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Gemeinschaft der Heiligen


Autor: Klaus Angerstein

Bayreuth, Montag, 30. Oktober 2017

Das Allerheiligenfest hat gar nichts evangelisches an sich. Aber es ist kein Hindernis auf dem Weg zur Ökumene. Meint Regionalbischöfin Dorothea Greiner.
Regionalbischöfin Dorothea Greiner elkb


Wie stehen Sie als evangelische Regionalbischöfin zum katholischen Fest Allerheiligen?

Dorothea Greiner: Ich freue mich, dass unsere katholische Schwesterkirche diesen Feiertag hat. Oft begeht die katholische Kirche an Allerheiligen meist auch das Fest "Allerseelen", das eigentlich erst am Tag nach Allerheiligen, also am 2. November folgt. Sinn von Allerseelen ist es, die Verstorbenen Gott anzubefehlWie en. Wir Lutheraner begehen an Allerseelen in manchen Gegenden auch den Gedenktag der Verstorbenen. Und so bin ich als Gemeindepfarrerin in Oberbayern an Allerheiligen/Allerseelen gerne mit meinem katholischen Amtsbruder auf den Friedhof gegangen zur Gräbersegnung. Wir haben jeweils die Namen der Verstorbenen des letzten Jahres der evangelischen und katholischen Gemeindeglieder vorgelesen. Auch die versammelte Gemeinde war ökumenisch. Mein lieber Amtsbruder besprengte die Gräber in Erinnerung an die Taufe mit Weihwasser und ich sprach das Gebet für die Verstorbenen und die Angehörigen. Der Segen über den Gräbern, in denen der Leib unserer verstorbenen Gemeindeglieder liegt, hilft den Menschen zu empfinden, dass ihre Verstorbenen in Gottes Hand sind. Ein altes Wort für Friedhof ist "Gottesacker". Das wird da erfahrbar.

Von den Heiligen, derer wir an Allerheiligen gedenken, ist mir die Heilige Dorothea besonders lieb. Sie wird immer mit Obstkorb oder Blumen dargestellt. Als sie den Märtyrertod durch Verbrennen sterben sollte, sagte sie auf dem Scheiterhaufen, dass sie sich auf den himmlischen Garten freue.
Da verspottete sie der Hauptmann und sagte, sie solle ihm doch ein paar Blüten und Früchte aus dem Paradies schicken, wenn sie dort sei. Sie starb, der Hauptmann kehrte heim und vor seiner Haustüre stand ein Korb mit Früchten und Blumen. Er wurde Christ. In ihrer Freude auf den Himmel und in ihrem Bekenntnis ist sie mir nicht nur Namenspatronin, sondern auch Vorbild im Glauben.

Ist das Heiligenverständnis der katholischen Kirche für Sie ein Hindernis auf dem Weg zu einer Einheit der beiden großen christlichen Konfessionen?

In den ökumenischen Dialogen haben wir inzwischen den Weg des differenzierten Konsenses gefunden. Wir müssen in der Mitte unseres Glaubens und in wesentlichen Fragen Konsens haben. An den Rändern dürfen wir unterschiedliche Profile haben. Seit Katholiken und Lutheraner auf Weltebene in der so genannten Gemeinsamen Erklärung von 1999 festgehalten haben, dass allein Christus und der Glaube an ihn selig macht, ist dieser Konsens an diesem Punkt erzielt. Nachdem nun das "allein Christus" gilt, bedeutet das auch, dass es nicht die Heiligen sind, die uns das Heil schenken.
Heilige sind Christen, die durch den Glauben an den dreieinigen Gott geheiligt sind. Die uns vorausgegangenen Heiligen haben auch für evangelisch-lutherische Christen eine wichtige Bedeutung. Sie ist festgehalten in unserem Grundbekenntnis, der Confessio Augustana von 1530. Dort heißt es in Artikel 21: "Vom Heiligendienst wird von den Unseren so gelehrt, dass man der Heiligen gedenken soll, damit wir unseren Glauben stärken, wenn wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren und auch wie ihnen durch den Glauben geholfen worden ist; außerdem soll man sich an ihren guten Werken ein Beispiel nehmen, ein jeder in seinem Beruf."

Wie sollten evangelische Christen Ihrer Meinung nach mit einem Fest wie Allerheiligen umgehen?

Die Zeiten, in denen die katholischen Bauern an Karfreitag odelten und die evangelischen an Fronleichnam, sind vorbei. Wir achten die Feiertage des anderen und wenn wir eingeladen werden, feiern wir sie in ökumenischer Verbundenheit mit.
An Allerheiligen haben wir im evangelischen Kirchenjahr parallel den "Gedenktag der Heiligen". Ich würde mir wünschen, dass wir Evangelische selbst diesen Tag wieder mehr beachten, denn wir beten zwar nicht zu den Heiligen, aber wir beten mit den Heiligen zum dreieinigen Gott.
Wenn in der katholischen Kirche gesungen wird: "Heiliger St. Jakob bitt für uns jetzt und in der Stunde unseres Todes", dann ist mir das als evangelische Christin nicht geläufig. Denn meine Freude ist es ja gerade, mich direkt an Christus betend wenden zu können im Wissen, dass er die Tür zum Vater ist. Durch das Vertrauen der Vergebung aller meiner Schuld durch Christi Tod und durch die Gewissheit ewigen Lebens durch seine Auferstehung ist der Himmel offen. Die Heiligen sind diesen Weg in den Himmel vorausgegangen. Sie haben eine Spur gelegt, für die wir dankbar sein können. Es wird eine große Freude sein, den Heiligen im Himmel zu begegnen.
Wir bekennen als katholische und evangelische Christen im Apostolischen Glaubensbekenntnis unseren Glauben an die "Gemeinschaft der Heiligen" und die umfasst nicht nur die Gemeinschaft mit den Lebenden, die an Christus glauben, sondern auch mit den in Christus Verstorbenen. Der Himmel mit seinen Engeln und denen, die uns im Glauben vorausgegangen sind, umfängt uns schon hier.