Schnitzeljagd zu historischen Gräbern
Autor: Christian Pack
Bayreuth, Freitag, 14. November 2014
Mit der Handy-App "Wo sie ruhen" auf Entdeckungstour: Der Besuch auf den Stadtfriedhof Bayreuth öffnet den Blick für die beeindruckende Friedhofskultur . Da kann man es auch verschmerzen, dass die Technik des Programms noch nicht vollends ausgereift ist.
Konstantinopel, Kiew, Kopenhagen: Franz Liszt liebte nicht nur die Musik, der berühmte Komponist war auch ein begeisterter Entdecker. Mit seinem virtuosen Klavierspiel füllte der Exzentriker und Frauenschwarm die Konzertsäle auf der ganzen Welt. Keine Frage: Liszt war zu Lebzeiten ein international gefragter Musik-Star. Und so überrascht ein Eintrag in seinem Reisepass im Jahr 1884 auch wenig: "Celebritate sua sat notus est!" - "Durch seine Berühmtheit ausreichend bekannt!" steht da geschrieben.
Liszt, der 1886 schwerkrank nach Bayreuth reist und dort verstirbt, ist in der Wagnerstadt auf dem Stadtfriedhof begraben. Ein imposantes Mausoleum unweit des Eingangsbereichs erinnert an den Komponisten. Am Giebel des Gebäudes, das von Weitem aussieht wie eine kleine Kapelle, steht in großen Lettern "Ich weiss, dass mein Erlöser lebt" geschrieben.
Dass Franz Liszt auf dem Stadtfriedhof begraben ist, dürfte den meisten Bayreuthern bekannt sein. Wo genau auf dem Areal seine Grabstätte liegt, wissen wohl nur die wenigsten. Das könnte sich bald ändern. Mit der App "Wo sie ruhen" kann man in Bayreuth seit Anfang November nämlich die Grabstätten von insgesamt 25 berühmten Persönlichkeiten erkunden. Der Stadtfriedhof ist einer von 37 national bedeutsamen historischen Ruhestätten mit 1007 Gräbern in 16 Bundesländern, für die die App entwickelt wurde. Fast zwei Jahre lang haben Experten geschichtliche Fakten zusammengetragen. "Das ist für unsere Besucher eine tolle Möglichkeit, den Friedhof historisch zu erkunden", freut sich der Bayreuther Dekan Hans Peetz.
Das Programm navigiert den Besucher per Smartphone oder Tablet zu den einzelnen Grabstätten. Vor Ort kann man die Informationen zu der berühmten Persönlichkeit als Text aufrufen, oder eine entsprechende Audio-Datei abspielen. Am Efeu berankten Grabstein von Jean Paul stehend erfährt der Nutzer über Kopfhörer dann beispielsweise, dass der Schriftsteller zu Lebzeiten ein vehementer Kritiker Bayreuths war und 1825 nach vierjähriger Leidenszeit an der Brustwassersucht verstarb - überaus spannender Geschichtsunterricht in eher untypischer Umgebung.
Technik noch nicht ausgereift
Da die Technik der App nicht vollends ausgereift ist, entwickelt sich die herbstliche Erkundungstour anfangs noch zur handygesteuerten Schnitzeljagd. Der Suchende wird nämlich nicht direkt per GPS zu den jeweiligen Ruhestätten geführt, sondern muss sich an den Fotos und markierten Punkten in einer Übersichtskarte orientieren. Auch die Ladezeiten wegen des recht umfangreichen Datenvolumens setzen je nach Gerät und Netzqualität etwas Geduld voraus. Doch mit der Zeit findet der interessierte Friedhofs-Forscher alle Grabstätten und die Informationen entschädigen für die etwas beschwerliche Suche. Und wenn man dann irgendwann zwischen Laubhügeln und Grabsteinen über die Kopfhörer die tiefe, beruhigende Stimme von Schauspieler Hans-Jürgen Schatz vernimmt, schafft das eine besondere Atmosphäre.
Vier Friedhöfe können in Bayern mit der Handy-App erkundet werden. Neben dem Stadtfriedhof sind dies der Alte Südliche Friedhof und der Nordfriedhof in München und der Johannisfriedhof in Nürnberg. Ob in Zukunft weitere hinzukommen, ist offen. Prinzipiell könnten jederzeit neue Grabstätten in das Programm eingepflegt werden. "Es gibt bereits Anfragen von Friedhofseigentümern, die gerne dabei wären. Natürlich ist dies eine Frage der Finanzierung. Wir werden versuchen, neue Mittel für weitere Friedhöfe und Grabanlagen zu akquirieren", so Fiona Laudamus von der Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe in Berlin-Brandenburg, die das Projekt unter anderem betreut. Finanziert wurde das Projekt mit Mitteln der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM).
Einige Friedhöfe in Franken hätten sicherlich nichts dagegen, wenn in Zukunft zusätzliche Mittel bereitgestellt würden. Der Coburger Friedhofsverwalter Michael Beutel hat die neue App selbst noch nicht ausprobiert, findet die Idee aber "höchst interessant" und auch aus historischer Sicht einleuchtend. "Ich finde es immer gut, wenn neue Möglichkeiten geschaffen werden, sich weiterzubilden." Beutel würde sich freuen, wenn der Coburger Friedhof am Glockenberg irgendwann mit aufgenommen würde. Auch hier, berichtet er, würde an Persönlichkeiten erinnert, die eine besondere Geschichte erzählen.
Der Coburger Friedhofsverwalter kann nicht nachvollziehen, dass es bereits den einen oder anderen Kritiker gibt, der das Bild eines handygesteuerten Friedhofsbesuchers nicht so prickelnd findet. "Warum sollte man nicht auch auf einem Friedhof geistigen Mehrwert schaffen? Der sollte doch nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch ein Ort der Begegnung sein", betont Beutel.