Druckartikel: Wer sind die legitimen Nachfolger?

Wer sind die legitimen Nachfolger?


Autor: Monika Beer

Bayreuth, Donnerstag, 21. Februar 2013

Wer in der Familie Richard Wagners erbberechtigt war, wurde zunächst ziemlich nonchalant zugunsten der Siegfried-Familie geregelt. Und wird offenbar bis heute so praktiziert.
Winifred und Siegfried Wagner 1924 vor dem Königsbau des Festspielhauses. Fünf Jahre später unterschrieben sie ihr Testament. Vorlage: Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung


Als Richard Wagner am 13. Februar 1883 in Venedig starb, regelte kein Testament sein Erbe. Er hinterließ seiner Familie mit dem Festspielhaus und der Villa Wahnfried zwei stattliche Immobilien, aber auch den hoch verschuldeten Festspielbetrieb. Seine Witwe Cosima als Vorerbin des gemeinsamen Sohns Siegfried musste bis 1906 die Schulden des defizitären Familienunternehmens abzahlen. Aber schon in ihrer Ära wurden die Festspiele auch im Kartenbüro zu einem Erfolg. Darüber hinaus brachten Wagners Werke, die mit Ausnahme des "Parsifal" fast schon weltweit gespielt wurden, Tantiemen in die Familienkasse.

Der Erbe Richard Wagners war Siegfried, sein einziger Sohn. Zwar wurde er am 6. Juni 1869 noch unehelich geboren, seine Taufe fand erst im Jahr darauf und gezielt nach der Hochzeit seiner Eltern am 4. September 1870 statt. Weder Tochter Eva, die nach ihrer späten Heirat mit Houston Stewart Chamberlain kinderlos blieb, noch Tochter Isolde, die 1901 mit Sohn Franz Beidler den ersten Wagner-Enkel gebar und 1913 vergeblich versuchte, ihre Herkunft gerichtlich klären zu lassen, galten rechtlich je als legitime Wagner-Nachkommen.

Schon damals kam, weil Siegfried noch unverheiratet war, erstmals der Gedanke an eine Stiftung auf. Nach der Hochzeit und dem sich bald einstellenden Nachwuchs war diese seine Erbfolge erst mal gesichert. 1929 verfassten Siegfried und Winifred Wagner ein Testament, worin sich die Eheleute im Todesfall eines Gatten gegenseitig als Vorerben für ihre vier Kinder einsetzten. Der Erbfall würde mit dem Tod des überlebenden Gatten bzw. mit einer Wiederverheiratung eintreten. Außerdem wurde eine Veräußerung des Festspielhauses ausgeschlossen und seine Nutzung festgeschrieben.

Siegfried Wagner starb 1930, seine Witwe blieb bis 1944 Leiterin der Festspiele und bis 1973 Eigentümerin des Festspielhauses. Wegen ihrer engen Verbindung zum NS-Regime musste Winifred nach dem Zweiten Weltkrieg die Leitung der Festspiele abgeben, verfügte aber nach wie vor über den Theaterbau. Zugunsten ihrer Söhne Wieland und Wolfgang umging sie die testamentarisch festgelegte Gleichberechtigung ihrer vier Kinder und vermietete das Festspielhaus 1949 an die Söhne, die nun die Festspiele in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts leiteten.

Der Protest der Töchter Friedelind und Verena verhallte ungehört. Sie bekamen zwar später ihren monetären Anteil am Erbe, blieben aber hinsichtlich der Festspielleitung ausgebremst. 1966 starb Wieland Wagner und Wolfgang übernahm alleinig die Festspielleitung. Um den Ausverkauf der Archive zu verhindern und den Bestand der Festspiele zu sichern, entschloss sich die Familie 1973 zur Gründung der Richard-Wagner-Stiftung, die seitdem Eigentümerin des Festspielhauses ist.

