Wird der Fall um die seit fast zwölf Jahren verschwundene Peggy Knobloch aus Lichtenberg (Landkreis Hof) wieder aufgerollt? Als Mörder des Mädchens, von dem seit dem 7. Mai jede Spur fehlt, war 2004 Ulvi K. verurteilt worden. Jetzt gibt es angeblich neue Beweise, die seine Unschuld belegen. Der Antrag auf Wiederaufnahme ist fertig.
Nicht nur Gudrun Rödel, Sprecherin der Initiative "Gerechtigkeit für Ulvi", glaubt an ein Fehlurteil, das das Hofer Landgericht 2004 gefällt habe. Neue Beweise würden dies belegen. Die Münchbergerin sagte jetzt, Ulvis Pflichtverteidiger, der Frankfurter Anwalt Michael Euler, habe den Antrag auf Wiederaufnahme fertiggestellt. Dieser Antrag werde noch bis Ende des Monats beim Landgericht Bayreuth eingereicht.
Dort müssen die Richter dann prüfen, ob der Antrag mögliche neue Beweise enthält, die wiederum den Weg zu einer neuen Hauptverhandlung ebnen. Der Bundesgerichtshof hatte 2005 den Schuldspruch des Landgerichts Hof gegen Ulvi K. bestätigt.
Euler ist seit mehr als zwei Jahren damit befasst, Zeugenaussagen und Gutachten zu sichten. Sein Urteil über die Ermittlungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft fällt vernichtend aus: "Hier sitzt ganz klar ein Unschuldiger für eine Tat, die er nicht begangen haben kann." Wesentliche Entlastungszeugen für Ulvi K., die Peggy noch nach dem angeblichen Tatzeitpunkt lebend gesehen haben wollen, seien nicht gehört worden. Nur eine der Pannen, die Euler auflistet. Und dazu kommt: Es gibt keine Leiche.
Fahrtenschreiber widerlegt ermittelten Tathergang Euler liegen angeblich neue Fakten vor wie etwa die Auswertung des Fahrtenschreibers jenes Schulbusses, mit dem Peggy am 7. Mai von der Schule heimgekommen war. Diese Auswertung belege: Das Verbrechen könne sich allein von der zeitlichen Abfolge gar nicht so abgespielt haben, wie im Urteil dargelegt.
Ulvi K. soll nach Überzeugung des Gerichts am 7. Mai 2001 die neunjährige Peggy im Lichtenberger Schlossgarten abgepasst und erwürgt haben, um einen sexuellen Übergriff gegen das Mädchen einige Tage zuvor zu vertuschen. Ulvi hatte anfangs auch ein Geständnis abgelegt, dieses aber später widerrufen. Ein Gutachten eines Berliner Psychologen hatte dem geistig zurückgebliebenen Lichtenberger Ulvi K. hingegen bescheinigt, in seinen Aussagen über die Tat glaubwürdig zu sein.
Was die Glaubwürdigkeit angeht, kommt Anwalt Euler zu einem anderen Schluss: "Ich habe mich mehrfach mit Ulvi unterhalten. Und ich habe die Akten gelesen. Ulvi konnte damals gut lügen. Er hat immer wieder eine andere Variante gebracht, etwa als es drum ging, wer ihm beim Fortschaffen der Leiche geholfen haben soll. Mal war es ein Nachbar, dann ein Freund, dann der Vater - nachdem sich die vorherigen Beschuldigungen jeweils widerlegen ließen." Der Rechtsanwalt ist überzeugt: Sein "einfach gestrickter" Mandant würde alles zugeben, was man ihm vorhält, "wenn die Fragestellung nur suggestiv genug ist".
Merkwürdig erscheint dem Frankfurter auch, wie Bewohner der 1300-Seelen-Gemeinde Lichtenberg sich erst dazu äußerten, Peggy noch am Nachmittag und Abend gesehen zu haben. Und merkwürdig, dass sich im Zuge der polizeilichen Befragungen einige später von ihren ursprünglichen Aussagen distanzierten und nichts mehr mit den Beamten zu tun haben wollten. Euler: "Sie sind eingeschüchtert worden, nachdem man gesehen hat, dass vielen Entlastungszeugen nicht geglaubt wurde. Da hat man später Angst, auch bei wahrheitsgemäßer Aussage als Lügner dargestellt zu werden."
Diese Menschen würde Euler gern in den Zeugenstand rufen. Dazu Ulvis Vater. "Der Gastwirt hätte seinen Sohn entlasten können. Doch die Anwälte von Ulvi rieten ihm, vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Warum auch immer. Die Aussage hätte zwar be wiesen, dass Ulvi lügt - aber eben auch, dass er kein Mörder ist."