Alice tanzt in vollem Filmsound
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Dienstag, 14. März 2017
Das Landestheater Coburg wartet mit einer neuerlichen Uraufführung auf. Roland Fister hat "Alice im Wunderland" in Ballettmusik verwandelt.
Roland Fister grinst wie die Grinsekatze höchstselbst. Schließlich hat er das Vieh ja auch höchstselbst musikalisch zum Bühnenleben erweckt. Der "Cheshire-Cat-Walk", in den alle um Alice im Wunderland herum einfallen, soll es in sich haben. Da sind wir aber gespannt - auf diese neuerliche Coburger Uraufführung aus der produktiven musikalischen Hand von Coburgs 2. Kapellmeister und Studienleiter und Mann fürs Musical wie für alles mögliche musikalisch Heutige. Am Samstag, 18. März, hat seine Interpretation von Lewis Carrolls Roman "Alice im Wunderland" Premiere im Landestheater Coburg.
Das Auftragswerk kommt im Breitwandsound des Philharmonischen Orchesters zu seiner allerersten Aufführung, und zwar als buntes Ballett in der Choreografie von Rosemary Helliwell. Fister verspricht im Gespräch mit dem Tageblatt einen "bezaubernden, witzigen Theaterabend, Unterhaltungstheater für jung und alt, nicht mehr und nicht weniger." Da war er sich von Anfang an einig mit der britischen Choreografin, die 2012 bei der "Four Ladies Night" in Coburg schon einmal mit einer witzigen Tanzepisode zu erleben war. "Wir wollten nicht hochpsychologisch bohren." Was man bei diesem surrealen Stück Weltliteratur sehr wohl könnte, und was auch schon in tausend Varianten in sämtlichen Kunstgenres getan wurde.
Komisch und hintergründig
Aber nachdem Roland Fister 2013 mit seiner Musical-Opera "Das Bildnis des Dorian Gray" mit durchaus beklemmender Wirkung auch in die unterbewussten Schichten gezielt hatte, wollte er dann "mal was eher Heiteres machen, ein eher helles Stück." Was nicht heißt, dass es in dieser neuen großen Ballettproduktion des Landestheaters jetzt nur Getänzel geben wird. Da hätte man auch das falsche Stück gewählt. Denn nachdem das kleine Mädchen Alice ins Wunderland gefallen ist, hat sie dort eine Reihe zwar komischer, aber durchaus auch bedrängender Erlebnisse, bevor sie, mehr oder weniger erwachsen geworden, wieder zu sich und in die reale Welt oder wohin auch immer kommt, ganz klar wird das ja nicht. Es ist gerade das Ungeheuerliche, das Surreale, das die Leser und Interpreten bis heute beschäftigt, irritiert.
"Schon dass sich im Wunderland eigentlich keiner für Alice interessiert, dass sie ignoriert wird, ist doch befremdlich," findet Roland Fister. Die Teezeremonie, dieser starre stereotype Ablauf, dass alle feststecken in der Zeitschleife... Von dem Vorhaben der Königin am Schluss, alle Köpfe rollen zu lassen, gar nicht zu sprechen.
Doch mit einem gewaltigen intellektuellen Überbau wollten weder Fister noch Helliwell kommen. "Alles wird ganz leicht zu verfolgen und erkennbar sein", versichert Fister. All die skurrilen Charaktere, das bunte Wunderland, das bot für den Komponisten ein weites Feld der Inspiration. Das große Orchester des Landestheaters wird sich sinfonisch-filmisch ausbreiten dürfen; Figuren und Szenerien, der verrückte Hutmacher, der durchgeknallte Märzhase, sind leitmotivisch präsent in Fisters Musik. Von impressionistischer Stimmungsmalerei bis zu jazzig-swinghaften Momenten hat er sich keinen stilistischen Zwang angetan. "Ich denke, es ist sehr farbig geworden", beschreibt Fister seine Ballettmusik.
Dem entsprechend bedient sich auch Rosemary Helliwell der verschiedensten Tanzstile, vom Klassischen bis zum Pantomimischen, zur Charakterisierung der Figuren und der fantastischen Ereignisse. Und sicher wird sie sich keine Mühe geben, ihren britischen Humor zu verstecken... Helliwell holt sogar den Coburger Ballettchef Mark McClain nach vielen Jahren noch einmal tänzerisch auf die Bühne. "Er gibt den König. Ich will ja nichts verraten, aber das ist ganz großes Kino, das ist sehr witzig, was Mark McClain da macht", freut sich Roland Fister ganz offensichtlich.
Die einschüchternde Königin wird in der Produktion des Landestheaters übrigens Manuela Mazzei verkörpern, früheres Coburger Ensemblemitglied und seither als Tanzlehrerin hier etabliert. Dass sie ihre beiden verblüffenden Söhne mitbringen wird, braucht wohl kaum extra erwähnt zu werden.
Trickhaft ins Wunderland
Ausstatter Till Kuhnert wiederum will tief in die Trickkiste greifen, um das Wunderland aus dem Handlungsrahmen, der realen Szenerie entstehen zu lassen. Die konstruieren Fister und Helliwell als großen Bahnhof mit vielen Leuten, auf dem das Mädchen Alice von einer bösen alten Dame bedrängt wird. Die beschuldigt Alice, sie mit einer Steinschleuder angegriffen zu haben. Alice im Wunderland. Ballett von Rosemary Helliwell; Musik von Roland Fister, Bühnenbild und Kostüme Till Kuhnert. Darsteller Lucia Colom/Mireia Martinez Pineda alternierend als Alice, Jaume Costa i Guerrero (Lewis Carroll), Federico Frigo (Weißer Hase) und die gesamte Compagnie in vielen Rollen. Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg.
Premiere Samstag, 18. März, 19.30 Uhr, Großes Haus
Rosemary Helliwell, aus England stammend und lange als Tänzerin und Choreografin am Stuttgarter Ballett engagiert, erarbeitete unter anderem Choreografien für die Stuttgarter Primaballerina Marcia Haydee. Ihre freie Tätigkeit als Choreografin führte sie auch zum London City Ballet, National Ballet of Finland, Irish National Ballet oder zum Ballett des Nationaltheaters Mannheim. Seit 1984 hat Rosemary Helliwell einen Lehrauftrag an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim, wo sie mittlerweile als Professorin für Klassischen Tanz an der Akademie des Tanzes tätig