Abschluss mit Diva bei der Gala
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Freitag, 24. April 2015
Mit fast 600 Besuchern an vier lebendigen Leseabenden erwiesen sich auch die 12. Literaturtage als Eckstein im Coburger Kulturleben. Die Autorengala am Donnerstag wurde von Michael Köhlmeier im angestrebten Sinne gestaltet.
Eine Autorengala kann als gelungen bezeichnet werden, wenn sie ihrem hohen Anspruch gerecht wurde, also mehr war als eine Autorenlesung. Zum Abschluss der 12. Coburger Literaturtage - die mit fast 600 Besuchern an vier vielseitigen Leseabenden rundum gelungen sind - hatten die Veranstalter (Buchhandlung Riemann, Literaturkreis,Vhs und verschiedene Einzelkämpfer) Michael Köhlmeier eingeladen.
Der Österreicher mit Coburger Wurzeln fühlte sich bei seinem "Heimspiel" offensichtlich so munter und fidel, dass er diese Gala nicht nur zum Lesequerschnitt durch sein vielseitiges und vielfach ausgezeichnetes Werk nutzte. In launigem Plaudern und Geschichtenerzählen ließ er sein freudiges Publikum zudem ein in seine familiäre Vergangenheit. In einer seiner vielen Werke, "Bleib über Nacht", hat er ja tatsächlich die Begegnung seiner Coburger Mutter mit seinem österreichischen Vater im Hofgarten literarisch gefasst, selbstverständlich schön überhöht.
Jedes Ostern fuhr die in Vorarlberg bergig lebende Familie an den Ort, der für Köhlmeier in Kindertagen der Inbegriff der großen Stadt war, nach Coburg. Im Wechsel mit seiner Schwester durfte er jedes zweite Jahr die großen Sommerferien hier verbringen. Am Donnerstag "bin ich den ganzen Tag hier rumgelaufen", berichtete Köhlmeier mit Verzückung im Gesicht. Gefällig ließ er zudem seine Zuhörer teilhaben an seinem Schaffensprozess, der offensichtlich mindestens so lustvoll, lebendig und vielseitig wie das Leben selbst ist. Wenn seine Figuren zu ihm kommen, stellen sie mitunter große Anforderungen an ihn. Wenn einer ein Mathematiker wie Carl Jacob Candoris in "Abendland" ist, dann muss Köhlmeier zum Mathematiker werden, um ihm gerecht zu werden (was er ja aber auch studiert hat). Wenn einer ein Briefmarkenfreak ist, was spielt es da für eine Rolle, ob sich Köhlmeier selbst für Briefmarken interessiert oder nicht? Er hat zu spuren.
Sein Sebastian Lucasser, der demnächst wieder Hauptfigur werden soll, ist Köhlmeiers mutwilliges Alter Ego, das gibt er gerne zu. Der hat viel mehr Freiheit als er selbst, was der Gala-Gast sehr genießt.
Etwas Geheimnisvolles bleibt
Gelesen hat Köhlmeier übrigens auch, und wie, eher leise, aber so szenisch intensiv, dass seine Zuhörer schnell versinken konnten in seinen Menschen-Geschichten, die in all ihrer psychologisch tiefgründigen Erfassung von Leben stets einen geheimnisvollen Bereich wahren: Ein bisschen aus seinem Großwerk "Abendland", besonders eindringlich aber "Unter Dieben", die Kurzgeschichten aus dem Zyklus "Bevor Max kam". Habe ich schon bemerkt, dass Michael Köhlmeier seinen speziellen subtilen Humor pflegt?
Berühmt ist der Autor ja auch für die vielen Stunden, in denen er die griechischen Sagen für den ORF und den Bayerischen Rundfunk nacherzählt hat, nach wie vor auf CD oder auf YouTube erhältlich. Nicht gelesen hat Köhlmeier aus seinem neuen Buch "Zwei Herren am Strand", das im fiktiven Gespräch zwischen Winston Churchill und Charly Chaplin, die tatsächlich befreundet waren, durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts streift. Köhlmeier muss ja tatsächlich keine Werbung machen für ein neues Werk.
Da nutzte er viel lieber die Gunst der Stunde, mit seinem Coburger Publikum zu schwelgen und zu schweifen. Da hatte "Coburg liest" diesmal aber eine herrliche Diva für seine Gala gefunden.
Michael Köhlmeier, geboren 1949 in Vorarlberg, studierte Politikwissenschaft und Germanistik, Mathematik und Philosophie. Er wurde in den 70er Jahren mit Hörspielen im Österreichischen Rundfunk und mit kürzeren Prosatexten als Schriftsteller bekannt. Auch musikalisch war Köhlmeier unterwegs.
Seit Anfang der 80er Jahre ist ein umfangreiches Romanwerk entstanden, neben einer großen Zahl von kürzeren Texten und feuilletonistischen Beiträgen. Seine Romane sind zum Teil auch als Hörbücher erschienen, darunter "Madalyn". Sehr erfolgreich waren seine vom Radiosender Ö1 ausgestrahlten freien Nacherzählungen antiker Sagenstoffe und biblischer Geschichten. Ab 2007 kam auf BR-alpha die 80-teilige Sendereihe "Mythen - Michael Köhlmeier erzählt Sagen des klassischen Altertums" . Ebenfalls 2007 wurde dort die 42 Folgen umfassende Serie "Köhlmeiers Märchen" gezeigt. Köhlmeier lebt in Hohenems und Wien. Zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen. wp