Druckartikel: Airsoft: Zwischen Waffengesetz und Hobby

Airsoft: Zwischen Waffengesetz und Hobby


Autor: Thomas Heuchling

Lauterbach (Hessen), Dienstag, 21. Oktober 2014

Nur wenige andere Hobbys haben so viele Reibungspunkte mit dem Waffengesetz wie Airsoft. Einen schlechten Ruf hat es auch noch. Wie fühlt es sich an, mit einer Waffenattrappe auf andere zu schießen?
Airsoft-Spieler hantieren mit Waffenattrappen, die echten Waffen oft sehr ähnlich sehen. Taktik und Teamgeist ist bei diesem Hobby auch gefragt.   Fotos: Thomas Heuchling


Das Maschinengewehr liegt schwer in der Hand. Die sechseinhalb Kilogramm Metall und Technik verschießen bis zu 2000 Schuss pro Minute. Meine Team-Kollegen haben gesagt, ich soll gleich die Treppe hinauf, warten und schießen.

Unter der Netzmaske beschlägt meine Brille, einen Finger am Abzug und einen am Sicherheitsknopf, warte ich. Der gellende Ton einer Sirene gibt das Startsignal: klassisches Deathmatch, Team Gelb gegen Rot. Fast ausschließlich junge Männer in Militärkleidung rennen mit Maschinenpistolen los, eine Kalaschnikow erkenne ich.
Grund zur Sorge gibt es trotz der martialisch anmutenden und schwer bewaffneten Männer nicht.

Die Waffen schießen nur mit Plastikkügelchen, etwas kleiner als eine Erbse. Bis zu einer Mündungsenergie von 0,5 Joule (ein Luftgewehr hat 7,5 Joule) sind es Spielzeuge, die ab 14 Jahren erhältlich sind. Größtenteils sehen sie wie echte Waffen aus und fühlen sich auch so an. Airsoft heißt der Sport, der in Deutschland nicht als solcher anerkannt ist.

Meine Teamkollegen gehören den "Franconian Vipers" an. Zwischen 14 bis Mitte 30 Jahre sind sie, kommen aus Coburg, Bamberg oder Bayreuth. Der harte Kern sind sechs bis zehn Leute. Wie schießwütige Freizeitrambos oder potenziell gefährlich - gängige Vorurteile gegenüber Airsoft-Spielern - verhalten sie sich nicht, eher wie Jungs die Spaß haben wollen.


Airsoft-Team aus Franken
Team-Chef der "Franconian Vipers" ist Steffen Heubner aus Ebersdorf bei Coburg, Rufname Heubi. Seit sechs Jahren spielt er Airsoft. Vorher hat er Paintball versucht, das sei aber nichts für ihn. Die Treffer der murmelgroßen Farbkugeln seien zu schmerzhaft. "Das soll jetzt aber nicht nach Weichei oder so klingen", sagt er.
Zudem habe ihn Waffentechnik schon immer interessiert. Der 25-Jährige arbeitet als Maschinenführer.

Heute verschießt er mit einem akkubetriebenen Motor und einer Feder in seiner "MP5" Plastikkugeln auf seine Freunde und andere Airsoftler. "Es ist schon ein gutes Gefühl, wenn ich meine Waffe in der Hand habe", sagt Heubi. Inzwischen läuft das Spiel in der zweistöckigen Halle im hessischen Lauterbach seit ein paar Sekunden. In Lauerstellung, mit viel Adrenalin im Körper, warte ich, dass jemand in mein Schussfeld läuft. Rund 20 Meter entfernt, an einem Fenster bewegt sich etwas. Feuer! Rattern und Prasseln ist zu hören. Die vollautomatische Waffe spuckt einen Strahl von kleinen weißen Plastikkugeln aus. "Hit" (Treffer) ruft jemand, hebt die Hände und geht zurück in seine Startzone.

Wer getroffen wird, muss ehrlich sein. "Highlander" werden jene genannt, die es damit nicht so genau nehmen. Und ja: Es macht Spaß - Adrenalin, Wettkampf und die Waffe ziehen mich in ihren Bann. Einige Stunden zuvor, auf der Autofahrt von Ebersdorf ins 200 Kilometer entfernte Lauterbach, haben Team-Chef Heubner und sein Stellvertreter Daniel Schardt mir viel über Airsoft, ihre Ansichten und den Reiz dahinter erzählt. Der 33-jährige Schardt ist Kassierer und kümmert sich bei den " Vipers" auch um die Neulingsbetreuung.

Ab 14, mit Einverständnis der Eltern, könne man mit einer Leihausrüstung und 2000 Schuss am Wochenende zu einem Spielfeld mitfahren, erklärt er. Für die "Vipers" heißt das: raus aus Bayern. "Denn hier gibt es keine legalen Spielfelder und nur darauf spielen wir", sagt Heubner. Oft gehe es nach Tschechien oder Richtung Norden. Das Spielfeld im hessischen Lauterbach sei legal, gemietet, bei der Gemeinde angemeldet und es werde sich an die Gesetze gehalten, versichern die Betreiber.

