Amtsgericht Coburg ahndet häusliche Gewalt
Autor: Katja Nauer
Coburg, Donnerstag, 16. März 2017
Ein 22-jähriger Coburger prügelt auf seine Lebensgefährtin ein, würgt sie und schlägt ihren Kopf gegen die Wand. Er bekommt eine Geldstrafe. Die Gründe:
Ein 22-jähriger Coburger prügelt auf seine Lebensgefährtin ein, würgt sie und schlägt ihren Kopf gegen die Wand. Ein Gutachter attestiert ihm eine Psychose und verminderte Schuldfähigkeit. Das Gericht verurteilt ihn zu einer Geldstrafe.
Er befand sich unter einem enormen psychischem Druck, den er dem Gericht auch umfassend erläuterte. Ein 22-jähriger Coburger, der laut der Aussage eines psychiatrischen Gutachters unter einer latenten Psychose leidet, prügelte im Juli letzten Jahres in der gemeinsamen Wohnung in Coburg auf seine damalige Lebensgefährtin ein. "Das ging von der Küche ins Wohnzimmer und wieder in die Küche", sagte Richter Ortwin Jaunich am zweiten Verhandlungstag des Prozesses vor dem Amtsgericht Coburg. Er verurteilte den Mann wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 1045 Euro. Zudem legte er dem Angeklagten eindringlich ans Herz, sich um psychiatrische Hilfe zu bemühen. Der Coburger muss die Kosten des Verfahrens tragen.
Laut Staatsanwaltschaft schubste der Angeklagte seine Freundin nach einem Streit zu Boden, kniete sich über sie und schlug mit den Fäusten auf sie ein. Dabei traf er sie an den Armen, Brust und Oberschenkel. Er würgte die Frau am Hals, bis sie sich fast übergeben musste. Zudem schlug er ihren Kopf gegen die Wand. Die junge Frau wurde als Zeugin gehört und bestätigte im Wesentlichen den Sachverhalt. Sie betonte allerdings, kein Interesse mehr an der Strafverfolgung zu haben, und zog ihre Strafanzeige zurück.
"Da sind Abdrücke von Fingernägeln auf ihrem Hals"
Der Polizeibeamte, der den Vorfall noch in der Nacht aufnahm, erwirkte ein Kontaktverbot. Die Fotos, die er von den Verletzungen der jungen Frau angefertigt hatte, wurden von den Prozessbeteiligten begutachtet. Dabei wies der Polizist auf die Würgemale hin: "Da sind Abdrücke von Fingernägeln auf ihrem Hals."Der 22-jährige Angeklagte und sein Anwalt, Matthias Loßmann, hatten einen Täter-Opfer-Ausgleich angefertigt, der von der Geschädigten unterschrieben und gebilligt wurde. Darin übernahm der Angeklagte die volle Verantwortung für seine Handlungen und bat um Entschuldigung. Im Gegenzug verzichtete die junge Frau auf verfahrensrechtliche Möglichkeiten wie eine Zivilklage und Entschädigungszahlungen.
"Psychischer Blackout"
Der Angeklagte erklärte, er könne sich nicht an die Schläge erinnern. Er sprach von einem "psychischen Blackout", den er auch in der Kindheit des Öfteren in Stresssituationen gehabt habe. Der Coburger war im Jahr 2015 freiwillig in psychiatrischer Behandlung - eine Fachklinik hatte ihm eine schizophrene Psychose diagnostiziert. Dies sagte ein Gutachter aus, der zum zweiten Verhandlungstag hinzugezogen wurde. Der Facharzt präzisierte: Der junge Mann leide unter einer latenten Psychose, die phasenweise verlaufe. Er bescheinigte dem Coburger eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit. Einen Hinweis auf erhöhte Gefährlichkeit fand er indes nicht. Dass der Angeklagte sich an seine Tat nicht erinnern kann, konnte der Gutachter nicht widerlegen. "Er hat kognitive Störungen, die Wahrnehmung verändert sich bei diesen Psychosen." Es hielt es für dringend erforderlich, dass der Mann sich ambulant in eine entsprechende Therapie begibt.Aufgrund der Aussage des Gutachters zeichnete sich ab, dass der Coburger nicht wie ursprünglich vorgesehen wegen gefährlicher, sondern lediglich wegen vorsätzlicher Körperverletzung belangt werden kann. Anwalt Matthias Loßmann beantragte deshalb die Einstellung des Verfahrens unter der Auflage einer präventiven psychiatrischen Maßnahme für seinen Mandanten. Staatsanwalt Christian Pfab wollte darauf jedoch nicht eingehen. Er betonte das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung. Loßmann kritisierte die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft und sprach gar von "Willkür". "Ich bin sehr enttäuscht", sagte er. Er appellierte an den Richter, von einer Strafe abzusehen. Richter Ortwin Jaunich folgte weitgehend dem Plädoyer des Staatsanwaltes, senkte die geforderte Geldstrafe allerdings noch erheblich. Pfab hatte bereits ein niedrigeres Strafmaß aufgrund einer "doppelten Milderung" gefordert: Einerseits sei der Angeklagte eingeschränkt schuldfähig, andererseits habe er einen Täter-Opfer-Ausgleich angeboten. Das Bejahen des besonderen öffentlichen Interesses läge in den Händen der Staatsanwaltschaft, sagte Jaunich in Hinblick auf Loßmanns Kritik. "Das ist nicht zu hinterfragen."