1,6 Milliarden Euro für Soziales
Autor: Klaus Angerstein
Bayreuth, Donnerstag, 23. November 2017
Immer mehr Pflichtaufgaben lassen die Bezirkshaushalte immer weiter anschwellen. Über ein Umlageverfahren werden die Kommunen zur Kasse gebeten.
Was Städte und Landkreise im im sozialen Bereich nicht zu leisten vermögen, ist Aufgabe der Bezirke. Zumindest im Freistaat Bayern ist das so geregelt. Wenn es um stationäre und künftig auch um ambulante Pflege geht, um Eingliederungshilfen für behinderte Menschen, um die Versorgung junger unbegleiteter Flüchtlinge, oder um den Betrieb von Spezialkliniken und Heimen, zum Beispiel für Drogensüchtige, dann sind unsere Bezirke gefordert.
Pflichtaufgaben, die eine ganze Menge Geld kosten und für die zu einem Großteil die fränkischen Kommunen aufkommen müssen. Aktuell schwitzen die Bezirkskämmerer in Ansbach, Bayreuth und Würzburg über ihrem jeweiligen Haushalt für das Jahr 2018. Am schnellsten waren die Mittelfranken. Da brachte die Verwaltung den Haushaltsentwurf bereits am 26. Oktober ein. Mit einem Gesamtvolumen von 948,2 Millionen Euro handelt es sich aber auch mit Abstand um den größten Haushalt. Unerfreulich für Kämmerer Fritz Weispfenning: Der Etat weist eine aktuelle Deckungslücke von 28 Millionen Euro aus. Um die zu schließen, müsste der Hebesatz von derzeit 23,1 Punkte um 1,3 Punkte erhöht werden. Die Höhe des Hebesatzes ist wichtig für die Kommunen. Weil sich daran der Anteil bemisst, den jede kreisfreie Stadt, jeder Landkreis innerhalb eines Regierungsbezirks an den Bezirk zu überweisen hat. Die Kommunen tragen nämlich den Löwenanteil der Bezirkskosten. Nur zu etwa einem Drittel werden die Haushalte der Bezirke vom Freistaat nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) alimentiert. In Bayreuth stellte Bezirkskämmerer Reiner Böhmer gestern seinen Haushaltsentwurf vor. Da ging es eine Nummer kleiner zu als in Ansbach, aber immer noch um ein Haushaltsvolumen von 436 Millionen Euro. Wie in den anderen Bezirken auch entfallen nahezu 93 Prozent dieser Summe ausschließlich auf Soziales. Nimmt man den Bezirkshaushalt von Rainer Klingert dazu, er ist Bezirkskämmerer in Würzburg und kalkuliert für 2018 mit einem Etatvolumen von 506 Millionen Euro, heißt das: In Franken werden für soziale Aufgaben der Bezirke im nächsten Jahr stolze 1,6 Milliarden Euro ausgegeben.
Beispiel Unterfranken
Das Beispiel Unterfrankens zeigt aber auch, wie explosionsartig sich die Bezirkshaushalte in den letzten fünf Jahren entwickelt haben.2013 kalkulierte der Kämmerer noch mit einem Gesamtvolumen von 399 Millionen Euro. Die Kostensteigerungen liegen nicht nur daran, dass alles teurer wird. Auf die Bezirke kommen auch immer mehr Aufgaben zu. Da wäre zum Beispiel die Versorgung unbegleiteter jugendlicher Flüchtlinge. Millionenausgaben, die nicht planbar waren und die noch abgerechnet werden müssen. Dazu, so war in Bayreuth zu erfahren, soll es einen Ausgleich auf Grundlage einer "Ländervereinbarung" geben. Das zuständige Bundesverwaltungsamt in Berlin hat bei seinen Zwischenabrechnungen über die von den Bezirken erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit jungen Flüchtlingen nämlich festgestellt, dass einige Bezirke unterbelastet, andere wiederum überbelastet wurden.
In Franken hat das ganz konkrete Auswirkungen auf die Bezirkshaushalte. Das unterlastete Mittelfranken muss demnach noch 16,4 Millionen Euro in den nächsten Etat einstellen. Anders in Ober- und Unterfranken. Dort hat das Berliner Amt eine Überbelastung von 11,5 Millionen Euro in Bayreuth und 3,6 Millionen Euro in Würzburg festgestellt.
Eine von allen Bundesländern und den sieben bayerischen Regierungsbezirken noch zu unterzeichnende vertragliche Vereinbarungen soll nun sicherstellen, dass nicht nur ein Anspruch auf Finanzausgleich besteht, sondern dieser auch realisiert wird. Jedenfalls hat der oberfränkische Kämmerer die 11,5 Millionen Euro schon mal als Einnahme in seinen 2018er Haushalt eingestellt. Mittelfrankens Kämmerer Fritz Weispfenning musste 16,4 Millionen als zusätzliche Ausgabe für das kommende Jahr vorsehen.
Unterschiedliche Hebesätze
Die Vorgehensweise hat unterschiedliche Auswirkungen auf den jeweiligen Hebesatz und damit auf die Höhe der Belastung für die Kommunen. Während in Bayreuth Kämmerer Reiner Böhmer verkünden konnte, es könne am eh schon niedrigen Hebesatz von 17,5 Punkten festgehalten werden, beließ es sein mittelfränkischer Kollege bei dem Hinweis, dass zur Deckung des kommenden Haushalts ein um mindestens 1,3 Punkte zu erhöhender Hebesatz nötig wäre. Dabei haben die Mittelfranken mit 23,1 Hebesatzpunkten eh schon den bayernweit höchsten Satz. Wieder ganz anders in Würzburg. Aufgrund einer höheren Umlagekraft will Kämmerer Rainer Klingert sogar eine Absenkung des Hebesatzes um 0,3 Punkte auf dann noch 18 Punkte vorschlagen.
Egal wie die Verwaltungsvorschläge auch aussehen, entscheiden muss letztlich die Politik, und damit der jeweilige Bezirkstag. In Ansbach soll das am 14. Dezember der Fall sein, in Würzburg will man am 19.12. Nägel mit Köpfen machen. In Oberfranken kommt der Bezirkstag am 7. Dezember zusammen um den Haushalt 2018 zu verabschieden.
Wobei natürlich auch nach der politischen Verabschiedung finanzielle Unwägbarkeiten bleiben. So weiß noch kein Bezirkskämmerer, welche Kosten mit der Übernahme der ambulanten Hilfe zur Pflege entstehen werden. Auch die mit den Neuerungen im Bundesteilhabegesetz verbundenen Kosten stellen noch ein Buch mit sieben Siegeln dar. Weshalb es bei Haushalten auch nur selten zu Punktlandungen kommen kann.