Druckartikel: Hier gilt's der genetischen Gunst

Hier gilt's der genetischen Gunst


Autor: Monika Beer

Bayreuth, Sonntag, 23. Februar 2014

Am Grünen Hügel geht es immer weniger um Kunst. Die Entscheider sind einige wenige Beamte und Politiker in München und Berlin. Sie machen letztlich genau das, was der "ewige Festspielleiter" Wolfgang Wagner wollte.
Ein Bild mit Aussagekraft: Bei der offiziellen Verabschiedung von Rekordfestspielleiter Wolfgang Wagner am 28. August 2008 saßen die Altvorderen (Wagner-Enkelin Verena Lafferentz, Wolfgang Wagner und seine Tochter aus erster Ehe, Eva Wagner-Pasquier) in der ersten Reihe, während Katharina Wagner, Wolfgangs Tochter aus zweiter Ehe, und Dirigent Christian Thielemann (nebst dem austauschbaren politischen Entscheider und damaligen Kunstminister Thomas Goppel) noch hinter dem Thron verharrten. Drei Tage später rief der Stiftungsrat die ungleichen Halbschwestern als neue Festspielleitung aus, die als Doppelspitze spätestens im Herbst 2015 ausgedient hat.  Foto: Daniel Karmann, dpa


Wenn es Neues aus Bayreuth gibt, überschlagen sich die Medien - vor allem, wenn die Nachrichtenlage unklar und damit Raum für Spekulationen gegeben ist. Dass Eva Wagner-Pasquier nicht freiwillig von ihrem bis September 2015 laufenden Posten als Co-Intendantin abgedankt haben soll, ist eine vielsagende Volte in der Endlos-Soap vom Grünen Hügel. Währenddessen beschreibt ein Intimus Katharina Wagners in der Berliner Morgenpost bereits, wie das Bayreuth der Zukunft aussehen wird.

Aber der Reihe nach. Die Lokalzeitung Nordbayerischer Kurier berichtete am Freitag exklusiv über das Ausscheiden der Wagner-Urenkelin aus der Festspielleitung und zitierte Eva Wagner-Pasquier mit dem Satz "Ich habe die Gesellschafter gebeten, mich ab September 2015 als Beraterin einzubinden." Toni Schmid, der für die Festspiele zuständige Ministerialdirigent im bayerischen Kunstministerium, hielt auch anderen Medien gegenüber am Bild des freiwilligen

Rückzugs fest und sagte: "Wir haben das nicht zu kommentieren, sondern zu respektieren."
Was wahrscheinlich so nicht ganz stimmt. Denn am Samstag präzisierte der Kurier, dass Schmid bereits Ende letzten Jahres die ältere des Bayreuther Schwestern-Duos zu einem Vier-Augen-Gespräch einbestellt und der 68-Jährigen überraschend mitgeteilt haben soll, dass ihr Vertrag nicht verlängert werde. Erst daraufhin sei die Beraterfunktion ins Spiel gekommen.

Laut Schmid soll Wagner-Pasquier sich dann nicht wie bisher um Sänger und künstlerische Verträge kümmern, sondern um die Wagner-Verbände. Im Klartext handelt es dabei um ein aus öffentlichen Mitteln mitfinanziertes Austragsstüberl, das es vorher nicht gebraucht hat, weil bis zur einschlägigen Rüge des Bundesrechnungshofs auch die Richard-Wagner-Verbände bevorzugt Festspielkarten bekamen.

Wenn man Axel Brüggemann, Katharina Wagners Sprachrohr in den Springer-Medien, glaubt, haben sich die vier Festspiel-Gesellschafter - d.h. Bund, Land, Stadt Bayreuth und die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth - bereits auf die 35-jährige Katharina Wagner als künftige Festspielleiterin geeinigt. Sie soll verstärkt unterstützt werden von Dirigent Christian Thielemann als musikalischem Berater sowie von einem kaufmännischen Geschäftsführer, wobei unsicher ist, ob der jetzige, dann 76-jährige Heinz-Dieter Sense dafür noch infrage kommt.

Das alles spielt sich ab vor einem zweifelhaften rechtlichen Hintergrund. Denn laut der nach wie vor gültigen Satzung der Richard-Wagner-Stiftung entscheidet über die Festspielleitung nicht der Verwaltungsrat der Festspiel-GmbH, sondern - in Zusammenhang mit dem noch nicht unterschriebenen Mietvertrag des Festspielhauses - die Stiftung selbst. Der von Toni Schmid vorgeschlagenen Satzungsänderung widersprach vehement ein Gutachten der Regierung von Oberfranken als unterer Stiftungsaufsicht. Die obere Stiftungsaufsicht hingegen, die praktischerweise im bayerischen Kunstministerium sitzt, gab für die Entmachtung der Stiftung grünes Licht. Es gilt in Bayreuth also nicht mehr der Kunst, sondern der Gunst von einigen wenigen Politikern und ihres geschickten Strippenziehers, der genau das macht, was Wolfgang Wagner wollte.


Kunst oder Gunst?

"Hier gilt's der Kunst" heißt ein Zitat aus Richard Wagners "Meistersingern", das die Festspielleiter bemühten, als im 20. Jahrhundert die jeweils ersten Nachkriegsfestspiele eröffnet wurden. 1924 versuchte Siegfried Wagner mit einem Aushang das Hymnen singende, völkisch-rechtsradikale Publikum etwas einzubremsen, 1951 wollten die Gebrüder Wieland und Wolfgang Wagner Diskussionen über die braune Vergangenheit Bayreuths eindämmen.

Und heute? Wie es scheint, gilt in Bayreuth immer noch das, was der 2010 verstorbene Wagnerenkel und langjährige Festspielchef Wolfgang Wagner wollte - nämlich Katharina, die Tochter aus zweiter Ehe, an der Spitze. Das hat leider wenig mit Kunst zu tun und viel mit genetischer Günstlingswirtschaft.