Bayreuther Professor über Corona-Schulsituation: "Eltern können keine Lehrer sein"
Autor: Redaktion
Bayreuth, Montag, 27. April 2020
Ein Erziehungswissenschaftler der Universität Bayreuth hat sich zum Thema "Homeschooling" in Zeiten des Coronavirus geäußert. Die aktuelle Praxis könne Unterricht nicht kompensieren. Der Wissenschaftlicher warnt vor den hohen Ansprüchen an die Eltern.
Die erste Schulwoche nach den Osterferien beginnt aufgrund der Covid-19-Pandemie mit Homeschooling. Von vielen Seiten hagelt es Kritik – ein Erziehungswissenschaftler der Universität Bayreuth warnt vor allem vor den hohen Ansprüchen an die Eltern.
Prof. Dr. Fabian Dietrich ist Inhaber des Lehrstuhls für Schulpädagogik an der Universität Bayreuth. Er kritisiert im Interview vor allem das „Aufgabenversenden“. Dieses sei ein Akt „symbolischer Natur“ und könne den Unterricht nicht ersetzen. Auch um die neue Rolle der Eltern macht er sich Sorgen: „Eltern können Schule nicht simulieren. Und keiner kann erwarten, dass in Zeiten der Aussetzung des Unterrichts Schüler und Schülerinnen diesen Wegfall eigenständig zuhause ausgleichen“, so der Professor.
Pädagogik-Professor im Interview: Wie umgehen mit der Corona-Schulsituation?
Wie schätzen Sie die aktuelle Unterrichtsversorgung ein?
„Zweifelsohne bedingen die gegenwärtigen Schulschließungen für alle Beteiligten eine komplett neue Situation. Die Fortsetzung von Schule ohne Unterricht ist aber paradox, weil Unterricht als face-to-face-Interaktion Schule im Kern ausmacht. In dieser Situation, auf die niemand vorbereitet sein konnte, erscheint es naheliegend, zunächst auf tradierte Formen und Praktiken zurückzugreifen, nämlich das (nun zum Teil virtuelle) Verteilen von Aufgaben und Arbeitsblättern und damit im wahrsten Sinne des Wortes von „Hausaufgaben“.
Derartige Formate richten sich in erster Linie auf das Üben, also das Ausbilden von Routinen, und weniger auf das Lernen im Sinne eines Aneignens neuer Sachverhalte, Fertigkeiten und Fähigkeiten. Das kann durchaus trotzdem sinnvoll sein. Der normale Unterricht kann aber so nicht kompensiert werden“.
Wie motivieren Eltern ihre Kinder, diese Aufgaben zu erledigen?
„Inzwischen finden sich auf den Bildungsportalen der Länder und anderenorts Tipps und Hinweise für Eltern. Grundsätzlich hängt das Maß der Bereitschaft, die gestellten Aufgaben zuhause zu erledigen, insbesondere von familial tradierten grundsätzlichen Einstellungen zu und Sichtweisen auf Schule, von den schulbiographischen Erfahrungen und den individuellen Interessen der Schüler, aber auch von der aktuellen häuslichen Situation ab.