Messerattacke auf Ärztin und Sanitäter: Angeklagter wohl schuldunfähig
Autor: Stephan-Herbert Fuchs
Bayreuth, Dienstag, 29. März 2016
Ein mutmaßlicher Messerstecher aus Bayreuth steht seit Dienstag vor Gericht. Er hatte eine Ärztin und drei Sanitäter niedergestochen.
Er hat versucht, vier Menschen zu töten und ist trotzdem nicht wegen versuchten Mordes angeklagt. Der 27-jährige Mann aus Bayreuth soll unter einer Schizophrenie leiden, die Rede ist von paranoider Symptomatik und akuter Verwirrtheit.
Weil der Mann nach Auffassung der Staatsanwaltshaft eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, soll er dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden. Das ist jedenfalls das Ziel der "Antragsschrift", die von der Staatsanwaltschaft verfasst wurde. Der Angeklagte ist damit kein Angeklagter, sondern ein Beschuldigter, der Prozess ist kein normaler Prozess, sondern ein Sicherungsverfahren. Neben einer ganzen Reihe an Zeugen sind auch ein psychiatrischer Sachverständiger vom Bezirksklinikum in Bayreuth und ein gerichtsmedizinischer Sachverständiger von der Universität Erlangen geladen.
Für eine Notärztin und drei Rettungssanitäter aus Bayreuth wird der 10. August 2015 für immer in Erinnerung bleiben. Angeblich wegen eines epileptischen Anfalls wurde sie zu einem Anwesen in Bayreuth gerufen. Als der 27-Jährige den Rettungswagen kommen sah, verbarrikadierte er sich zunächst in einer Toilette des Hauses. Die Notärztin und ein Sanitäter gingen in das Haus und wollten sich vom Gesundheitszustand des Mannes ein Bild machen, als der unvermittelt die Tür aufriss, die Notärztin gezielt und ohne Vorwarnung mit einem Messer niederstach und dem Sanitär das gleiche Messer in den Hals rammte. Doch damit nicht genug. Der 27-Jährige rannte nach draußen, wo die anderen beiden Sanitäter warteten und stach auch auf die beiden ein. Weil sich der Messerstecher danach in dem Haus verschanzt hatte, war damals ein Spezialeinsatzkommando der Polizei angerückt.
Der Beschuldigte wollte den Tod der vier Personen herbeiführen, hieß es in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft. Tatsächlich herrschte bei der Notärztin und bei einem der Sanitäter akute Lebensgefahr, sie mussten unmittelbar notoperiert werden. Die anderen beiden Sanitäter erlitten jeweils mehrere Stichverletzungen.
Angeklagter macht keine Angaben zur Tat
Zum Prozessauftakt kündigte der Verteidiger des 27-Jährigen, Rechtsanwalt Karsten Schieseck aus Bayreuth an, dass sein Mandant zum derzeitigen Zeitpunkt keine Angaben zur Tat machen werde. Der äußere Sachverhalt werde eingeräumt und sein Mandant bedauere die Taten zutiefst, sagte der Anwalt. Lediglich zu seiner Person machte der Beschuldigte Angaben. Er berichtete vom Besuch eines Waldorf-Kindergarten und der Waldorf-Schule in Wernstein bei Kulmbach. Erst nachdem er die achte Klasse wiederholen musste und die achte Jahrgangsstufe in Wernstein aufgelöst wurde, sei er zurück an eine Regelschule in Bayreuth.Nach diversen Auffälligkeiten kam der Beschuldigte in eine therapeutische Wohngruppe nach Bamberg, absolvierte berufsvorbereitende Maßnahmen und eine Einstiegsqualifizierung zur Hotelfachkraft. Später brach er eine Malerlehre ab, absolvierte ein Jahr lang eine schulische Ausbildung zum Kinderpfleger und machte zuletzt ein Praktikum bei einem Goldhändler.
Auch eine Drogenkarriere hat der 27-Jährige schon hinter sich. Schon zu Schulzeiten habe er regelmäßig Cannabis geraucht und auch andere Sachen probiert. Ecstasy gehört dazu, aber auch Amphetaminprodukte und die berüchtigten "Kräutermischungen". Er habe zuletzt von Hartz IV gelebt und schon mehrere Kurzaufenthalte in der Jugendpsychiatrie hinter sich. Wegen schwerer Körperverletzung war er auch schon straffällig geworden und erhielt dafür einen zweiwöchigen Jugendarrest.
Sanitäter hatte Glück im Unglück
"Wir haben uns noch Sorgen gemacht, weil sich der Beschuldigte auf der Toilette eingeschlossen hatte", berichtete der Rettungssanitäter, der als zweiter niedergestochen wurde. Der Mann hatte Glück im Unglück, denn trotz des heftigen Stichs gegen den Hals wurden eine Vene und seine Schilddrüse "nur" angeritzt. Außer einer großen Wunde am Hals blieben bei ihm keine dauerhaften Schäden zurück. Der Sanitäter hatte trotz des Stichs und seiner heftigen Blutungen der Notärztin noch erste Hilfe geleistet. Anders erging es der Notärztin, während ihrer Vernehmung musste der Beschuldigte auf Antrag ihres Nebenklageanwalts den Verhandlungssaal verlassen. Die Ärztin sei durch die Tatschwer belastet, eine direkte Konfrontation würde die bestehenden Probleme vergrößern und den Gesundheitszustand seiner Mandantin massiv verschlechtern, so der Nebenklagevertreter.Für die Verhandlung sind insgesamt sieben Verhandlungstage bis Ende April angesetzt. Fortgesetzt wird der Prozess am Freitag.