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Bayreuther Forscher entwickeln Katalysator für nachhaltige Ausgangsstoff-Herstellung


Autor: Redaktion

Bayreuth, Donnerstag, 31. März 2022

Forscher der Universität Bayreuth haben einen auf Titan basierten Katalysator entwickelt, der alpha-Olefine nachhaltig herstellen kann. Bisher gab es nur drei solcher selektiver Verfahren. Die Forschungsarbeit der Bayreuther wird in der Zeitschrift "Science" veröffentlicht.
Bayreuther Forscher haben einen Katalysator entwickelt, der alpha-Olefine nachhaltig herstellen kann.


Die aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehenden alpha-Olefine seien die wichtigsten Ausgangsstoffe der chemischen Industrie. Forscher der Universität Bayreuth stellen jetzt in der Zeitschrift „Science“ eine Entdeckung vor, die ungeahnte Perspektiven für das Design und die selektive sowie nachhaltige Herstellung dieser chemischen Produkte eröffne: Sie hätten einen Katalysator entwickelt, der es erstmals erlaubt, potenziell unendlich viele Variationen von alpha-Olefinen zielgenau unter Verwendung von Ethylen herzustellen.

Bisher seien nur für drei alpha-Olefine derart selektive Herstellungsverfahren zur Verfügung gestanden. Wie die Universität Bayreuth in einer Pressemitteilung erklärt, basiere der neue Katalysator auf Titan, einem der am häufigsten vorkommenden Metalle der Erdkruste.

„Unsere Veröffentlichung wird voraussichtlich die Initialzündung für eine Vielzahl von Forschungsarbeiten sein, die unseren Katalysator – oder strukturell ähnliche Katalysatoren – einsetzen, um sehr unterschiedlich strukturierte alpha-Olefine selektiv herzustellen und diese als Ausgangsstoffe für innovative Produkte zu nutzen. Bisher konnte man alpha-Olefine nur, abgesehen von drei Ausnahmen, in Mischungen aus Ethylen herstellen", so Prof. Dr. Rhett Kempe, korrespondierender Autor der Studie, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl Anorganische Chemie II – Katalysatordesign innehat.

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"Unserer Synthese von alpha-Olefinen liegen im Wesentlichen zwei Bauprinzipien zugrunde, die Verlängerung und die Verzweigung. Diese lassen sich mit dem neuen Katalysator mit sehr hoher Präzision steuern." Derzeit würden weltweit jährlich mehr als 32 Millionen Tonnen von alpha-Olefinen auf der Basis von Ethylen erzeugt. Sie dienen der Uni zufolge der industriellen Herstellung von Produkten, die aus dem Alltag nicht wegzudenken sind, beispielsweise Medikamente, Waschmittel und Kunststoffe.

Die dabei verwendeten alpha-Olefine unterschieden sich hinsichtlich ihrer Größe und ihrer Struktur. Deshalb sei die chemische Industrie seit vielen Jahrzehnten dringend an Katalysatoren interessiert, mit denen die jeweils benötigten Moleküle zielgenau erzeugt werden könnten. In diesem Punkt seien die Erfolge der chemischen Forschung bislang überschaubar: Nur für drei alpha-Olefine seien jeweils hochselektive Katalysatoren entwickelt worden, für 1-Buten (1960), 1-Hexen (1989) und 1-Octen (2004).

Alle anderen industriell bedeutenden alpha-Olefine seien bis heute lediglich als Bestandteile von Stoffmischungen verfügbar. Benötige man nur ein Olefin aus einer solchen Mischung, sei der Rest der Mischung Abfall: Für eine Tonne Produkt würden mehrere Tonnen Abfall produziert. Außerdem koste die Stofftrennung viel Energie. Vor diesem Hintergrund sei der in „Science“ vorgestellte Katalysator ein entscheidender Durchbruch im Hinblick auf nachhaltige Synthese. Er sei hochselektiv für viele, potenziell unendlich viele Variationen von alpha-Olefinen.

Die herausragende Selektivität sei mit einer ungewöhnlich hohen Effizienz gekoppelt: Der in Bayreuth entwickelte Katalysator arbeite mit einer enormen Geschwindigkeit, wie sie in der Regel nur bei den aktivsten Enzymen, die in solchen Geschwindigkeiten nur viel einfachere Reaktionen vermitteln können, auftrete. Pro Sekunde könne der Bayreuther Katalysator 100.000-mal eine C-H-Bindung bei Raumtemperatur spalten und das Wasserstoffatom auf ein anderes Molekül übertragen.

„Unsere Forschungsergebnisse zeigen die große Dynamik der Katalysatorforschung. Sie belegen einmal mehr, dass fundamentale Herausforderungen in den Naturwissenschaften, die mit dem Begriff Nachhaltigkeit stark assoziiert sind, wie Klima, Energie, Gesundheit und Ressourcenschonung durch Katalyse adressiert werden können“, so Kempe.

Veröffentlichung:

Thomas Dietel, Fabian Lukas, Winfried P. Kretschmer, Rhett Kempe: Elongation and branching of ?-olefins by two ethylene molecules. Science (2022), Vol. 375, Issue 6584, pp. 1021-1024. DOI: https://www.science.org/doi/10.1126/science.abm5281