Bayreuth/Bayern: Wie ein Bayreuther das Flixbus-Drama auf der A9 überlebte
Autor: Markus Klein
Bayreuth, Freitag, 07. Juni 2019
Nach einem folgenschweren Flixbus-Unglück auf der A9 bei Leipzig zuckt Alexander Engel manchmal noch zusammen, wenn er seinen Sohn schreien hört. Hilflos lag der 33-jährige Bayreuther in einem umgekippten Bus - bis ihn sein Sitznachbar rettete.
Alexander Engel steht an einem Sonntagnachmittag am Omnibusbahnhof in Berlin und beobachtet seine künftigen Mitfahrer: Viele junge Menschen, denen man an den Schatten unter den Augen noch die berüchtigten Berliner Partynächte ansieht. Auch ältere Touristen, deren Augen zwischen Anzeigetafel und ihren Tickets pendeln. Später wird der 33 Jahre alte Bayreuther einige dieser Passagiere durch den Bus fliegen und dann blutüberströmt am Boden liegen sehen.
Flixbus-Drama auf der A9: Oberfranke Engel suchte seinen Retter
Der voll besetzte Flixbus war am 19. Mai 2019 auf der Autobahn 9 bei Leipzig verunglückt. Der Bus überschlug sich mehrfach und verursachte Chaos auf der A9. Ein Mensch starb bei dem Unfall. Engel hatte Glück. Sein Sitznachbar rettete ihn aus einer hilflosen Lage.
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Noch im Klinikum Bayreuth versucht Engel über soziale Medien, seinen Sitznachbarn zu finden. Als er das Krankenhaus eine Woche nach dem Unfall verlässt, startet er mehrere Aufrufe. Anfang dieser Woche meldet sich die Mutter des Passagiers 5A bei ihm: Ihr Sohn wolle sich gerne mit Engel austauschen, liege allerdings noch im Krankenhaus in Berlin, mit starken Schürfwunden und gebrochenem Schulterblatt. Er melde sich, wenn es ihm besser gehe. Glücksgefühle bei Engel. Kurzer Austausch mit dem Retter per Facebook. "Ihn hat's schwerer erwischt als mich. Trotzdem hat er geholfen. Ein Held."
Der Bayreuther freut sich auf das Telefonat. Zum einen, weil er seinen Retter mit Informationen zu Gepäckrückgabe und rechtlichen Möglichkeiten unterstützen will, die der noch vor sich hat. "Ich würde mich freuen, wenn ich auch etwas für ihn tun kann", sagt Engel. Und er freut sich auf den Austausch. "In der schwierigen Zeit nach dem Unfall hat es mir sehr geholfen, darüber zu sprechen."
Der Unfall auf der A9
Rückblick: Engel steigt in die obere Etage des Doppeldeckers. Auf seinem Sitzplatz - 5B, am Gang - liegt Gepäck. Nahe der Frontscheibe sind noch Plätze frei. Er überlegt, sich dorthin zu setzen - "mehr Beinfreiheit". Doch dann kommt ihm eine Gruppe zuvor. Engels späterer Retter legt seine Tasche beiseite und sagt "setzt dich" - "zum Glück", sagt Engel. Die Frontscheibe wird etwa zwei Stunden später von einer Leitplanke durchstoßen.
Vor der Abfahrt hört Engel auf den Hinweis des Busfahrers und schnallt sich an. Seit er eine Ehefrau und Kinder hat, schnallt er sich immer an. "Zum Glück". Er döst ein wenig. Nach knapp zwei Stunden erwacht er - durch die Schreie seiner Mitfahrer. Noch heute, drei Wochen nach dem Unfall, zuckt er zusammen, wenn sein jüngerer Sohn laut schreit. Engel reißt die Augen auf. "Man schaut nach vorne und hofft zu sehen, wo man hinknallt, damit man sich schützen kann", erzählt er, wobei sich seine Stimme etwas überschlägt, wie bald auch der Bus. Der driftet zunächst nach rechts. Engel hört einen Knall. Dann sieht er die Leitplanke auf sich zukommen. "Dann kurz so ein Gefühl, wie Fliegen. Und ich denke mir: Fuck, das geht nicht gut!"