Franken in der Strom-Zange

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Konflikt um die neuen Stromautobahnen: Die Grafik zeigt Korridor C und Korridor D der Nord-Süd-Stromtrasse.
Konflikt um die neuen Stromautobahnen: Die Grafik zeigt Korridor C und Korridor D der Nord-Süd-Stromtrasse.
Ludwig Bäuerlein
Ludwig Bäuerlein
 
Hans-Josef Fell
Hans-Josef Fell
 

In der Fränkischen Schweiz geht die Angst um: Die Tourismus-Region könnte von einer neuen Stromautobahn zerschnitten werden. Die zweite Mega-Leitung führt im Raum Schweinfurt von Norden nach Süden.

Seit der Wiedervereinigung liegt Franken im Herzen Deutschlands. Das ist ein schönes Attribut. Doch auch diese Medaille hat eine zweite Seite: Durch dieses Herz werden künftig zwei Hauptschlagadern der Energieversorgung den Strom pumpen. Was das heißt, beginnt man in Ober-, Unter- und Mittelfranken nur langsam zu realisieren. Aber: Widerstand könnte aber zwecklos sein.

Alle vier Netzbetreiber nehmen Franken in die Stromzange: 50Hertz und Amprion teilen sich im Osten die 400 Kilometer lange Leitung aus Bad Lauchstädt bei Halle (Sachsen-Anhalt) nach Meitingen bei Augsburg ("Südost-Trasse"). Tennet und Transnet bauen eine 800 Kilometer lange Stromautobahn von Hamburg über Grafenrheinfeld nach Großgartach nahe Heilbronn namens "Südlink".

Beschleunigungsgesetz

Der Bau der Mega-Leitungen wird per Gesetz so beschleunigt, dass in den betroffenen Regionen kaum Zeit zur Meinungsbildung bleibt. Bürgerbeteiligung steht auf dem Papier, doch bislang hat es nur eine Handvoll Informationsveranstaltungen gegeben.

"Wir werden von der Stromautobahn überrollt." Das sagt einiger der wenigen Kommunalpolitiker, die sich schon mit dem hochspannenden Vorgang beschäftigt haben. Ludwig Bäuerlein, der Bürgermeister von Aufseß (Kreis Bayreuth), fürchtet, dass die Stromtrasse der Lebensader der Fränkischen Schweiz den Saft abdrehen könnte. "Wir haben in den letzten Jahren sehr viel für den Tourismus getan."

Wanderer werden einen Bogen um die Region machen, wenn die 80 Meter hohen Masten stehen, fürchtet der Politiker (CSU/Unabhängige Wähler) ebenso wie Bürgermeisterin Karin Barwisch (Bürgerforum) in der Nachbargemeinde Hollfeld.

Nur ein "Korridor"

Beim Netzbetreiber Amprion beruhigt man: Für die neue Stromtrasse gebe es bislang nur einen "Korridor". Irgendwo zwischen Schweinfurt und Bayreuth werde der Strom nach Süden reisen, wobei sich Amprion an bestehenden Leitungstrassen, Bahnlinien oder Autobahnen orientieren wolle. "Wir werden nach einer möglichst wenig konfliktträchtigen Lösung suchen", sagt ein Sprecher des Unternehmens. Und zwar bis Ende des Jahres. So eine Suche dauert bei anderen Großprojekten Jahrzehnte. Das will das Netzausbaubeschleunigungsgesetz vom Juni 2013 verhindern.

Blickt man auf das umfangreiche Daten- und Kartenmaterial, das die Bundesnetzagentur zur Verfügung stellt, dann gibt es nicht viel Spielraum: Irgendwie muss die Leitung um Bamberg, Nürnberg und Bayreuth herum, vorbei an Naturschutzgebieten und Truppenübungsplätzen ...

Muss es so groß sein?

"Wenn man ein Lineal nimmt und einen geraden Strich zwischen Lauchstädt und Meitingen zieht, dann erwischt es genau uns", sagt der Bürgermeister in Außseß. Amprion könnte es egal sein: Wenn die in der Ideallinie 400 Kilometer lange Leitung im Zickzack verlegt und damit viel länger und teurer wird als die heute veranschlagte eine Milliarde Euro, legt das Unternehmen nicht drauf: Den Netzausbau zahlt ja der Stromkunde.

Irgendeiner muss eine Kröte schlucken: Verzögert sich der Leitungsbau und verlängert sich die Trasse, treibt das den Strompreis nach oben. Ärger mit 6500 Bürgern in Hollfeld und Aufseß wäre das kleinere Übel.

Kritik von Hans-Josef Fell

Dass diese Leitungen gebaut werden, ist unstrittig. Darüber, ob sie wirklich nötig sind, gibt es unterschiedliche Meinungen. Umweltschützer kritisieren die Dimensionen und unken, dass durch die Stromautobahnen erst einmal mehr Kohlestrom als Windstrom fließen wird.

Auch einem der Väter der Energiewende, dem früheren grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell (Aschaffenburg), geht es beim Leitungsbau zu schnell: "Ein Kern der Energiewende sind regionale Lösungen", sagt er. Stattdessen bauten die Netzbetreiber große Technik. Die einst erbitterten Gegner der Energiewende ziehen die Strippen! Sicher nicht, weil sie ein gutes Herz haben, sondern weil sie eine Goldgrube wittern.

Infos zu den Stromautobahnen:

Technik
Die neuen Stromautobahnen werden die Energie auf besondere Art transportieren: Erstmals wird in Deutschland im großen maßstab die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) angewendet. Im Vergleich zum Wechselstrom sind die Verluste auf langen Strecken kleiner, allerdings ist die Technik aufwendiger.

Geschichte
Als Ende des 19. Jahrhunderts in den USA der Ausbau des Stromnetzes begann, hatte anfangs die Gleichstrom-Technik von Thomas Edison die Nase vorn. Der Erfinder der Glühbirne wollte ein 110-Volt-Netz aufbauen. Weil sich damals keine hohen Spannungen mit Gleichstrom erzeugen ließen, wollte Edison, was heute modern anmutet, den Strom dezentral mit kleinen Kraftwerken in jedem Ort erzeugen.

Konkurrenz
George Westinghouse setzte dagegen auf den Wechselstrom. Der erlaubte höhere Spannungen für längere Transportwege. Mit den damaligen technischen Möglichkeiten war es so leichter, große Strommengen zu transportieren und die Spannung je nach Bedarf anzupassen. Das tun bis heute Umspannwerke und Trafos.
Krieg
Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung wurde in Edisons Umfeld der elektrische Stuhl erfunden. Damit wollte Edison demonstrieren, wie viel gefährlicher für den Menschen Wechselstrom im Vergleich zum Gleichstrom ist. Am Ende setzte sich der Wechselstrom durch - bis heute die Grundlage für die meisten Stromnetze.