Wenn Bobbys butterweich werden
Autor: Monika Beer
Hof, Sonntag, 02. Dezember 2012
Mit der britischen Operette "Die Piraten" hat das Theater Hof einen Publikumsrenner im Programm - und gastiert damit in Bayreuth, Bamberg, Selb, Aschaffenburg und Schweinfurt.
Es weihnachtet sehr. Auf den Bühnen sprießen traditionsgemäß märchenhaft-unterhaltsame Stücke nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene - und im Idealfall für alle zusammen: zum Beispiel am Theater Hof, mit der hierzulande immer noch eher unbekannten Operette "Die Piraten" des britischen Erfolgsduos Gilbert & Sullivan. Am Freitag wurde Premiere gefeiert. Es wird sich schnell herumsprechen, dass es sich lohnt.
In England sind die Operetten von William Schwenck Gilbert (Text) und Arthur Sullivan (Musik) mindestens genauso populär wie im deutschsprachigen Raum einschlägige Werke von Johann Strauß. Warum sie erst allmählich auch bei uns nicht nur als Rarität firmieren, hat damit zu tun, dass ihre spezifische Komik, ihr Sprachwitz im O-Ton für unsereins nur bedingt verständlich ist und sich gar nicht so einfach ins Deutsche übertragen lässt.
Privat reimt sich auf Pirat
Im Gegenteil. Wie schwierig das ist, lässt sich auch an der neuen deutschen Übersetzung der 1880 uraufgeführten "Pirates of Penzance" von Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting ablesen, die schon Bühnen in Wien, Berlin, Passau und München enterte und - in Kooperation mit dem Staatstheater am Gärtnerplatz - jetzt auch in Hof vor Anker ging. Ausgangspunkt der Handlung ist nämlich, dass die schwerhörige Nanny Ruth falsch verstanden hat, als was bzw. wie ihr Zögling Frederic ausgebildet werden soll.
Im Original soll der Jüngling "pilot", also Lotse, und nicht "pirate" werden. Weil Ersterer sich aber nicht auf den Piraten reimt - schon gar nicht als Stabreim! -, haben die findigen Übersetzerinnen sich auf eine Privatschule als Ausbildungsstätte besonnen. Privat reimt sich prima auf Pirat - und eröffnet Regisseur Holger Seitz, der schon den Münchner Publikumsrenner inszenierte, die Möglichkeit zu betonen, dass das Stück eher von braven Bürgern handelt und nicht von ungezügelten Seeräubern.
Alle sind Sklaven ihrer Pflicht
Was werktreu ist, denn schon im Untertitel heißt das Stück konterkarierend "Der Sklave der Pflicht". Als solcher offenbart sich besagter Frederic, aber auch andere Gentlemen - ob Polizist, Privatier oder Pirat - werden hier in die Pflicht genommen. Selbstredend nicht nur aus gesellschaftlichen Gründen, sondern auch, weil die holde Weiblichkeit in dieser Operette sehr geballt auftritt und den Herren schnatternd, aber sehr entschlossen auf die Sprünge hilft.
Schon während der Ouvertüre wird ein erster kurzer Blick ins vermeintlich wilde Piratenleben an der zerklüfteten Küste Cornwalls gewährt (stimmige Kulissenbühne: Herbert Buckmiller). Zwar hat die "Iron Lady" eine Totenkopfflagge gehisst, aber die wenig grimmigen Korsaren (historisierende Kostüme: Götz Lanzelot Fischer) pflegen einen Zeitvertreib wie englische Landlords.
Barmherzigkeit trotz Entermesser
Letztlich sind sie auch welche, nur eben ohne Titel, Grund- und Immobilienbesitz, lauter spätgeborene Söhne, für die es nichts mehr zu erben gab, nicht mal den Posten beim Militär oder als Pfarrer. Warum die Piraten trotz Augenklappe und Entermesser pleite sind, wird schnell klar: Ihr genuin bürgerlicher Ehrenkodex verbietet ihnen explizit, sich an Waisen zu vergreifen, was eine geradezu explosionsartige Verbreitung von vermeintlich elternlosen Figuren nach sich zieht.
Mehr braucht von der Handlung nicht verraten werden. Denn die sehr körperbetonte und mit großer Präzision einstudierte Inszenierung (Choreographie: Fiona Copley und Holger Seitz) rückt die Hauptfiguren und die mindestens genauso wichtigen kompakten chorischen Gruppen so gekonnt ins Bild, dass kaum ein Auge trocken bleibt. Vor allem nicht bei den von Sergeant Jürgen Schultz angeführten Angsthasen-Bobbys, deren hinreißender Tanz mit dem Schlagstock einen gleichzeitig an Charly Chaplin, Loriot und die Monty Pythons denken lässt.
Gute Laune ist garantiert
Inga Lisa Lehr als Mabel spielt und singt alle an die Wand und lässt nur in punkto Wortverständlichkeit noch Wünsche offen. Mathias Frey wirft sich mit sängerdarstellerischer und komödiantischer Verve in die Rolle des Frederic, den nicht nur Stefanie Rhaues sonore Ruth, sondern jede Frau gerne hätte, ob auf, vor oder hinter der Bühne. Jens Waldig als Piratenkönig, Karsten Jesgarz als Generalmajor Stanley sowie die weiteren Solisten und Choristen sorgen mit für eine runde Ensembleleistung.
Man möchte diesen Abend auch deshalb nicht missen, weil die kontrastreiche Musik mit ihrer Fülle an ironischen Anspielungen und Zitaten ein Vergnügen für sich ist. Chefdirigent Arn Goerke und die Hofer Symphoniker glänzten gleich bei der Ouvertüre mit Leichtigkeit, rhythmischer Prägnanz und Geläufigkeit, dass sich sofort jene gute Laune einstellte, die diese Produktion verströmt. Da störten auch die paar Wackler bei der Koordination von Chor- und Orchesterstimmen nicht.
Termine und Karten
Hof Die "Piraten" gehen im Hofer Stammhaus bis Februar noch zwölf Mal an Bord, und zwar im Dezember am 8., 9. (2x), 11., 12. und 31., im Januar am 19., 20. (2x), 26. und 27. sowie am 8. Februar; Karten-Telefon 09281/7070-290. Sie entern außerdem bei Gastspielen weitere Bühnen in Ober- und Unterfranken wie folgt:
Bayreuth Stadthalle, Großes Haus, 26., 27. (2x) und 28. Dezember; Karten-Telefon 0921/69001, www.theaterkasse-bayreuth.de/
Bamberg E.T.A.-Hoffmann-Theater, Großes Haus, am 11., 12. und 13. Januar; Karten-Telefon 0951/873030, www.theater-bamberg.de/
Selb Rosenthaltheater, 21. März, Karten-Telefon 09287/79301, http://www.selb.de/theater
Aschaffenburg Stadthalle, 3. und 4. April, Karten-Telefon 06021/3301888, www.stadttheater-aschaffenburg.de/
Schweinfurt Stadttheater, 12. Mai, Karten-Telefon 09721/514955,www.theaterschweinfurt.de/