Druckartikel: Tristesse am Alkoholator

Tristesse am Alkoholator


Autor: Monika Beer

Bayreuth, Freitag, 02. August 2013

Sebastian Baumgartens "Tannhäuser"-Inszenierung ist und bleibt ein Debakel. Erst recht, wenn auch die Solisten kaum Festspielniveau haben.
Gut frequentiert wird in Sebastian Baumgartens "Tannhäuser" vor allem der Alkoholator. Warum die leicht gekleidete Dame rechts die Hände ringt, ist unklar. Drücken die Kompressionsstrümpfe? Foto: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath


Es gibt sie also noch, die (Mogel-)Werkstatt Bayreuth. In der Protagonisten aus der von Frank Castorf geleiteten Berliner Volksbühne, die wenig oder keine Opernerfahrung haben, die schlimmsten Fehler ausbügeln sollen, die sie bei ihren von Volksbühnenfan Katharina Wagner ermöglichten Bayreuth-Inszenierungen verbockt haben. Am Donnerstag war Sebastian Baumgarten dran, Regisseur des schon im Premierenjahr 2011 rettungslos missratenen "Tannhäuser".


Buhrufe

Er und seine Kostümbildnerin Nina von Mechow wurden am Ende erwartungsgemäß heftig ausgebuht, verbeugten sich aber artig - anders als "Ring"-Regisseur Castorf am Abend zuvor. Der hatte dem Publikum zwar nicht, wie manche seine Geste missverstanden, den Vogel gezeigt, sondern tippte sich eher an die Schläfen, nach dem Motto: Denkt doch mal nach! Aber er benahm sich anderweitig und unkollegial daneben.

Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Eine ganze Menge, wie zu fürchten steht. Denn wie sich in den letzten Jahren auf der Festspielbühne immer wieder gezeigt hat, könnte das so weitergehen mit Inszenierungen, die schon vom Ansatz, vom Konzept her das Publikum vor den Kopf stoßen: ab 2015 steht als Neuinszenierung Katharina Wagners "Tristan" auf dem Programm, 2016 folgt Jonathan Meeses "Parsifal" - lauter Regiehandschriften der Deformation, Dekonstruktion und Desillusionierung.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Das viel gescholtene moderne Regietheater kann auch in der Oper und gerade bei Wagner begeisternd und erhellend sein. Aber wenn das Gezeigte sich nur durch Dramaturgengewäsch im Programmheft erklärt, hat der Regisseur garantiert etwas falsch gemacht. Bei Sebastian Baumgartens "Tannhäuser" ging der Schuss schon mit der Premiere nach hinten los und seit der Wiederaufnahme 2012, nach den ersten umfangreichen Korrekturen, gleich doppelt.

Die als Energiekreislaufmaschinerie konzipierte Bühneninstallation Joep van Lieshouts ist weitgehend stillgelegt - und damit auch die konzeptuelle Grundidee, die man ohnehin nur verstehen konnte, wenn man die dazu verbreitete Handreichung in zehn Punkten studierte. Übrig geblieben sind ein paar Statisten, die nur so tun, als ob der sogenannte "Technocrat" noch funktionieren würde, und das zusammengeschrumpfte, seitlich platzierte "Publikum", das die vierte Wand zwischen Bühne und Auditorium einreißen sollte.


Eine schlechte Kopie

Fake wohin man schaut. Oder schlechte Kopie. Denn als echte Neuerung war diesmal unter anderem zu entdecken, dass die Wartburggesellschaft im 2. Akt überwiegend mit schwarz umrandeten und umzackten Augen auftritt, als wäre das eine volksbühneninterne Hommage an Frank Castorfs Wanderer. Dass die hochschwangere Frau Venus auch in dieser Szene präsent ist und mit ihr einige Choristinnen, bei denen nur die Oberteile des Kostüms züchtig wirken, war schon in den Vorjahren zu sehen. Am Rande des Hügels und aus dem Blog www.infranken.de/meinwagnerjahr weiß man, woher die Strümpfe kommen: von einem der Wagnerjahr-Sponsoren.

Zwar sind die zum Teil unverständlichen Videos und besserwisserischen Texteinblendungen weniger geworden, aber auch hier läuft es letztlich auf eine Verschlimmbesserung hinaus, weil die plakative Verkürzung jeden halbwegs mitdenkenden Zuschauer bevormundet und geradezu beleidigt. Was sich auf der Bühne abspielt, ist in der Mischung aus manieristischer Überzeichnung, zusätzlicher Verrätselung und Opernkonvention nur schlechtes Stadttheater.

Leider ist auch das gesangliche Niveau überaus bescheiden, sobald man den Begriff Festspiele ernst nimmt. Streng genommen war bei der Wiederaufnahmepremiere nur Günther Groissböck als Landgraf Hermann in festspielwürdiger Form. Und natürlich der Festspielchor. Das szenische Debakel vor Augen, dazu stimmlich wenig überzeugende Solisten: Der aus Kronach stammende Dirigent Axel Kober hatte es bei seinem Debüt im magischen Abgrund von vornherein nicht leicht.

Nach Thomas Hengelbrock und Christian Thielemann ist er schon der dritte musikalische Leiter dieser Produktion, und natürlich ist auch das Festspielorchester unmittelbar nach einem Premieren-"Ring" - noch dazu bei den tropischen Temperaturen im Graben - ausgelaugt und erschöpft. Einige Konzentrationsschwächen trübten den Gesamtklang und die Koordination von Sänger-, Chor- und Orchesterstimmen. Aber die eher unromantische, stellenweise noch zu laute Lesart Kobers dürfte ein Gewinn sein.