An der Tür zum Eingang hängen Zettel mit Regeln und der Satzung des örtlichen Softair-Clubs. Maximal 0,5 Joule sind erlaubt. Überhaupt dreht sich in den Gesprächen viel um diese Energiegröße. Denn bis zu mehrere Joule können die Druckluftwaffen haben. "Wer sagt, Airsoft hat nichts mit Krieg zu tun, der lügt", sagt Heubner. Er weiß, dass dieser Satz von einigen in der Szene nicht gern gehört wird. Aber Heubner will Airsoft aus der Schmuddel-Ecke holen.


Keine Gelände zu bekommen
Das schlechte Image hat das fränkische Team erst vor wenigen Wochen wieder am eigenen Leib erfahren. Im Stadtrat des thüringischen Hildburghausen scheiterten sie, ein Gelände zu pachten. Auch dort die bekannten Vorwürfe: Kriegsverherrlichung und Airsoft baue die Hemmung ab, eine Schusswaffe abzufeuern. Heubner und seine Team-Kollegen kennen all diese Vorbehalte. Sie argumentieren mit dem sportlichen Aspekt eines taktischen Geländespiels und dem Spaß. Er betont, dass es den Leuten in seinem Team nur darum gehe.


Unterschiedliche Gruppierungen
Fun-Gamer nennen sie sich und wollen sich damit klar zu anderen Spielarten innerhalb der Szene abgrenzen. Allen voran das MilSim (kurz für Militär- Simulation). Dort gilt der Grundsatz, real existierende Einheiten wie KSK oder Delta Force so genau wie möglich von Aussehen, Ausrüstung und Taktik nachzustellen. Heubner kennt solche Teams und akzeptiert deren Leidenschaft. Für ihn und die "Franconian Vipers" sei das aber nichts.
Aber warum tragen fast alle Tarnanzüge? Wegen der Funktionalität der Kleidung, sagt Heubner. Die authentische Ausrüstung ist wohl das größte Problem von Airsoft.

Denn verharmlosen sollte man das Aussehen der Waffen nicht. "Deshalb ist es wichtig, dass die Spieler damit gewissenhaft umgehen", sagt Heubner. Sein Team transportiere die Waffen nur in abgeschlossenen Taschen. Munition, Akku oder Gas, alles was das Gewehr schussfähig mache, in einem separaten Fach. Im deutschen Waffengesetz kennt sich Heubner gut aus. Dass es auch Leute gebe, die es mit den Regeln nicht so genau nehmen, streitet er nicht ab: "Aber schwarze Schafe gibt es überall."

Beim Spiel in Lauterbach habe ich trotz der enormen Feuerkraft meines Maschinengewehrs schon mehrere Treffer abbekommen - tat kaum weh, war eher ein Zwicken. "Wird der Energiegrenzwert von 0,5 Joule eingehalten, ist nicht mit ernsthaften Verletzungen zu rechnen", heißt es in einer vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebenen Studie. Aus den Lautsprechern in der Lauterbacher Halle werden tief fliegende Düsenjets und andere Geräusche für die richtige Atmosphäre eingespielt. Ja, es fühlt sich wie Krieg an. Aber so viele lachende Gesichter und Spaß gibt es eben auch nur bei einem Spiel.


Herkunft, Grundlegendes sowie Gesetzte und Regeln zu Airsoft

Ursprung Airsoft oder Softair stammt aus Japan. Während der amerikanischen Besatzung, nach dem Zweiten Weltkrieg, waren Schusswaffen für die japanische Bevölkerung verboten. Daher stellten japanische Firmen Waffenrepliken aus Kunststoff her.

Gesetze Softair-Waffen fallen juristisch betrachtet unter den Begriff der Anscheinswaffen. Sie dürfen nach einer Änderung des Waffengesetzes von 2008 nicht mehr geführt werden. Ihr Besitz ist aber weiter möglich. Laut Gesetz sind Softair-Waffen Schusswaffen, bei denen mit geringer Energie Plastikkugeln verschossen werden können. Sie sind vom Waffengesetz befreite Spielzeuge, sofern sie eine Geschossenergiegrenze von 0,5 Joule nicht überschreiten.

Zahlen Verlässliche Zahlen über Airsoft gibt es kaum, da es keinen Verband gibt. Verschiedene Initiativen streben eine Anerkennung als offiziellen Sport an. Die Internetplattform "Airsoft-Verzeichnis" ist die größte Community-Seite in Deutschland. Dort seien über 10.000 Spieler registriert.