. "So ein Hirsch ist etwas ganz anderes als so eine lächerliche Fingerübung hier. Das ist ja furchtbar, wenn man mit dem ersten Schlag schon das Fass demoliert."
Tessmer: Jetzt steht es 1:1!
Das Bier schien gleichwohl zu schmecken, und Tessmer gab sich generös: "Jetzt steht's 1:1", was missglücktes Fassanzapfen auf Coburger Terrain angeht.Mit Ude kann die SPD über ihre Sommerfeste lachen: "Die CSU geht dahin, wo der Bürger eh schon ist, wir Sozialdemokraten bereiten dem Bürger ein Fest auf menschenleeren Plätzen." Gegenfrage aus dem Publikum: "Warst bei uns?" Udes Sommerfest-Geschichte spielte Anfang der 70er-Jahre und endete damit, wie er Berater für den Istanbuler Stadtteil Maltepe wurde. Als Student reiste er damals mit einem Freund in die Türkei. Die beiden wollten Wölfe in freier Wildbahn fotografieren und schlossen "Freundschaften fürs Leben" mit der Familie eines türkischen Gastarbeiters aus München. Dessen Sohn ist heute Bürgermeister in dem Istanbuler Stadtteil und heuerte Ude als Berater an, kaum das sein Nachfolger Dieter Reiter gewählt war.
Eine Wahl wird es nächste Woche auch im SPD-Unterbezirk Coburg-Kronach geben. Doris Aschenbrenner soll als Bundestagskandidatin nominiert werden. "Ich unterstütze sie gerne, weil auch sie mich tatkräftig unterstützt hat, weil uns junge Frauen und IT-Experten gut stehen und weil das bisschen, was ich von IT-Strategie weiß, von Doris stammt", sagte Ude. Aschenbrenner gehörte Udes Wahlkampf-Team bei der Landtagswahl 2013 an.