Der Wagnerbaustellen-Wahn hat Methode
Autor: Monika Beer
Bayreuth, Mittwoch, 02. Januar 2013
Im beginnenden Wagnerjahr sind die wichtigsten Immobilien der Wagnerstadt eingerüstet bzw. zugesperrt. Die dafür zuständige Richard-Wagner-Stiftung hat das zumindest teilweise selbst verursacht und ist dringend reformbedürftig.
Weltweit wird das Wagnerjahr gefeiert. Nur in Bayreuth hängt der Haussegen schief. Was wörtlich zu nehmen ist. Denn sowohl Richard Wagners Festspielhaus als auch die Villa Wahnfried, sein museal genutztes Wohnhaus, sind Baustellen - ebenso wie das erst jüngst zum Weltkulturerbe erhobene Markgräfliche Opernhaus, das den 1813 in Leipzig geborenen und 1883 in Venedig gestorbenen Dichterkomponisten veranlasste, nach Oberfranken zu kommen. Wie konnte sich die im Jubiläumsjahr auf viele zusätzliche Besucher hoffende Festspielstadt nur so blamieren?
Zunächst führten die erst moderaten, dann durch einen Wettbewerb zu hoch gehängten und offenbar auch rechtlich nicht wasserdichten Sanierungs- und Umbaupläne für die Villa Wahnfried dazu, dass das Wagner-Museum ausgerechnet im Wagnerjahr geschlossen sein würde. Noch kurz vor Ende seiner Amtsperiode ließ der damalige Oberbürgermeister Michael Hohl alten Baumbestand in Wahnfried abholzen - unnötig früh, denn auf der jetzt gut verrammelten Baustelle tut sich nicht viel, weil ein Nachbar mit der Stadt als Eigentümerin der Wahnfried-Immobilie im Rechtsstreit liegt.
Reformbedürftige Stiftungssatzung«
Als wäre das nicht schon peinlich genug, musste im Dezember auch noch das Festspielhaus, das nicht der Stadt, sondern der Wagner-Stiftung gehört, wegen seiner bröckelnden Fassade eingerüstet werden. In Bayreuth wollte man kräwinkelig den schwarzen Peter schnell Brigitte Merk-Erbe zuschieben, der neuen Oberbürgermeisterin und Geschäftsführerin der Stiftung. Zweifellos ist die Stadt mitverantwortlich für das Debakel, aber das Grundproblem ist ein strukturelles und trägt den Seriosität ausstrahlenden Namen Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth.
Deren Satzung - und damit fingen die Probleme an - wurde nach zähen Verhandlungen 1973 verabschiedet. Sie war und ist geprägt von Wolfgang Wagner, dem bis 2008 amtierenden Festspielleiter. Als alleiniger Chef der Bayreuther Festspiele GmbH mietete er den Theaterbau unter Bedingungen, die bis in die Zukunft nachwirken. Denn die überwiegend öffentlichen Träger der Stiftung haben so gut wie alles durchgewunken, was der knallhart seine Familienpolitik betreibende Wagner-Enkel wollte.
Neu ist nur der Verwaltungsrat
Bis hin zur "Wahl" seiner Nachfolgerinnen, die schon deshalb eine Farce war, weil der Stiftungsrat ein fachlich um Längen besser beleumundetes Team einstimmig ignorierte. Zugunsten von Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner. Seit 1. September 2008 sind die Wolfgang-Töchter Geschäftsführerinnen der Festspiel-GmbH, deren Gesellschafter Bund, Land, Stadt sowie die mäzenatische "Gesellschaft der Freunde von Bayreuth" sind.
Auf die gegebenen Veränderungen hat die Stiftung nur insofern reagiert, als sie den Verwaltungsrat etablierte. Dessen Vorsitzender ist Toni Schmid, Ministerialdirigent im bayerischen Kunstministerium. Als einziger langjähriger Hauptverantwortlicher hat er miterleben dürfen, wie Wolfgang Wagner den Stiftungsrat und ihn selbst als damaligen Stiftungsratsvorsitzenden dank des Mietvertrags einfach ignorieren konnte.
Ein ungültiger Mietvertrag
Der alte Mietvertrag ist immer noch ein Problemfall. Nicht nur, weil es Auslegungssache zu sein scheint, wer für welchen Bauunterhalt zuständig ist und bezahlen muss. Sondern auch, weil er von selbst endet, "sobald Herr Wolfgang Wagner nicht mehr alleiniger Leiter der Bayreuther Festspiele ist". Der neue Vertrag soll seit 2008 in Arbeit sein - und ist längst überfällig, denn er ist relevant für die Anstellung des seit dem Frühjahr avisierten zusätzlichen kaufmännischen Festspielgeschäftsführers.
Warum dafür so lange gebraucht wurde und wird, könnte an den Interessenkollisionen innerhalb der Stiftung liegen. Früher saß im Vorstand auch der Festspielleiter, der damit gleichzeitig Vermieter und Mieter war, jetzt nimmt die merkwürdige Doppelfunktion Toni Schmid ein, der seither in Bayreuth das Sagen hat - und nicht nur dort.
Wer kontrolliert wen?
Zwar wird er sicherstellen, dass im Sommer die Festspielgäste, darunter seine Vorgesetzten Horst Seehofer und Wolfgang Heubisch, das Festspielhaus ohne Schutzhelm betreten können. Zwar hat er dafür gesorgt, dass in Wahnfried Teile der erfolgreichen Landesausstellung über König Ludwig II. zu sehen sein werden. Was Schmid als Weisungsbefugter sonst noch bzw. nicht geleistet hat, lässt sich unschwer an der aktuellen Lage nicht nur der Bayreuther Festspiel-Immobilien ablesen.
Nur wer wollte das ernstlich kontrollieren, wenn die Stiftungsaufsicht unter der Oberleitung des Kunstministeriums (d.h. Heubisch bzw. Schmid) von der Regierung von Oberfranken wahrgenommen wird, deren oberster Repräsentant (d.h. Regierungspräsident Wilhelm Wenning) der aktuelle Stiftungsratsvorsitzende ist?