Druckartikel: Als der Eis- zum Alptraum wurde

Als der Eis- zum Alptraum wurde


Autor: Ulrike Nauer

Coburg, Freitag, 26. August 2016

Er sollte die Attraktion zur Millenium-Party werden: Der "Eistraum" auf dem Coburger Marktplatz. Doch er lief eher unter: Pleiten, Pech und Pannen.
Die Eisfläche zu Füßen Prinz Alberts ist den Coburgern vor allem wegen der vielen Pannen im Gedächtnis geblieben. Fotos: CT-Archiv / Oliver Schmidt & Klaus Wöhner


Es hatte alles so vielversprechend geklungen: Eine Eisfläche rund um das Prinz-Albert-Denkmal, wo Schlittschuhfans die Silvesterfeier 1999 hinein ins neue Jahrtausend (manche behaupten ja, das habe erst ein Jahr später begonnen) übers Eis tanzend zelebrieren sollten. Doch aus dem Eistraum wurde ein Alptraum. Gerüchten zufolge soll der damalige Oberbürgermeister Norbert Kastner sogar eine Zeit lang den Blick aus seinem Bürofenster gemieden haben, nur um das Elend auf dem Marktplatz nicht mehr mit ansehen zu müssen.
Dabei hatte sich Kastner, als das Thema Millennium-Party im Juli 1999 kontrovers im Verwaltungssenat diskutiert wurde, noch an die Spitze der "Eistraum"-Befürworter gesetzt.

Weil die Mehrheit der Senatsmitglieder befürchtete, der Weihnachtsmarkt werde durch die 20 mal 30 Meter große Eisfläche "degradiert", wie es in der damaligen Berichterstattung im Tageblatt hieß, war der "Eistraum" zunächst einmal geplatzt. Letztendlich konnten sich alle Beteiligten doch noch einigen und der Schlittschuh-Party stand nichts mehr im Wege - eigentlich.


16 Kilometer Kühlrohre

Der "Eistraum" platzte nämlich gleich noch ein zweites Mal: Aus der gemeinsamen Eröffnung von Weihnachtsmarkt und Eisfläche wurde nichts. Wegen eines technischen Defekts im Kühlsystem konnte die Eisfläche zu Füßen Prinz Alberts nicht "geflutet, sprich, in eine Eisfläche verwandelt werden". Fast 16 Kilometer Kühlrohre, jeweils nur wenige Zentimeter dick, waren in der Woche vor der Weihnachtsmarkteröffnung rund um das Denkmal verlegt worden. Doch die Dichtungen zwischen den dünnen Kühl- und den dickeren Verteilerrohren passten nicht - um wenige Zehntelmillimeter. 500 geeignete Dichtungen waren auf die Schnelle auch nicht zu beschaffen. Immerhin 270 Stück konnten die Arbeiter der Nürnberger Firma doch noch in Coburg auftreiben, den Rest mussten sie auswärts besorgen. Der Termin am Abend der Weihnachtsmarkteröffnung war nicht mehr zu halten.


Kurzschluss bei der Eröffnung

Am Sonntagvormittag darauf sollte es nun endlich losgehen. Doch statt der Freude über den Eistraum machte sich langsam Wut breit: Wegen erneuter technischer Probleme war ans Eislaufen nicht zu denken. Schnell machte die Nachricht von der "Blamage des Jahrhunderts" die Runde, zumal sich neben dem "Traum" Glykolfässer, unverschraubte Bandenwerbung und Holzpaletten türmten.
Im Rathaus rauchten indes die Köpfe, während man bei der Veranstalter-Firma nun immer vorsichtiger mit Terminankündigungen wurde: "Wahrscheinlich Mittwoch", hieß es dann - man wollte, trotz nächtlicher Minusgrade, lieber auf Nummer sicher gehen.
Inzwischen hatte man auch herausgefunden, dass die verbauten Dichtungen bisher nur im Sommer getestet worden und für Frost nicht geeignet waren.
Dann kam der Mittwochnachmittag und siehe da, es konnte losgehen. Fünf Tage später als geplant, wurde der "Eistraum" endlich Wirklichkeit - und die nächsten Pannen warteten schon: Pünktlich zur Eröffnung begann es zu regnen, die Eisfläche musste halbseitig gesperrt werden, die Techniker kämpften mit einem Kurzschluss, Mikros und Lautsprecher fielen aus. Selbst die Glühweintassen, die an den "Ersten Coburger Eistraum" erinnern sollten, wollten nicht den Weg nach Coburg finden, sie gingen bei der Spedition verloren. Coburger Glühweintrinker wunderten sich dann über das unbekannte Gebäude, das auf den Ersatztassen abgebildet war... es war der Bahnhof von Fulda.


Ohrenbetäubender Krach

Als allen Widrigkeiten zum Trotz kurz darauf endlich die ersten Kufen übers Eis glitten, schien es, als könnte nun alles aufatmen. Von wegen - die stimmungsvolle Weihnachtsmusik überspielte nicht nur den Ärger sondern auch das ohrenbetäubende Dröhnen der Kühlmaschine. Anwohner drohten sogar mit Klagen gegen den Veranstalter, weil sie sich besonders in der Nacht durch den Krach gestört fühlten.
So schlitterte man mehr oder weniger elegant auf die Silvesternacht zu, die dann tatsächlich mit der geplanten Millenium-Party reibungslos über die Bühne ging. Doch natürlich lauerte noch ein letzter Knalleffekt: Nachdem es so lange gedauert hatte, eine befahrbare Eisfläche hinzukriegen, ließ sich das Eis so leicht nicht mehr beseitigen. Die dicke Eisschicht wollte und wollte einfach nicht schmelzen. Am Ende mussten sogar Bagger anrücken, um den Eistraum Stück für Stück zu zerlegen und vom Marktplatz zu schaffen.
Für die Veranstalterfirma war schnell klar, wer für das Traum-Fiasko verantwortlich war: Die Stadt Coburg und natürlich die Coburger Medien, die den Traum zum Alptraum geschrieben hatten.
Den Coburgern war das dann auch schon egal, sie vergnügten sich lieber auf der Eisfläche, die das Grünflächenamt kurzerhand mit ein bisschen Wasser vor dem (damals noch) Stadtjugendheim gezaubert hatte - übrigens ganz ohne Schläuche, Dichtungen und Glykol.