Doppelt Feuer unterm Dach beim Stiftungsrat in Bayreuth
Autor: Jochen Nützel
Bayreuth, Donnerstag, 23. Oktober 2014
Gut gebrüllt, Gregor! Bei der Sitzung des Stiftungrats der Richard-Wagner-Stiftung in Bayreuth war doppelt Feuer unterm Dach: Erst mussten die Teilnehmer wegen Feueralarms eine Pause einlegen, dann heizte Gregor Gysi als Erben-Anwalt die Debatte an.
Kürzlich hat Gregor Gysi ein weißes Löwenbaby getauft: Charly Gin heißt das Tier des Circus' Krone, für das der Fraktionsvorsitzende der Linken die Patenschaft übernimmt. Der 66-Jährige scheint keine Angst vor Raubkatzen zu haben; bissig sein kann er selber ja ganz gut, als Oppositionsführer im Bundestag wie als Anwalt. Als solcher hat er Oberfranken als Betätigungsfeld entdeckt - und gleich mal, um im Tier jargon zu bleiben, in zwei Wespennester gestochen.
In Fichtelberg vertritt Gysi in einer Art Juristenkonsortium den Bäderkönig Franz Steinhart. Der liegt im Clinch mit der Gemeinde und verlangt Entschädigung, weil er mehr als zwei Jahre lang daran gehindert worden sei, die im Mai 2012 niedergebrannte Therme wieder aufzubauen.
Das Festspielhaus in Bayreuth ist zwar nicht abgefackelt, wohl aber ein Sanierungsfall. Bis zu 50 Millionen Euro soll die Generalüberholung kosten.
Festspiele als Staatsbetrieb
Heißt: Die Festspiele werden zum Staatsbetrieb, Wagners Operntempel ist an die Bayreuther Festspiele (BF) GmbH vermietet - und zwar bis 2040. Gegen diese Vereinbarung wehrt sich jetzt der Stamm der Familie um Wieland Wagner. Die Erben des 1966 gestorbenen Komponisten-Enkels - Nike, Daphne und Wolf-Siegfried Wagner - sehen ihre Felle bei der Bestimmung der Festspielleitung davonschwimmen und haben ihrerseits aufmunitioniert und Gregor Gysi als schweres juristisches Geschütz aufgefahren.
Der 66-Jährige ist am Donnerstag höchstselbst zur (nicht öffentlichen) Sitzung des Stiftungsrats im Bayreuther Rathaus angereist. Und stand zwischendurch auf der Straße: Ein Feueralarm hatte die Teilnehmer ins Freie gedrängt. Nichts Dramatisches, wie die Polizei mitteilte. Irgendjemand hatte in einer Mikrowelle Essen anbrennen lassen.
Im Mikrokosmos Festspiele brennt seit langem die Luft. Der neue Pachtvertrag hat den Konflikt auch unter den verschiedenen Wagner-Stämmen neu angeheizt. Nike Wagner hatte im Frühjahr nach Bekanntwerden der Quasi-Entmachtung ihrer Geschwister vom Leder gezogen: "Es ist ungeheuerlich, wie die Rechte der Richard-Wagner-Stiftung von den Machenschaften der Betreiber-GmbH - das sind die öffentlichen und privaten Zuwendungsgeber - ausgehöhlt und die Stifter-Familie enteignet wird." Auf Grund der ausgehandelten Formalitäten können Bund und Freistaat als Hauptmittelgeber nahezu allein befinden, wer die künstlerische Leitung der Festspiele inne hat. Dem will der Wieland-Wagner-Zweig nicht tatenlos zusehen und pocht seinerseits auf sein Vorschlagsrecht zur Festspielleitung, die die Wolfgang-Wagner-Töchter Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier (bis 2015) innehaben.
Gysi scheut den Gerichtsweg nicht
Gergor Gysi sagte nach der Sitzung der Nachrichtenagentur dpa: "Das Vorschlagsrecht ist meiner Meinung nach durch den Mietvertrag und einen Anhang untergraben worden." Das wolle er dem Stiftungsrat schriftlich mitteilen. Vor der Sitzung war verlautbart worden, Gysi würde das Mittel einer Klage gegen den Vertrag erwägen. "Ich bin an einer außergerichtlichen Klärung interessiert, aber den Gerichtsweg scheue ich nicht", sagte der Anwalt. Ihm gehe es darum, eine Lösung zu finden. "Welche, ist mit letztlich egal. Hauptsache ich kann meinen Mandanten sagen, dass ihre Rechte nicht länger beeinträchtigt sind."
Solche juristischen Belange seien leider nicht vom "großen Richard Wagner dramatisiert und instrumentiert worden", bedauert Nike Wagner. "Sonst fiele grelles Licht in die Hinterzimmer der Politik." Damit ist Ministerialdirigent Toni Schmid gemeint, seines Zeichens Ratsvorsitzender. Er wolle die Meinung der Gesellschafter abfragen. Das Aufeinandertreffen mit Gegenpart Gysi nannte er "nett".