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Franken bleibt in der Stromzange


Autor: Günter Flegel

Bayreuth, Dienstag, 04. November 2014

Eine neue Leitung im Osten, eine im Westen: Seehofer hat sich mit seinem Nein zu den Stromtrassen in Berlin offenbar nicht durchsetzen können. Aber er "prüft" weiter.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa


Am Montag hat Ilse Aigner mit ihrem "Dialog" zur Energiewende begonnen, am Dienstag hat es bei der am heftigsten umstrittenen Frage bereits eine Vorentscheidung gegeben: Die neuen Stromtrassen, die Bayerns Energieministerin und Ministerpräsident Horst Seehofer unbedingt verhindern wollten, werden gebaut. Quer durch Franken und sogar noch größer als zunächst geplant.

Das betrifft im Westen Unterfranken mit der Südlink-Leitung, die von Hamburg über Schweinfurt/Grafenrheinfeld bis in den Raum Stuttgart führen soll; und im Osten Ober- und Mittelfranken mit einer Höchstspannungstrasse, die bei Magdeburg beginnt und bei Gundremmingen endet. Die stand bisher als Gleichstrompassage Südost im Netzausbauplan, wird aber wohl einen anderen Namen bekommen.

Insofern können Seehofer und Aigner, die sich bislang an die Spitze der Trassengegner gestellt hatten, einen Erfolg verbuchen: Die Gleichstrompassage Südost wird es wie versprochen nicht geben, sie heißt künftig Ostlink ... Am Dienstag haben die vier Unternehmen, die in Deutschland das 12 000 Kilometer lange Höchstspannungs-Stromnetz betreiben, einen neuen Entwurf für den Netzausbau vorgestellt.

Versorgung im Verbund

Schon diese Wortungetüme zeigen, dass es sich bei der Energiewende - Stromwende, um genau zu sein - um ein komplexes Projekt handelt. Ein Projekt, das für die Landespolitik eine Nummer zu groß ist; die Stromversorgung findet im bundes-, ja längst europaweiten Verbund statt.

Das scheint inzwischen auch in Bayern verstanden worden zu sein, nachdem Seehofer auf dem Höhepunkt der Protestwelle gegen die neuen Stromtrassen durch den Freistaat mehr oder weniger deutlich angekündigt hatte, dass der Freistaat diese Leitungen nicht brauche und nicht wolle und die Energieversorgung in die eigene Hand nehmen werde. Woher der Strom nach der Abschaltung der Atomkraftwerke kommen soll, haben der CSU-Chef und seine Energieministerin bis heute nicht schlüssig erklären können. Die Kernenergie steuert aktuell rund 40 Prozent des in Bayern verbrauchten Stromes bei.

Aigner hatte in ihrer Regierungserklärung zur Energiewende vor einer Woche gesagt, diese Fragen müsse "der Bund" beantworten - und den Schwarzen Peter aus dem Schwarzen Bayern erst mal wieder zurück nach Berlin geschoben.

Da aber wurden diese Fragen längst beantwortet. Die Antwort heißt unter anderem Netzausbau, per Gesetz vor drei Jahren unter anderem im Bundesrat ohne Widerspruch mit der Stimme Bayerns beschlossen. Denn die Fakten sind offenkundig: Die Stromlücke, die nach der Abschaltung der Kernkraftwerke im Süden entsteht (Grafenrheinfeld geht 2015 vom Netz), muss geschlossen werden. Unter anderem mit dem Strom aus den großen Windparks im Norden der Bundesrepublik.

Bayern favorisiert stattdessen oder zusätzlich den Bau neuer Gaskraftwerke auf "Standby", um einzuspringen, wenn sich Stromverbrauch und -erzeugung nicht decken. Fachleute schütteln den Kopf: Ein System aus "Ersatzkraftwerken" wäre wohl kaum billiger zu haben als der Netzausbau, zudem entstünden neue Abhängigkeiten etwa von Erdgas aus Russland.

Deshalb überrascht es nicht, dass der am Dienstag veröffentlichte neue Plan für den Netzausbau in Deutschland dem alten verblüffend ähnlich sieht: Südlink soll wie geplant realisiert werden, mit einigen Änderungen bei der Trasse, die grob der Autobahn A7 folgt. Aus der Gleichstrompassage Südost wird Ostlink, der Startpunkt wird um gut 100 Kilometer weiter nördlich verlegt; statt Bad Lauchstätt im Braunkohlerevier Mitteldeutschlands Magdeburg.

Dialog bis ins Frühjahr

Der Endpunkt soll statt Meitingen bei Augsburg Gundremmingen sein, wo wie in Grafenrheinfeld ein Atomkraftwerk als Auslaufmodell steht. Der Trassenkorridor, der jetzt von der Bundesnetzagentur in Bonn geprüft wird, orientiert sich an der A9.

"Prüfen": Das ist bei der Energiewende das Gebot der Stunde. "Prüfen" will Seehofer weiterhin, ob die Trassen überhaupt gebraucht werden. Dazu läuft in Bayern bis ins Frühjahr ein Dialog mit den Bürgern.