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12. Coburger Literaturtage: Wie der Großvater von Sabine Kray überlebte


Autor: Dr. Carolin Herrmann

Coburg, Mittwoch, 15. April 2015

Mit Sabine Kray präsentiert der Roman-Marathon bei den 12. Coburger Literaturtagen wieder eine ungewöhnliche Debütantin. Jan Weiler und Michael Köhlmeier kommen nach Coburg.
Sabine Krays Großvater Edward 1957 in Griechenland. Repro: Sabine Kray


Die überraschendsten, spannendsten Entdeckungen gibt es meist beim Roman-Marathon. Nicht nur mit der Präsentation von literarischen Debütanten haben die Koordinatoren von "Coburg liest", Vertreter der Buchhandlung Riemann, des Literaturkreises und der Volkshochschule, immer wieder Gespür bewiesen. Sie blicken für diese lange Nacht der Bücher auch zu den durchaus Etablierten, die nicht ständig im Rampenlicht stehen, deswegen aber nicht weniger intensive Leseerlebnisse bieten können. Am Samstag zum Auftakt der zwölften Coburger Literaturtage kommen Kathrin Groß-Striffler, die für ihren Roman "Die Hütte" 2003 den Alfred-Döblin-Preis erhielt. Christoph Peters war 2012 in der Longlist des Deutschen Buchpreises.

Doch blicken wir hier schon einmal auf die Debütantin dieses Jahres: Sabine Kray, die mit ihrem nahe gehenden Roman "Diamanten Eddie" einen Aspekt der deutsch-europäischen Geschichte eröffnet, der bisher meist nur in zweiter Linie ins Blickfeld geriet: Das Los der osteuropäischen Zwangsarbeiter im Nazi-Deutschland.

Wieder, wie bei Katja Petrowskaja, die im Oktober zu Gast beim Literaturkreis war, ist es die übernächste Generation, die sich dem Schrecken der noch immer sehr nahe liegenden (Familien-) Geschichte Europas auf eine Weise zu nähern vermag, die ohne ideologische Vor- und Zwangseinstellungen Mitgefühl und Verständnis eröffnet - bei gleichzeitig packendem Roman-Leseerlebnis wohlbemerkt.

Die Geschichte des 1939 mit 15 Jahren aus Polen verschleppten Edward, der während des Krieges als rechtloser Sklave unter unmenschlichen Bedingungen in den Jungkers Flugzeug- und Motorenwerken in Köthen, Anhalt, schuftet, ist gleichzeitig - parallel erzählt - die kuriose Geschichte des Diamenten- und Pelz-Diebes und großmütigen Lebemannes Edward Kray.

Der war Sabine Krays Großvater, den sie nie kennenlernte, der aber in Erzählungen und Anspielungen ihrer Eltern immer wieder präsent wurde. Irgendwann drängte es die 1984 in Göttingen geborene, in Berlin lebende Übersetzerin, diesen Großvater zu finden, zumindest für ihre Vorstellung. Sie reiste quer durch Europa, forschte in Archiven und traf sich mit allen Zeitzeugen, der sie habhaft werden konnte, mit den Menschen in Edwards Heimatstadt Zamosz, wo 1939 bei einem der ersten Bombenangriffen der Deutschen Edwards Familie ausgelöscht wird, bis zu den Gaunern und Halbweltgestalten in Mönchengladbach, wo ihr Großvater lebte und "arbeitete".

Unmenschliche Bedingungen

Dann wurde nicht nur ein 700 Seiten umfassendes, durchaus humorvoll gezeichnetes Porträt daraus, sondern auch eine lebendige Darstellung von Zeitgeschichte, von Kriegsleid, der Grausamkeit des Menschen, von Momenten trotz aller Qual aufrecht erhaltener Würde, von deutschem Nachkriegsmilieu, von Überlebensgeist und gewitztem Einfallsreichtum.

Sabine Kray hat sich mit diesem ersten Roman nicht als außergewöhnliche Erzählerin und Darstellerin tiefreichender Psychogramme präsentiert. Es bleibt eine gewisse Distanziertheit, Kühle, die vielfach grauenvollen Geschehnisse nicht zu nah heranlassend - was ja durchaus seinen Sinn für Erzählerin wie Leser hat.

Doch die Geschehnisse an sich, die packenden Dialoge, die überlegene Auswahl und Abfolge des Dargestellten, die geschickte Skizzierung der Szenen aus dem Leben des ganz jungen wie des älteren Edward lassen den Leser nicht mehr los. - Schauen und hören wir doch mal, was diese junge Autorin direkt und livehaftig zu erzählen hat- am Samstag beim Roman-Marathon in der Reithalle.

Roman-Marathon mit Sabine Kray, Kathrin Groß-Striffler ("Zum Meer") und Christoph Peters ("Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln"); Samstag, 18. April, 19 Uhr in der Reithalle. Musikalische Umrahmung durch Phi lipp Grzondziel, Klarinette, und Diana Zohrabyan, Klavier, vom Landestheater Coburg.

Alltagskomik Am Montag, 20. April, um 20 Uhr liest der Satiriker und Kolumnist Jan Weiler im Contakt aus seinem Buch "Das Pubertier".

Schlimme Finger Im Schwurgerichtssaal der Justizbehörden stellt das Bamberger Autoren-Ehepaar Gudrun Schury und Rolf-Bernhard Essig am Dienstag, 21. April, um 20 Uhr sein neuestes Gemeinschaftswerk vor: "Schlimme Finger. Eine Kriminalgeschichte der Künste". Die Coburger Kantorei unter Leitung von Stadtkantor Peter Stenglein präsentiert ein "Ave Maria", das Karl May komponiert hat.

Literatur in den Häusern der Stadt Das Schauspielensemble stellt am 22. April bei privaten Gastgebern Lieblingsbücher vor. Infos auf der Homepage des Landestheaters.

Autoren-Gala Am Donnerstag, 23. April, um 20 Uhr wird im großen Saal von St. Augustin Michael Köhlmeier erwartet. Für sein Opus magnum "Abendland", aber auch Romane wie "Madalyn" und "Die Abenteuer des Joel Spazierer" oder der Gedichtband "Der Liebhaber bald nach dem Frühstück" wurde er vielfach ausgezeichnet.

Vorverkauf Karten gibt es in der Buchhandlung Riemann am Markt, für die einzelnen Autorenlesungen zu 12 Euro, 18 Euro für den Roman-Marathon. Abendkasse: 15 und 23 Euro. Schüler und Studenten zahlen 5 Euro. Vorverkauf (5 Euro) für "Literatur in den Häusern unserer Stadt" nur an der Kasse des Landestheaters. Weitere Informationen unter www.coburgliest.de.