"Wer macht es richtig?" Tschechiens Atompläne ecken in Bayern an - aber nicht nur
Autor: Agentur dpa, Strahinja Bućan
Prag, Mittwoch, 09. November 2022
Wenn es um die Atomkraft geht, entfernen sich die Nachbarländer Tschechien und Deutschland immer weiter voneinander. So sorgt die Suche nach einem Atommüll-Endlager für Sorgenfalten in Bayern - denn ein heißer Kandidat liegt nur einen Steinwurf von der Grenze entfernt. Und auch die Pläne für sogenannte Mini-Akws lösen wenig Begeisterung aus in den Grenzgemeinden.
2030 soll klar sein, wo der tschechische Atommüll lagern soll. Bisher befinden sich die Kastoren auf dem Gelände der beiden Atomkraftwerke Temelín und Dukovany. Spätestens 2065 sollen die radioaktiven Abfälle in Endlagern ihre letzte Ruhestätte finden. Die Suche nach einem möglichen Standort läuft schon seit Jahren. Nötig wird das vor allem auch, da die beiden bestehenden AKWs mittelfristig vergrößert werden sollen. Ende 2020 nickte die damalige Regierung in Prag fünf Favoriten ab - darunter auch das Projekt "Březový potok" im Raum Klatovy. Dieser Plan hat jedoch internationale Brisanz, denn die westböhmische Gemeinde liegt nur wenige Dutzend Kilometer von der bayerischen Grenze entfernt.
Die zuständige Atommüll-Behörde SÚRAO ist optimistisch, schon bald einen geeigneten Standort bestimmen zu können. Eine Entscheidung soll 2025 fallen, bis dahin laufen Probebohrungen in den fünf Favoriten-Regionen. Aus der Prager Institution versichert man: "Tschechien verfügt über ein hoch entwickeltes Programm zur Vorbereitung eines Endlagers, einschließlich kompetenter Institutionen und Fachleute, die sich mit dieser Problematik beschäftigen", hieß es Anfang des Jahres gegenüber der Presseagentur ČTK.
Suche nach einem Endlager in Tschechien - Fünf Standorte als Favoriten
Ein Problem ist jedoch: Mit den betroffenen Gemeinden und Umweltverbänden hat kaum jemand kommuniziert - auch wenn sich das ändern sollte. "Ich bin da skeptisch, da in der Vergangenheit schon Untersuchungen durchgeführt worden sind, ohne dass uns jemand davon in Kenntnis gesetzt hätte", sagt der ČTK zum Beispiel Petr Klásek, er ist Bürgermeister der Gemeinde Chanovice in der betroffenen Region.
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Unter anderem wegen der mangelhaften Aufklärung protestieren die Bürger gemeinsam mit Umweltverbänden gegen die Pläne aus Prag. Unterstützung erhalten sie dabei auch von Gruppen aus dem Nachbarland. Denn gerade dort treiben die tschechischen Endlager-Konzepte Bürgern und Lokalpolitikern die Sorgenfalten in die Stirn. Unter anderem der Bürgermeister von Bayerisch Eisenstein, Michael Herzog (CSU), ist gegen ein grenznahes Endlager. "Man muss da nicht von heute auf morgen, sondern an die nächsten Generationen denken", sagte er unlängst gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR).
Die Endlagersuche ist aber nicht das einzige Problem, das atomkritische Bürger in den bayerischen Grenzgemeinden umtreibt. Denn anders als die Bundesregierung - die im April kommenden Jahres die verbliebenen drei Meiler abschalten will - plant Tschechien sogar einen Ausbau der Atomkraft. So will das liberalkonservative Kabinett den Anteil der Atomkraft an der Stromproduktion bis 2040 auf mehr als die Hälfte erhöhen. Eine Schlüsselrolle könnten dabei "Mini-AKWs" - neue Kernkraftwerke im Kleinformat - spielen.
Mini-AKWs für mehr Energiesicherheit - Gespaltene Meinungen in Bayern
Petr Závodský ist innerhalb des teilstaatlichen Energiekonzerns ČEZ für die AKW-Ausbaupläne verantwortlich. Fotos von Kühltürmen schmücken sein Büro in der Firmenzentrale in einem Prager Büroviertel.
"Es handelt sich um Druckwasserreaktoren mit dem gleichen Funktionsprinzip wie bei größeren Reaktoren, aber mit geringerer Leistung", erläutert der Vorstandsvorsitzende der zuständigen Tochtergesellschaft. Auch hier entstehe Dampf, der eine Turbine und einen Generator antreibe, der wiederum Strom erzeuge. Nicht nur die Leistung sei geringer, niedriger seien auch die Investitionskosten.