Laut Satzung soll das Festspielhaus an ein Mitglied der Familie Wagner als eigenverantwortlichen Unternehmer vermietet werden, wenn der Stiftungsrat dieses Mitglied für die Leitung der Festspiele für geeignet befindet. Und wie schon 1949 wurde aus juristischer Sicht der personalrechtliche Vorgang der Installierung einer künstlerischen Intendanz über den sachenrechtlichen Vorgang eines Mietvertrags geregelt. Wolfgang Wagner war dieser Mieter, bis er 1986 eine GmbH - die Bayreuther Festspiele GmbH - gründete, mit sich als alleinigem Gesellschafter und Geschäftsführer.

Nach seinem Rücktritt 2008 übertrug er die Geschäftsanteile der GmbH zu je 25 Prozent an die Bundesrepublik Deutschland, den Freistaat Bayern, die Stadt Bayreuth sowie an den mäzenatischen Verein der "Gesellschaft der Freunde Bayreuths". Nicht ohne vorab mit einem Nachfolge-Brief dafür gesorgt zu haben, dass der Stiftungsrat tunlichst seine Töchter Eva und Katharina küren würde. Mieter des Festspielhauses ist seit 2008 eine GmbH mehrheitlich der öffentlichen Hand, die ihrerseits Verträge mit der derzeitigen Festspielleitung als Geschäftsführerinnen abgeschlossen hat, ohne dass der Stiftungsrat genauere Kenntnis vom Inhalt dieser Verträge der Festspielleiterinnen hat.

Ein neuer Mietvertrag zwischen Stiftung und GmbH wurde nicht abgeschlossen, ebenso wenig wurde geklärt, ob dieser Mietvertrag an die Dauer der jeweiligen Festspielleitung gekoppelt ist. Es ist daher derzeit unter anderem strittig, ob der mit Wolfgang Wagner bzw. der GmbH 1986 abgeschlossene Vertrag weiter gilt, ob er neu verhandelt werden müsste und ob der Verwaltungsrat der Festspiele GmbH als Mieter des Hauses ohne Mitwirkung der Stiftung über eine Fortsetzung der Verträge der beiden amtierenden Wagner-Damen verhandeln kann. Aufgrund der rechtlichen Konstruktion war es bisher offenbar auch nicht möglich, den Posten eines kaufmännischen Geschäftsführers zu besetzen.

Über die gegebene Fülle von nicht nur juristisch pikanten Details, die auch die Villa Wahnfried betreffen, die seit 1973 der Stadt Bayreuth gehört, befasst sich am 23. Februar in Wiesbaden das Symposium "Kulturstiftungen: Gründung - Führung - Kontrolle", das im ersten Teil über stiftungsrechtliche Grundlagen informiert und im zweiten Teil als Beispiel die Richard-Wagner-Stiftung beleuchtet. Referenten dieser Veranstaltung der EBS Law School in Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg sind vor allem juristische Experten, aber auch Regierungspräsident Wilhelm Wenning, Vorsitzender der Richard-Wagner-Stiftung, sowie Nike Wagner, Autorin und Leiterin des Kunstfests Weimar. Man darf gespannt sein, was die Tagung bringt.

Die an einem 21. Februar uraufgeführten, überwiegend komischen Opern wie "Le Petit souper" von Victor Dourlen (1822 in Paris), "Caritea, Regina di Spagna" von Saverio Mercadante (1826 in Venedig) und "La poupée de Nuremberg" von Adolphe Adam (1852 in Paris) kennt heute keiner mehr. Aber ein großer Renner ist geblieben: Die 1886 in der Fassung von Nikolai Rimski-Korsakow in Sankt Petersburg erstmals gespielte Oper "Chowanschtschina" von Modest Petrowitsch Mussorgski, die aktuell in einer umjubelten Inszenierung von Dmitri Tcherniakov und unter Kent Nagano an der Bayerischen Staatsoper zu erleben ist.